Kurze Gedichte über die Liebe
Die Hoffnung soll das Ding mit Federn sein, schrieb die Dichterin Emily Dickinson. Die Liebe erscheint eher als das Ding mit Flügeln und einem komischen Hut auf dem Kopf. In jedem Fall ist die Liebe eine verrückte Sache, die mit Gedichten auch nicht unbedingt erklärbar wird. Manche Dichterin und mancher Dichter hat’s trotzdem in einem kurzen Gedicht versucht.

Liebe ist die Antwort
Gewisse Probleme beim Verständnis der Liebe lassen sich recht schnell beheben, wenn man diesem Liebesgedicht glauben darf.
Hans Retep · geb. 1956
Die Liebe ist ein seltsam Ding
Die Liebe ist ein seltsam Ding,
kaum ist sie da, schon ist sie hin.
Verrate mir, was mach ich bloß,
damit Gefühle schön und groß
mir nicht beim kleinsten Streit zerstieben?
Lieben!
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Gedicht über den Liebeskreislauf
Dass die Liebe sehr verwirrend sein kann, ist kein Wunder, denn sie dreht sich im Kreis, wie das folgende kurze Gedicht über die Liebe zeigt.
Georgi Kratochwil · geb. 1979
Lieben heißt besitzen ...
Lieben heißt besitzen.
Besitzen heißt verlieren.
Verlieren heißt gewinnen.
Gewinnen heißt lieben.
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Kein kurzes Gedicht über die Liebe
Ja, dies ist kein kurzes Gedicht über die Liebe, sondern eines übers Verliebtsein. Doch gerade deshalb ist es ein Gedicht über die Liebe, weil es eines übers Verliebtsein ist. Alles klar?
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Verliebt sein
Verliebt sein, oh, verliebt sein!
Verliebt sein
ist die Mitteilung deines Körpers,
dass es sich lohnen könnte,
mit dem betreffenden Subjekt
Gene zu vermischen.
Liebe
ist ganz was anderes.
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Hausaufgabe: ein Vierzeiler über die Liebe
Etwas unordentlich sieht der folgende Vierzeiler über die Liebe aus und auch sonst ist die Herangehensweise ans Thema etwas unorthodox.
Georgi Kratochwil · geb. 1979
Schreiben Sie einen Vierzeiler über die Liebe
Deine dolchspitzigen Worte dringen
durch meinen Kopf, durch die Tür, durch den Flur bis unters Dach,
wo ein alter Mann seine tote Frau küsst.
Siehst du – das ist Liebe.
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Ein Franzose dient der Liebe
Die Franzosen gelten – warum auch immer – als besonders liebesverdächtig. Der alte Franzose in diesem Gedicht scheint aber eher mit der Liebe feilschen zu wollen.
Clément Marot · 1497-1544
Von mir
Ich werde nie mehr sein, der ich gewesen,
Der ich vor Zeiten war, ich nicht mehr bin.
Mein Frühling, Sommer werden nie genesen,
Sie gingen wie im Fenstersturze hin.
Oh Liebe, du warst meine Herrscherin,
Vor allen Göttern dient’ ich dir auf Erden.
Wär’ mir vergönnt des Lebens neu Beginn,
So wollt’ ich dein noch bess’rer Diener werden!
Übertragen aus dem Französischen von Hans-Peter Kraus
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Ein Übersetzungs-Wunder
Eigentlich ist es ein Wunder, wenn man ein Gedicht aus dem 16. Jahrhundert aus einer fremden Sprache ins Deutsche übersetzen kann. Man denke nur daran, wie deutsche Gedichte aus dieser Zeit klingen. Die muss man zum Teil auch schon „übersetzen“, damit sie für unsere modernen Ohren verträglich werden.
Und dann gibt es noch das Reim-Problem. Eine „wörtliche“ Übersetzung ist meist nicht mal bei Sprachen möglich, die einen hohen Verwandtschaftsgrad haben, etwa Deutsch und Niederländisch, doch Französisch: impossible. Zudem hatte Monsieur Marot den Ehrgeiz, ein ganz bestimmtes Reimschema zu verwirklichen: den Huitain mit dem Muster ababbcbc. Der b-Reim muss viermal erscheinen. Man braucht folglich eine Endung, die genug Reimwörter liefert, die auch zum Inhalt des Gedichts passen. Das Schwenken einer weißen Fahne erscheint da ein reizvoller Gedanke.
Um überhaupt eine Chance zu haben, unter diesen Bedingungen dem Gedicht inhaltlich gerecht zu werden, habe ich mir zwei zusätzliche Silben pro Vers eingeräumt. Im Original sind es acht und neun Silben, in der Übersetzung zehn und elf, was eine Hebung mehr bedeutet. Damit bin ich beim klassischen fünfhebigen Vers, der in älteren deutschsprachigen Gedichten häufiger verwendet wurde. Meine Lösung für den b-Reim war die Reimendung -in, die ausreichende passende Reime auf das inhaltlich wichtige „Herrscherin“ bot.
Am Schluss widerstand ich der Versuchung, das Gedicht zu „verbessern“, denn die Vertauschung der beiden letzten Verse schien mir eine gelungenere Lösung:
Und dir zu dienen wär’ mein einzig Sinn,
Sollt’ ich ein zweites Mal geboren werden!
Für mich war die Idee der Wiedergeburt die eigentliche Pointe und gehörte somit ganz an den Schluss. Doch ich mag es überhaupt nicht, wenn der Übersetzer meint, der bessere Dichter zu sein. Also blieb es bei dem für mein Gefühl etwas flaueren Ende.

