Gedichte über Glück
Glück gibt es in drei Varianten, was für Gedichteschreibende eine glückliche Situation ist: Man kann frei wählen zwischen den Bedeutungen. Da wäre zuerst das personifizierte Glück, früher auch als Fortuna bekannt. Dies ist vor allem Thema in älteren Gedichten. Anna Dix stellt sich in ihrem Gedicht das Glück als kleines Kind vor, dem selbst ein grauer Tag nichts anhaben kann. Oft jedoch bleibt das Glück ohne nähere Festlegung, ganz modern: männlich, weiblich, divers. Bei Paul Heyse (Ich sah mein Glück vorübergehn …) hat es noch eher weibliche Züge, doch in Richard Zoozmanns Gedicht Das Glück und bei Isolde Kurz (Wegwarte) bleibt es unspezifisch, es kommt oder kommt nicht.
Jakob Haringer setzt in Die Ahnung noch eins drauf. Nicht nur das Glück wird personifiziert, auch das Unglück entfaltet zahlreiche Aktivitäten. Während Haringer die beiden nicht näher beschreibt, ist sich Heinrich Heine ganz sicher: Glück und Unglück sind Frauen, die eine eher flüchtiger Natur (Das Glück ist eine leichte Dirne ...), die andere macht es sich bequem, bleibt gerne.
Die zweite Art von Glück ist ein Zustand im Sinne von Lebensglück. Das findet man an den seltsamsten Orten: in einer Plattenfuge oder in einem kleinen Stein. Auch wenn Glücksursachen sehr verschieden sein können, bleibt das Glück meist kurzlebig, wie Angelica Sethe in ihrem Glücksgedicht darlegt. Deshalb will Jakob Haringer am liebsten gar nicht drüber reden und Ernst Eckstein meint, dass es eh nur ein Märchen ist.
Die dritte Art von Glück ist die glückliche Fügung. Seltsamerweise hat sich niemand hier dieses Themas angenommen. Das liegt vielleicht daran, dass Dichterinnen und Dichter von solchen Glücksfällen geradezu überschwemmt werden, dieses Glück für gewöhnlich halten, denn was ist eine Gedichtidee anderes als ein Glücksfall in den Nervenzellen des Gehirns?

