Unterm Lyrikmond

Gedichte lesen, schreiben und interpretieren

Berühmte Liebesgedichte

Liebesgedichte waren, sind und werden immer eine der beliebtesten Gedichtarten sein, denn wenn nicht die Dichter, wer dann soll die rechten Worte in der Liebe finden? Die Zusammenstellung dieser Seite bietet eine Auswahl berühmter Liebesgedichte aus zwei Anthologien. Hans Braam hat für Die berühmtesten deutschen Gedichte (Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2004) Anthologien ab dem 18. Jahrhundert ausgezählt und die 200 berühmtesten deutschen Gedichte zusammengestellt. Dirk Ippen hat sich für Des Sommers letzte Rosen. Die 100 beliebtesten deutschen Gedichte (Verlag C.H. Beck, München 2001) auf Anthologien des 20. Jahrhunderts beschränkt. Daraus habe ich eine Auswahl erstellt, die möglichst jede Epoche abdecken sollte, wobei naturgemäß nur gemeinfreie Gedichte berücksichtigt werden konnten.

 
 

Ein berühmtes Liebesgedicht aus dem Mittelalter

Obwohl die Sprache mittelalterlicher Gedichte nicht immer leicht verständlich ist, hier lässt sich „daz slüzzelin“ zum Text leicht finden.

Unbekannt: Dû bist mîn, ich bin dîn ...

[Lachmann 1964: 3]

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Lang ist’s her
Das Gedicht Dû bist mîn, ich bin dîn ... wird auf das Ende des 12. Jahrhunderts datiert, hat also mehr als 800 Jahre auf dem Buckel. Es gilt als das älteste Liebesgedicht deutscher Sprache und ist trotz des Mittelhochdeutschen gut verständlich. Sprachliche Anmerkungen: Die kleinen Dächer auf den i und u zeigen an, dass der Vokal lang gesprochen wird. Also „miin“, nicht „minn“. Im Hochdeutschen hat sich dieses lange i zum ei entwickelt, vielleicht weil das Hochdeutsche aus dem Süden Deutschlands stammt. Dort mag man seine Laute flauschiger. Das doppelte z entspricht einem scharfen s.

Neben der Tatsache, dass es praktisch keine sprachlichen Hürden gibt, ist auch der Inhalt leicht nachzuvollziehen, obwohl der unbekannte Autor ab Vers drei metaphorisch wird. Die Metaphern des Gedichts dienen jedoch nicht dazu, den Inhalt zu verschlüsseln, sondern zu verdeutlichen. Damit sind sie dem metaphorischen Sprachgebrauch im Alltag sehr nahe. Ganz konkret gibt es ja immer noch die Wendung, jemanden ins Herz zu schließen. Da denkt niemand an Metaphern, aber wie das Gedicht zeigt, ist da wesentlich mehr dran, z. B. ein weggeworfenes Schlüsselchen.

Was die wenigsten stören dürfte, ist der behelfsmäßige formale Aufbau des Gedichts. Fast jeder Vers hat ein anderes metrisches Schema und bei Vers drei und vier bleibt unklar, ob ein Reim erzwungen werden soll (-zen), also eigentlich falsch auf der Endsilbe betont wird, oder die beiden Zeilen reimlos sind. Vermutlich eher die erste Variante, denn dass Betonung in der Aussprache gleich Hebung im metrischen Schema ist, das wurde erst Jahrhunderte später fest in der Lyrik verankert. In jedem Fall zeigt das Gedicht, dass es nicht unbedingt des großen Wurfs bedarf, um sich über Jahrhunderte zu erhalten, ein einfaches Liebesgeständnis mit ein wenig Alltagsmetaphorik reicht völlig.

 
 

Ein berühmtes Liebesgedicht aus dem Barock

Äußerst enthusiastisch gibt sich das liebende Ich in diesem barocken Liebesgedicht. Vers 21 und 22 werden jedoch aus heutiger Sicht Frauen eher nicht begeistern.

Dach: Annchen von Tharau

(Aus dem Preußischen Plattdeutsch übertragen von Johann Gottfried Herder)

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Lesetipp:
Barocke Gedichte mit und ohne Liebe hat die Seite Gedichte aus dem Barock zu bieten.