Ein Bild von einer Liebe
Liebe macht blind, sagt man. Tatsächlich ist eher so, dass Liebe sehend macht, nur sieht man Dinge, die gar nicht da sind. Und das hat Konsequenzen: Unsterblichkeit zum Beispiel.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Unsterbliche Liebe
Ich habe dein Bild gesäubert,
nun bist du wieder strahlend weiß.
Neider sagen natürlich anderes.
Sie sagen: totenblass.
Sie sagen: ein Portrait aus der Leichenhalle.
Was wissen die schon?
Die mit ihren Brombeerfrauen.
So etwas wie dich haben sie eben
noch nie gesehen.
Makellos.
Perfekt.
Unsterblich.
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Ein Gedicht über Licht und Liebe
Mit interplanetarischen Maßstäben wird die Liebe in diesem Gedicht gemessen, denn was im Großen gilt, gilt dem Dichter auch im Kleinen.
Francis William Bourdillon · 1852-1921
Licht
Die Nacht mit tausend Augen sieht,
dem Tag ist nur eins geboren;
Das Licht der schönen Welt versiegt,
sobald der Sonne Kraft verloren.
Der Geist mit tausend Augen sieht,
das Herz hat nur eins erkoren;
Des ganzen Lebens Licht versiegt,
sobald die Liebe geht verloren.
Übertragen aus dem Englischen von Hans-Peter Kraus
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Kommentar von Hans-Peter Kraus zur Übertragung:
Das englische Original hat Bartleby. Ich habe versucht, das Formelhafte des Originals wiederzugeben, also die inhaltlichen Wiederholungen der einzelnen Verse in Variationen. Dafür musste ich dann Änderungen im Metrum und Reimschema in Kauf nehmen.

Eine Frage der Liebe
Liebe geht seltsame Wege. Warum wer wen liebt, ist für den Außenstehenden oft nicht nachvollziehbar. In diesem Gedicht mischt sich gar ein Geist ein, um die Liebe infrage zu stellen.
Stephen Crane · 1871-1900
Siehe, das Grab eines bösen Mannes ...
Siehe, das Grab eines bösen Mannes,
Und in der Nähe ein gestrenger Geist.
Da kam gebeugten Hauptes eine Maid mit Veilchen,
Doch der Geist packte ihren Arm.
„Keine Blumen für diesen“, sagte er.
Die Maid weinte:
„Ach, ich habe ihn geliebt.“
Doch der Geist, grimmig und strinrunzelnd:
„Keine Blumen für diesen.“
Nun, so sieht’s aus –
Wenn der Geist gerecht war,
Warum weinte die Maid?
Übertragen aus dem Englischen von Hans-Peter Kraus
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Liebe mit Zahlen
Zahlen sind wichtig in der Liebe, denn es braucht mindestens zwei, um eins zu sein.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Liebe, die
zwei mal zwei
Augen
tausend
Gedanken
ein
Sinn
und
unzählige Sprudelbläschen im Blut
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Gedicht mit Herz
Das Herz spielt für die Liebe eine wichtige Rolle. Das weiß man. Was man noch nicht wusste, verrät dieses bestrickende Kurzgedicht über die Liebe.
Martina-Riccarda Niklis · geb. 1966
Verstrickt
Du trugst so einen Pulli.
Sehr rot war das.
Das Herz.
Heute weiß ich.
Stricken kann man alles.
Aber Liebe.
Liebe nicht.
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Lesetipp:
Mehr von und über die Dichterin: www.oswords.de.