Glück ohne Verfallsdatum
Über den rechten Umgang mit Ängsten und Glück referiert hier der Dichter. Sein Gedicht-Ratschlag ist einfach und einfach zu befolgen, das ist vermutlich das Schwere daran.
Hans Retep · geb. 1956
Glück und Schlaf
Alle Ängste, die der Tag gebracht,
schlaf ich fort in einer Nacht;
doch am Tag genossenes Glück
geb’ ich nimmermehr zurück.
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Unbeachtetes Glück
Man muss schon sehr genau hingucken, um das Glück zu sehen, wo man es am wenigsten vermutet, vor allem wenn man eine halbe Stunde auf einen Zug wartet.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Glück ist ...
Glück ist:
Aus der Plattenfuge
eines ungenutzten Bahnsteigs
zu wachsen.
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Verwirrendes Glück
Ein bisschen verwirrt scheint die Stimme des Gedichts ob ihres Glücks oder dessen Nichtvorhandensein.
Edna St. Vincent Millay · 1892-1950
Die Apfelbäume knospen ...
Die Apfelbäume knospen, ich nicht, selbst wenn ich will,
Wer vergaß
den April?
Das Glück, das Glück, ich hielt es einst in meiner Hand,
Persistiert es?
Existiert es,
Vielleicht, in einem fremden Land?
Breitete es sich aus
Irgendwo zu irgendwas, um im Handgelenk Sehnen zu dehnen?
Existiert es,
Zu süß, dass ich nicht würde froh,
Irgendwo?
Übertragen aus dem Englischen von Hans-Peter Kraus
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Gedicht über verstecktes Glück
Man findet auch Glück, wo man es niemals erwarten würde, aber nicht unbedingt das eigene.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Auf Papier in Klarsichthüllen
Dieser alte Mann
ist feige, besserwisserisch,
ein Säufer und wirklich gut darin,
anderen die Schuld zuzuschieben.
Ich klopfe an seine Tür.
„Ja.”
Vor ihm auf dem Schreibtisch liegt
ein aufgeschlagener Aktenordner,
alte Zeitungsausschnitte
auf Papier geklebt in Klarsichthüllen.
Der alte Mann schaut zu mir hoch:
etwas benommen, aber glücklich.
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Das Glück des einfachen Lebens
Stein müsste man sein, so der Tenor dieses Gedichts über das Glück, denn dann ist das Leben einfach. Aber man rechne als Stein nicht darauf, seinen Kaffee mit einem strahlenden Lächeln ans Bett serviert zu bekommen.
Emily Dickinson · 1830-1886
Wie glücklich ist der kleine Stein ...
Wie glücklich ist der kleine Stein,
Der in der Straße schweift allein,
Sich für Karrieren nicht int’ressiert,
ein sorgenfreies Leben führt –
Gekleidet ist er braun und glatt,
wie’s All es ihm verliehen hat,
Und unabhängig wie Sonnenschein
Glänzt er mit andern oder allein,
Erfüllt den absoluten Entschluss,
Ohne dass er sich quälen muss.
Übertragen aus dem Englischen von Hans-Peter Kraus
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Gedicht über ein kleines Glück
Die Ansprüche ans Glück sind sehr verschieden. Bei dem einen läuft unterhalb einer Million gar nichts, bei dem anderen genügt ein Stück Rasen am Morgen.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Die Freuden des Lebens
Sonniger Morgen –
Mauerschatten teilt
eine bettgroße Rasenfläche längs
in eine dunkel-
und eine hellgrüne Hälfte.
Aus dem Schatten
kommen drei Männer auf die Rasenfläche zu.
Sie bleiben vor dem Grün stehen,
der Mann in der Mitte
kniet nieder.
Er streckt beide Hände aus,
streicht sanft mit den Handflächen
und weit gespreizten Fingern
über die kühlen,
noch taunassen Grashalme.
Langsam
über die Halme kreisend
nähern sich die Hände der Schattengrenze.
Der Mann hält kurz inne,
dann schiebt er die bleichen Hände
auf die Sonnenseite des Rasens.
Von den Fingerspitzen aus
durchströmt
die Sonnenwärme seinen Körper.
Der Mann schließt die Augen,
konzentriert sich ganz
auf das warme Rieseln.
Schließlich
tippt der links neben ihm Stehende
zweimal kurz
auf seine Schulter.
Der Mann öffnet die Augen,
steht steif und umständlich auf.
Er atmet einmal kräftig ein und aus
und folgt mit dem Blick der leeren,
sonnenüberfluteten Straße bis zum Hügelkamm.
Er saugt diesen Anblick in sein Gedächtnis,
dann dreht er sich abrupt um,
und die beiden Männer
eskortieren ihn zurück
zum Gefängnistor.
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Das Kreuz mit dem Glück
Gibt ja Leute, die haben keine Zeit für Glück. Andere haben Zeit, aber es mangelt an Glück. Und dann gibt’s da noch den Dichter, der Kreuze macht. Ob’s hilft?
Dyrk Schreiber · geb. 1954
Kreuz und glücklich
Zeit –
welche könnte es sein –
habe ich nicht mehr.
Ich bin ständig müde,
fühle mich beschissen.
Ich habe Angst.
Überall dieses Banale,
dieser Stechschritt der Uhr
durch meine Einsamkeit.
Also gut: Ich gehe noch mal
zum Laden, für ’n paar Kröten
sechs Kreuze machen,
ich bin ein Dichter,
hab’s dir gesagt,
der macht sowas nicht.
Doch einzig das Lieblose,
Zahlen etwa,
ich höre deine Worte,
verheißt Glück. Wenn’s
schief geht, sag, hab ich noch
Zeit?
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Gedicht über Haus- und Gartenglück
Ich schätze, der liebe Gott wird ganz traurig sein, wenn er dieses Gedicht liest. Das Glück in eigenem Haus und Garten wird dem im jenseitigen Paradies vorgezogen. Das kommt davon, wenn man schlecht in PR ist.
Anemone von Berg · geb. 1968
Glück
Ich bleibe bei den Meinen,
will nicht mehr hoch hinaus.
Bin mit mir selbst im Reinen,
in unserm hellen Haus …
…und dran, da ist ein Garten,
so schön, wie’s Paradies!
Doch Letzt’res lass ich warten –
genieße lieber dies.
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Die Frage nach dem Glück
Fragt man jemanden „Was ist Glück?“, sagt der eine das Eine, die andere das Andere, und andere sagen wieder ganz was Anderes. In diesem Gedicht ist die Antwort überraschend einfach.
Angelica Seithe · geb. 1945
Glück
Du fragst mich nach Glück
Neulich gab ich
dem braunen Pferd auf der Weide
ein Zuckerstück hinter den Zaun
Dann noch eins und noch eins
Es schaute mir nach
in den Abend
Ich winkte
Als ich heimkam und
meine Tür aufschloss
merkte ich
dass ich glücklich war
Für eine Weile
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Lesetipp:
Mehr Gedichte von Angelica Seithe finden Sie unter: www.angelica-seithe.de