 
 

Ein berühmtes Liebesgedicht von Klopstock

Ungereimt geht auch, kann man zu diesem Liebesgedicht sagen und da auch das sonst übliche Klopstock-Pathos fehlt, ist dieses Gedicht als Erinnerung an die anakreontischen Liebeständeleien gut zu verdauen.

Klopstock: Das Rosenband

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Ein Goethe-Liebesgedicht

Nähe und Entfernung in der Liebe thematisiert Goethe in diesem Liebesgedicht. Die starken Gefühlsausschläge werden durch den Wechsel von Lang- und Kurzzeilen formal verstärkt.

Goethe: Nähe des Geliebten

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Geliehen, nicht geklaut
Der Titel Nähe des Geliebten ist etwas merkwürdig. Hätte Goethe als Mann nicht „Nähe der Geliebten“ schreiben müssen? Oder war er etwa … ist das zu denken? Alles ist zu denken, aber Wissen hilft, damit man sich nicht in spekulativen Labyrinthen verirrt. Goethe hat ein Rollengedicht geschrieben, sich also in die Seelenlage einer Frau versetzt. Und warum hat er das gemacht? War er etwa … ist das zu denken?

Denken wird doch manchmal überschätzt. Der Grund ist ganz einfach: Goethe hat sich bei diesem Gedicht etwas ausgeliehen, aber: nicht geklaut. Der Aufbau ist auch ohne vertiefte Kenntnisse des Metrums sehr auffällig. Fachfraulich gesagt wechseln ein fünfhebiger und ein zweihebiger Jambus, wobei der lange Vers einen zweisilbigen (weibliche Kadenz), der kurze Vers einen einsilbigen Reim (männliche Kadenz) hat. Diesen Aufbau verwendete Friederike Brun in ihrem Gedicht Ich denke dein. Goethe hat sich also das metrische Schema und das Thema (Liebesgedicht einer Frau) ausgeliehen und daraus ein eigenes Gedicht gemacht. Das nennt man Kontrafaktur. Allerdings reicht es bereits, die formalen Merkmale zu übernehmen, Themengleichheit oder -ähnlichkeit ist nicht Bedingung.

Eigentlich stammt der Begriff Kontrafaktur aus der Musik, wo man einen anderen Text der gleichen Melodie unterlegt. Wichtig ist, dass Goethe sich nicht lustig machte über das Original, denn dann wären wir bei der Parodie. Eine solche gibt es auch von einem Herrn Otto von Plaenckner, der Nähe der lieben Frau schrieb, also nicht den Goetheschen Rollentausch vollzog, sondern in der (sehr) männlichen Perspektive blieb.

Ein bisschen geklaut hat Goethe aber doch: Das zweite Reimpaar (strahlt – malt) hat er übernommen. Aber die Klauleihe hat er getarnt, indem er die Reihenfolge umkehrte und „malt“ statt „mahlt“ schrieb. Das nennt man wohl Leihe mit Niveau.

 
 

Ein Gleiches

Mit diesem Gedicht ist die Reihe der berühmten Liebesgedicht endgültig in der „Sturm und Drang“-Epoche angekommen. Recht stürmisch ist auch der Ritt zur Geliebten.

Goethe: Willkommen und Abschied

Dieses Gedicht im TextformatZur Interpretation des Gedichts Willkommen und Abschied

Ein Erlebnis-Gedicht
Wenn jemand heutzutage ein Gedicht veröffentlicht über ein persönliches Erlebnis, dann ist das nichts Ungewöhnliches. Da sind wir ganz cool und nehmen nicht mal an, dass dieses Erlebnis wirklich persönlich war. Das Ich in einem solchen Gedicht wird so akzeptiert, wie es sich darstellt, es ist das lyrische Ich.

In früheren Zeiten war das noch anders. Ein Ich in einem Gedicht, wenn es überhaupt vorkam, war eher ein unpersönliches, eher ein Wir. Die Hauptaufgabe der Lyrik war lange Zeit, ein gemeinsames Weltbild zu festigen und nicht ein Ich und sein Erleben in den Vordergrund zu rücken. Das Gedicht Willkommen und Abschied jedoch wird aufdringlich von einem Ich geprägt. Zu Beginn hält es sich noch zurück. Es spricht aus der Erinnerung, wobei die Leser durch viele Details ganz nah dran sind am Erlebnis. In der zweiten Hälfte von Strophe zwei kommt dann nur ein Vers ohne Ich-Bezug aus.

