Unterm Lyrikmond

Gedichte lesen, schreiben und interpretieren

Gedichte zur Arbeit

Ohne nachzuzählen wird man ganz intuitiv darauf kommen, dass es wesentlich mehr Gedichte zur Liebe als zur Arbeit gibt. Aber ein paar gibt es schon, wenn auch die Liebe zur Arbeit hier nicht thematisiert wird, was ganz einfach daran liegt, dass ich zu faul zum Suchen danach war. Wer als Arbeitgeber sich also Hoffnung macht, ein paar poetische Motivierungsverse zu finden, wird bitter enttäuscht.

 
 

Job und Nebenjob

Kurze Zusammenfassung: Wenn einer einen Job hat, der ihn unbeliebt macht, dann nimmt er einen Nebenjob dazu, der ihn noch unbeliebter macht. C’est konsequent.

Clara Lösel · geb. 1999

Wennschon, dennschon

Ich starre die Uhr an.
War nicht eben auch schon mal 5?
Warum ist 17 5?
Wer hat sich das ausgedacht?
Um 18 ist meine Schicht vorbei.
Eine Stunde hat ungefähr 76 Minuten.

Wenn jemand fragt
Und was machst du?
Versuche ich,
Nicht im Raum zu sein.

Wenn es sich nicht vermeiden lässt,
Dass ich im Raum bin,
Sage ich:
Ordnungsamt.
Dann warte ich kurz
Und schaue den Menschen beim Nachdenken zu,
Wo ihr Auto gerade steht,
Meistens wo es besser nicht stehen sollte,
Und dann unschuldig tun.

Eigentlich sind alle am glücklichsten,
Wenn ich nicht in der Nähe bin.
Und mein Geheimnis ist:
Ich auch.

Eigentlich sind alle froh,
Wenn ich weit weg bin.
Es wird kalkuliert,
Wie unwahrscheinlich es ist,
Dass er jetzt gerade in den 20 Minuten …
Ich hoffe ja selber, dass ich keinen Zettel bekomme.
Dachte,
Ist ein guter Job,
Wenn ich die selber verteile,
Senkt das die Chance,
Dass ich einen bekomm
Erheblich.

Ich suche also den ganzen Tag
Falschparker.
Wie viele immer das Schlechteste.
So viele Zettel, wie ich verteile:
Ich muss ein scheiß Karma haben.

Einmal habe ich keinen Strafzettel angebracht,
Obwohl das Auto falsch stand,
Ich dachte gute Taten beflügeln.
Aber
Keine Flügel,
Kein Danke.
Wen wundert’s?
Rhetorische Frage.
Die Menschen sind undankbar.

Ich dagegen bin gut
Im Schlechtsein.
Ich würde sogar behaupten
Ausgezeichnet.

In meiner Freizeit komponiere ich
Warteschleifenmusik.
Das Orchester hofft,
Dass es nie hören muss, was es da gerade einspielt.
Mein Hobby trägt zu meiner Unbeliebtheit bei.
Wennschon,
Dennschon.

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Bekenntnis zur Arbeit

Offene Worte zum Thema Arbeit findet dieses Gedicht, doch auch dem Arbeitstag ist wie fast jedem Hollywood-Schinken ein Happy End sicher.

Hans Retep · geb. 1956

Lob der Arbeit

Die Arbeit ist mir ein Genuss,
wenn sie gefordert und befohlen
für mich ein andrer machen muss,
bekenne ich ganz unverhohlen
und stehe dennoch meinen Mann,
indem ich sitz auf heißen Kohlen,
bis endlich ich nach Hause kann.

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Arbeit ist weiblich

Das ist zweifellos schockierend, geht doch das Gerücht, dass harte Arbeit Männersache ist, doch selbst die Maloche kann das Weibliche nicht verleugnen. Wie gut, dass es da noch eine Schwester gibt.

Hans Retep · geb. 1956

Maloche

Ja die Maloche ist ein tolles Weib,
dem man galant Respekt erweist,
indem man ihm stets ferne bleibt,
gar gänzlich aus dem Wege geht,
denn schaut sie einen an,
dann ist es schon zu spät.

Viel mehr ist es uns angelegen,
von morgens früh bis Abendsegen
die Schwester Siesta sanft zu pflegen.
Dem hohen Weib genannt Maloche
darf huldigen im Schweiße
die übrige Mischpoche.

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Leben und Arbeit

Sehr interessant ist das Leben in einer Arbeitswoche, da könnte man glatt ein Gedicht drüber machen. Gedacht, getan:

Georgi Kratochwil · geb. 1979

Das Wochenprogramm

1 arbeiten essen schlafen
2 arbeiten essen schlafen
3 arbeiten essen schlafen
4 arbeiten essen schlafen
5 arbeiten essen schlafen
6 kaufen kaufen kaufen
7 leer
8 zurück zu 1

Als Kind
habe ich die Geschichte eines Mannes gehört,
der über die Vögel sagte:
Sie säen nicht, sie ernten nicht,
aber der himmlische Vater ernährt sie doch.
Als Kind.