Gedicht über kurzes Glück
Das folgende Gedicht ist eher nicht für Jäger nach ewigem Glück gedacht, sondern mehr für Glückshäppchengenießer.
Samira Schogofa · geb. 1958
Das Glück ist eine heilige Sekunde
Ein schönes Lächeln, eine frohe Kunde.
Ein heit'res Lob aus aller Munde.
Ein gutes Essen in der Freundesrunde.
Geliebt zu werden, gleich aus welchem Grunde.
Verzaubert lachend ich nunmehr bekunde:
Das Glück ist eine heilige Sekunde.
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Gedicht über Glück und Unglück
Dieses Gedicht über Glück spart auch das Unglück nicht aus; das eine gäbe es eh nicht ohne das andere.


Überwältigt vor Glück
Geradezu wasserfallartig kommt das Glück in diesem Gedicht über einen Menschen. Merke: Gegen einen verdoppelten Paarreim hilft kein Regenschirm;-)
Ernst Lissauer · 1882-1927
Ein Neues
Ein Rieseln, ein Raunen, ein Zucken, ein Rühren,
Die Wurzeln, die Steine zittern und spüren,
Die Moose, die Brunnen in meinem Leben,
Sie wittern ein Neues, es will sich begeben,
Ein Öffnen, ein Spalten, ein Atmen, ein Beben,
Als wollte die Erde die Flügel aufheben.
Es strahlt ein Brausen, es rauscht eine Helle,
Glück kommt geschossen in großem Gefälle.
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Gedicht über ein Glückswort
Eine beschwörende Glücksformel serviert Hugo von Hofmannsthal in seinem Gedicht vom bescherten Glück.


Ein Goethe-Gedicht über das Glück
Goethe weiß angeblich genau, wo das Glück zu suchen ist. Sein Gedicht empfiehlt sich nicht für Reiseprospekte.


Glücksvorstellung
Das Glück als Person? Darüber gibt es verschiedene Vorstellungen, in diesem Gedicht über das Glück gleich zwei sehr unterschiedliche.
Anna Dix · 1874-1947
Glück
Man malt das Glück zumeist als stolzes Weib,
in Purpurpracht gehüllt den holden Leib,
mit offner Hand, die junge Rosen streut. –
Ich aber denke mir’s: Ein lachend Kind,
das seine Locken zausen lässt vom Wind
und sich am grauen Regenhimmel freut.
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Gedicht über klangvolles Glück
Ein zarter Klang im Vorüberwehen, auch das kann Glück sein, wie das folgende Gedicht zeigt.
Friedrich Wilhelm Wagner · 1892-1931
Nachklang
Das sind die schönsten Stunden,
Da leis ein Klang entsteht,
Aus Tagen hergeweht,
Da ich ein Glück gefunden ...
Ein Klang nur, zag und wie
Vergehend matt ...
Aus einer großen Melodie,
Die mein Herz vergessen hat.
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Glück im Glück
Auch Paul Heyses lyrisches Ich lässt in diesem Gedicht sein Glück vorübergehn, macht aber dann doch die Tür auf, und siehe da ...