In Strophe drei erscheint sogar ein Du. Durch dieses Du, die Geliebte, entzieht Goethe den Lesern ein wenig die Identifikationsmöglichkeit mit dem Ich, denn das Ich liebt ja anscheinend eine ganz konkrete Frau, die ihnen unbekannt bleibt. Gleichzeitig wird das Ich eine glaubwürdigere Figur, denn es hat ein Eigenleben, von dem die Leser nichts wissen. Die nehmen also wirklich an einem Erlebnis eines anderen teil.

Die letzte Strophe vertieft diese Trennung von Lesern und Ich, gerade weil das Ich fast schon intime Details auspackt, die es mit dem Du erlebt. Die Personen werden glaubwürdiger, die Trennung vom Leser stärker. Am Schluss jedoch holt Goethe wieder alle mit ins Boot, als ohne Ich und Du festgestellt wird, dass es ein Glück ist, zu lieben und geliebt zu werden. Ein Rückfall in alte Zeiten der Lyrik: Eine Bekräftigung des Weltbilds, es wird gesagt, was alle wissen.

Eine ausführliche Interpretation des Gedichts finden Sie hier beim Lyrikmond.

 
 

Noch ein Gleiches

Dass Goethe einige berühmte Gedichte zum Thema Liebe beigesteuert hat, wird kaum überraschen. In diesem legt er ein erstaunliches Tempo an den Tag, um die Liebe zu feiern.

Goethe: Mailied

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Ein berühmtes Liebesgedicht aus der Romantik

Von den Romantikern sind die eher unglücklichen Liebesgedichte besonders berühmt. Den Anfang macht Brentano, der diesen Text, wie das bei den Romantiker üblich war, in eine Erzählung eingebunden hat (Aus der Chronicka eines fahrenden Schülers).

Brentano: Der Spinnerin Nachtlied

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Lesetipp:
Mehr Romantik, wenn auch nicht immer romantisch, finden Sie bei den Gedichten der Romantik.

 
 

Mehr berühmte Romantik

Das Motiv der untreuen Frau wird in diesem Gedicht von Eichendorff etwas selbstzerfleischend durchgespielt.

Eichendorff: Das zerbrochene Ringlein

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Und noch mal treulos

Treulosigkeit geht natürlich auch anders herum, in diesem Gedicht ist’s der Mann bzw. der Knabe, der die Hände nicht still halten konnte.

Mörike: Das verlassene Mägdlein

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Ein berühmtes Liebesgedicht von Heine

Der Heine darf beim Thema Liebesgedichte nicht fehlen. Hier mimt er den romantischen Romantiker.

Heine: Du bist wie eine Blume ...

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Noch mal Heine

Was sich liebt, das reimt sich, sollte man meinen. Heine ist anderer Meinung und deshalb muss man einen wirklich reinen Reim in diesem berühmten Liebesgedicht lange suchen.

Heine: Leise zieht durch mein Gemüt ...

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Ein berühmtes Plädoyer

Es gibt überhaupt gar keinen Zweifel nicht, wie dieses Gedicht gemeint ist, es kommt etwas biedermeierlich daher und trotzdem: es ist berühmt.

Freiligrath: O lieb’, solang du lieben kannst!

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Eine andere Perspektive

Liebesgedichte sind oft eine Sache von Ich und Du, obwohl das nichts über die biographischen Hintergründe aussagt. Dieses Liebesgedicht begnügt sich mit der distanzierten Er-Perspektive und fand trotzdem seinen Weg zum Ruhm.

Hofmannsthal: Die Beiden

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Ein berühmtes Liebesgedicht von Rilke

Den Reigen berühmter Liebesgedicht, die bereits gemeinfrei sind, kann natürlich niemand anders als Rilke beschließen. Hier spielt er ein Liebeslied mit etwas unorthodoxen Reimschema.

Rilke: Liebes-Led

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Ohne Themeneinschränkung bietet die Seite Berühmte Gedichte noch mehr Texte, die man als Lyrikliebhaber mal gelesen haben sollte.

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