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Gedicht über Tüchtige

Tüchtig schuften die Herren in diesem Gedicht, denn sie tragen schwer – an ihren Bäuchen.

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

Unsere Stadtwerke

Sechs übergewichtige Männer
Starren in eine Baugrube
Hände in den Taschen

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Jobroutine

Wenn Hamsterrad und Tunnelblick die Nebenwirkungen eines Jobs sind, dann ist es nicht mehr weit bis zu einer herzlichen Erkenntnis.

Georgi Kratochwil · geb. 1979

Job

Du
machst deinen Job
guckst nicht nach links
guckst nicht nach rechts
klopfst und pumpst
pumpst und klopfst
bei Tag und Nacht
bei Nacht und Tag
für’s Herz keine Zeit
keine Zeit für’s Herz
hast einen Job
machst deinen Job
hast einen Job
machst deinen Job
bist ein Nichts
bist ein Niemand
bist ein Nichts
bist ein Niemand
bist –
mein Herz
und ich
bin du

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Die Arbeit in der deutschen Sprache

Auf einen merkwürdigen Gegensatz weist das folgende Gedicht zur Arbeit hin: Die Deutschen gelten als fleißig, doch ihre Sprache arbeitet nicht mit.

Georgi Kratochwil · geb. 1979

Die Deutschen, die sind fleißig

Die Deutschen, die sind fleißig,
das weiß ich.
Zwar reimt die Pause auf
nach Hause,
der Feierabend mit
erquickend und labend,
es wird auch nicht herumgeeiert,
hat einer krankgefeiert,
und doch:
Die Deutschen, die sind fleißig,
das weiß ich,
nur ihre Sprache
übt Rache an der Sache.

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Gedicht übers Karrieremachen

Wie macht man Karriere? Ganz einfach: in kurzen, gereimten Versen. Und geht es nicht mit Reimen, probiert man’s halt mit Schleimen.

Martin Fugger · geb. 1970

Karriere

firmenschlaue
Charaktere
einheitsgraue
eitle Pfaue
künstlich stressend
höchst dotiert
mimen Schwere
enerviert

treiben
nummerierte Klone
eloquent
in falschem Tone
süffisant
voll Präpotenz
bis zur letzten
Konsequenz

kriechen grinsend
falsches Spiel
ganz auf Linie
fast senil
oktroyieren
kleinkariert
zensurieren
ungeniert

streichen Köpfe
ganz formell
demontieren
offiziell
joviale
Konvergenz
nur im Bann
von Eminenz

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Kommentar:
Dieses Gedicht war einer der 12 Finalisten aus über 1600 Einsendungen für das Gedicht des Jahres 2018.

 
 

Arbeitsweg

Der Arbeitsweg gehört auch im 21. Jahrhundert immer noch zur Arbeit. Also heißt es, bestens vorbereitet zu sein, um schnellstmöglich voranzukommen. Höchste Effizienz ist gefragt, und genau wie bei der Arbeit ... nützt sie nichts.

Angelika Wollermann · geb. 1963

Let it be

6 Uhr 58 ½: Wecker geklingelt – eingeatmet
blitzschnell ins Bad gehuscht
nur die wichtigsten Zähne geputzt
Haustür ins Schloss geschmettert
an Nachbarin Nina grußlos vorbeigerauscht
5 Euro 50 passend auf den Tresen gepfeffert
Goudabrötchen im Ganzen runtergewürgt
mit Coffee-to-Run nachgespült
Mann mit Krücken und zweieinhalb Kinderwagen zur Seite gekickt
aus Drehtür Ventilator gemacht
Ellenbogen und Knie ausgefahren
durch Bahnhofshalle gerempelt
auf Rolltreppe Domino gespielt
schrille Schmerzensschreie ignoriert
über Menschenhaufen gehechtet
Tür der anfahrenden U-Bahn aufgestemmt – reingezwängt
7 Uhr 1: ausgeatmet
bei Amazon Schuhe mit Stahlkappe, Panzerfaust, thailändischen
Besuchsservice für pflegebedürftigen Vater bestellt
„Nicht! Nicht die Notbremse ziehen!“ gerufen
„Die Weiterfahrt des Zuges verzögert sich auf unbestimmte Zeit“ gehört
7 Uhr 3: Nerven zusammengebrochen

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Pausengedicht

Wenn Hektik, Ticktack und das Telefon den Arbeitsalltag bestimmen, dann braucht es eine ganz besondere Pause, um „mal wieder herunterzukommen“.

Samira Schogofa · geb. 1958

Kurze Pause

Mir läuft die Zeit davon.
Ich bin gehetzt.
Es geht das Telefon.
Was piept denn jetzt?
Muss den Bericht noch schreiben,
darf nichts vergessen,
muss am Computer bleiben,
hab’ nichts gegessen.
Ich schau’ zum Fenster ’raus,
führ’ einen Wunsch spazieren.
Ich schalt’ das Handy aus,
will einfach nicht mehr funktionieren.
Mein Wunsch flaniert von einem Dach zum ander’n,
und leis’ beginn’ ich auszuwandern
in eine zeitbefreite Welt,
wo man schweigend innehält.