Das Glück ist mit die Doofen
Wer schon immer mal wissen wollte, wieso ausgerechnet die Doofen so viel Glück haben, in diesem Gedicht findet er die Antwort:


Warten aufs Glück
Gut Ding will Weile haben, sagt der Volksmund, doch mit dem Glück scheint die Sache noch etwas komplizierter zu sein, wie dieses Gedicht auf märchenhafte Weise zeigt.


Ist Glück nur ein Märchen?
Das folgende Gedicht erzählt eine Geschichte vom Glück mit gutem Ende, doch weigert es sich erstaunlicherweise, aus diesem Märchen etwas Positives zu ziehen.


Übers Glück schreiben
Glück hat man, man schreibt nicht darüber, ist der Tenor dieses Gedichts über das Glück.
Jakob Haringer · 1898-1948
Das Glück
Glaubt jenen nie, die da vom Glück geschrieben,
Glaubt keinen Singsang, wie sie sich gefreut:
Ach, wenn ich glücklich war, da hab ich nie geschrieben –
Da saß ich still und hab mich bloß gefreut.
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Gedicht über Glück und ganz viel Unglück
Das Glück genießen kann man erst, wenn man weiß, wie sich Unglück anfühlt. Und damit das jeder weiß, wird Letzteres in diesem Gedicht ausführlich beschrieben. Na vielen Dank.
Jakob Haringer · 1898-1948
Die Ahnung
Ach, das Glück hat keine Boten,
Es ist da und strahlt und lacht –
Doch das Unglück schickt die toten,
Bangen Nebel Tag und Nacht.
Sie ersticken dich und ketten
Dich noch lebend tief ins Grab,
Und es wird kein Herz dich retten
Und kein frommer Pilgerstab.
Ach, die Pein lässt dich noch schlafen,
Wenn sie dich auch ganz zerbricht.
Doch des Unglücks harte Sklaven
Halten strenger Hochgericht.
Und so mästen sich die Toten
Satt an deiner Stunden Pracht ...
Ach, das Glück hat keine Boten!
Es ist da und strahlt und lacht ...
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Einsamkeit und Glück
Das Warten auf das Glück in Einsamkeit ist das Thema dieses Gedichts, verbunden mit einer bangen, aber berechtigten Frage.
Albert Sergel · 1876-1946
Einsam bin ich ...
Einsam bin ich,
und meine Seele dürstet
nach einem großen, wunderbaren Glück,
das ich in Fernen, weiten Fernen ahne.
Einst wird es kommen,
wird seine Hände auf das Haupt mir legen,
mit großen Augen leuchtend vor mir stehn ...
Bin ich dann noch so jung, das Glück zu fassen,
bin mutlos ich und müd und alt geworden?
Kommt es zu spät?
Die Einsamkeit schleicht träge um mich her,
und meine Seele dürstet
nach dem Glück ...
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Gedicht über das Glück zu zweit
Dass ein Glück zu zweit auch ohne Worte zum Vorschein kommen kann, zeigt das folgende Gedicht.
Friedrich Adler · 1857-1938
Stilles Glück
Wie heimlich in der Lenznacht Walten
der Blumen Kelche sich entfalten,
so schließt der Stunden milder Lauf
mir immer neue Schönheit auf.
Was sich die andern mühn und regen,
den Schatz der Seele freizulegen!
Doch du verbirgst ihn, fast erschreckt,
wenn selig ihn mein Aug’ entdeckt.
So wächst der Reichtum Tag um Tag –
Ich seh’ ihn schweigend, froh und zag,
als scheuchte ein zu lautes Wort
ihn wie ein Märchenwunder fort.
(Meiner Frau.)
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