Ein Vierzeiler über die Liebe
Der Klassiker: Die unsterblichen Verse von Matthias Claudius über die Liebe.


Ein Gedicht über die Macht der Liebe
Sogar Zaubermacht spricht Grillparzer der Liebe zu und enthüllt, wie man aus Gewitterwolken Gold macht.

Kommentar:
Dies ist eigentlich kein eigenständiges Gedicht, sondern einige Zeilen aus dem Grillparzer-Drama Sappho. Grillparzer nutzt hier den Blankvers, der lange Zeit bei Dramen populär war.

Noch ein Gedicht über die Macht der Liebe
Die Macht der Liebe demonstriert Friedrich Rückert in diesem Kurzgedicht mit einem ungleichen Kampf.


Das Oxymoron der Liebe
Wer bisher nicht wusste, was ein Oxymoron ist, weiß es nach diesem Gedicht ganz bestimmt, denn in jedem Vers, bis auf den letzten, findet man zwei liebevolle davon.


Gedicht über den Sinn der Liebe
Liebe hat Sinn? Wo man doch oft genug durch sie um den Verstand gebracht wird? Die Dichterin in diesem kurzen Gedicht über die Liebe hat ihren Sinn gefunden. Wahrscheinlich wurde sie um den Verstand gebracht.
Toni Schwabe · 1877-1951
Hymne
Nach allem Grenzenlosen,
nach Wasser – Luft – den unendlichen Himmeln
nenn ich dich, Geliebte.
Mit dir zusammen stürzte ich
durch die Jahrtausende,
mit dir umschlang ich
zerbrechende Welten,
in dir begriff ich
aller Maße Übermaß –
und erfasste jäh
den Sinn der Liebe:
Ewigkeit.
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Liebe, Liebe über alles
Ein Dichter namens Lenz sieht in seinem Gedicht über die Liebe den Himmel auf Erden.


Die Wahrheit über die Liebe
Es brauchte einen rechten Mann, um die Sache mit der Liebe auf den Punkt zu bringen. Friedrich Halm hat sich geopfert, mit seinem Gedicht den Zorn aller romantischen Menschen auf sich zu ziehen.


Noch eine Wahrheit über die Liebe
Eine schlechte Nachricht bringt dieses Gedicht über die Liebe für alle, die gern Liebesbeweise und Opferbereitschaft fordern.


Berliner Liebe
Damit Berliner kein Hochdeutsch lernen müssen, gibt’s hier eine Erklärung der Liebe in Berliner Zunge.


Kurzgedicht über Liebe und Leid
Liebe und Leid sind enge Verwandte, tatsächlich sehen sie sich äußerlich ziemlich ähnlich – behauptet dieses Kurzgedicht.
Reinmar von Hagenau · um 1200
Ich weiß den Weg nun längst gar wohl ...
Ich weiß den Weg nun längst gar wohl,
der von der Liebe niederführt zum Leid.
Der andere, der mich führen soll
aus Leid zur Liebe, liegt in Dunkelheit.
Gedanken flüstern mir ihr maßlos Weh.
Doch überhör ich sie und tu, als ob ich nichts versteh.
Gibt Liebe nichts als bittere Qual,
muss Liebe wohl unselig sein.
So sah ich sie noch immer: bleich und fahl.
Übertragen aus dem Mhd. von Heinz Graumann
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