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Abschied von der Maloche

Oft genug ist der Abschied von der Arbeit nicht freiwillig, obwohl sie nicht gar so beliebt ist. In diesem Gedicht trifft es die Kumpel.

Monika Kühn · geb. 1943

Letzte Schicht

Die Zeche wird stillgelegt.
Die Kohle aus Kolumbien ist billiger.
Eine letzte Fahrt im Förderkorb
auf achthundert Meter Teufe.
Ein letztes Mal
durch die Stollen gehen,
die Grubenlampe
auf holprige Wege gerichtet.
Ein letztes Mal
das Rauschen der Wetterführung,
das Summen der Förderbänder,
das Krachen der Kohle,
wenn der Riesenhobel sie
aus dem Flöz fräst.
Technik vom Feinsten
wird jetzt verkauft,
weltweit begehrt.
Wir schalten die Computer aus
und das Licht auf der Basisstation.
In neunzig Sekunden spuckt
der Förderkorb uns wieder aus.
Wir legen den Helm ab und den Not-Akku,
die Wadenschützer und die schweren Schuhe.
Wir gehen zum letzten Mal
durch die große Halle
mit den blauen Kacheln.
Die gekreuzten Hämmer werden abgebaut.
Die Förderräder stehen still.

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Arbeitssteigerung

Der Ton macht bekanntlich die Musik, und hier wird gleich der Ton gesetzt mit einem Gedicht zur Poesie der Arbeit.

Grillparzer: Poesie der Arbeit

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Ein Gedicht zur Arbeit von Wilhelm Busch

Sein ganzes eigenes Würmchen im Arbeitsgebälk findet Wilhelm Busch. Mit dem Korpsgeist ist es selbst in kirchlichen Arbeitsstätten nicht weit her.

Busch: Befriedigt

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Noch ein Gedicht zur Arbeit von Wilhelm Busch

Also der Busch, der kennt sich aus im Arbeitsleben: Bloß nicht zu viel versprechen, Termine schön unverbindlich halten. Ob er aus einer alten Handwerkerfamilie kommt?

Busch: Vielleicht

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Gedicht über die Arbeitswoche

Fred Endrikat war von den 30er- bis in die 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts ein viel gelesener Dichter. Hier demonstriert er die Arbeitsmoral in den Zeiten, als noch Zucht und Ordnung herrschten.

Endrikat: Wochenbrevier

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Ein Gedicht über die Pause

Das ist ja noch immer das Wichtigste bei der Arbeit: eine ordentliche, erholsame, lange Pause. Nur die Zeit dazwischen ist etwas lästig.

Endrikat: Ein Stückchen Sonntag

Dieses Gedicht im Textformat

 
 

Gedicht über die Arbeitswoche

Aus den dunklen Zeiten der Sechs-Tage-Woche stammt dieses Gedicht zur Arbeit. Doch schon damals wusste man, was das Beste an der Woche ist.

Rolf Wolfgang Martens · 1868-1928

Ja, ja: ich will geduldig sein ...

Ja, ja: ich will geduldig sein!

Ruhig die Banausen anhören,
Lehm schippen, Steine klopfen, Sand karren,
sechs Tage lang!

Dann aber,
einmal,
zu einem M e n s c h e n,
muss es runter vom Herzen!

Der Feiertag der Seele werde geheiligt!

 
 

Ein naturalistisches Gedicht zur Arbeit

Arbeitsalltag ist ein furchtbares Wort, das in seiner Gänze in diesem Gedicht ausgemalt wird. Wer glaubt, dass dies ein Gedicht aus längst vergangenen Zeiten ist, sollte sich mal genauer umsehen.

Saar: Der Ziegelschlag

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Ein Gedicht der Arbeiterbewegung

An diesem Gedicht werden Gewerkschafter ihre Freude haben, denn sie wissen dann endlich, woher das berühmte „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will“ stammt.

Herwegh: Bundeslied für den Allgemeinen deutschen Arbeiterverein

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Fleiß und Faulheit

Die ungeschminkte Wahrheit über wahres Pflichtbewusstsein bei der Arbeit bietet Lessing in seinem Gedicht. Wie man an den Lebensdaten des Dichters sieht, hat der deutsche Arbeitsethos eine lange Tradition.

Lessing: Die Faulheit

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Motivationsgedicht für die Arbeit

Nachdem auf dieser Seite so viel über Arbeit gelästert wurde, hier ein die Arbeitgeber versöhnendes Motivationsgedicht, damit die Arbeiterschaft auch morgen noch kräftig reinhaut.

Weerth: Arbeite

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Link: Gedichte zur Arbeit beim Poetischen Stacheltier