Unterm Lyrikmond

Gedichte lesen, schreiben und interpretieren

Romantische Liebesgedichte

Die romantische Seite der Liebe soll hier mit Gedichten beleuchtet werden. Wobei ich in erster Linie Liebesgedichte als romantisch einsortiert habe, die sich durch eine die Gefühle überhöhende Bildersprache auszeichnen. Die Romantik als Literaturepoche ist wiederum ein anderes Thema.

 
 

Liebesschwur

Einen ziemlich überwältigenden Liebesschwur liefert dieses Gedicht ab, ganz die romantische Methode: „ganz oder gar nicht“.

Hans Retep · geb. 1956

Du mein Leben

Ohne dich will ich nicht leben,
ohne dich kann ich nicht sein.
ohne dich wär all mein Streben
Nur ein blasser, schnöder Schein.

Als wir uns noch nicht getroffen,
schien ich mir noch selbst genug.
Nun da meine Sinne offen,
ist enthüllt der Selbstbetrug.

Ja, ich bin nicht ohne Mängel,
manchmal steck ich tief im Loch.
Bin ich auch kein Liebesengel,
fühl ich mich berufen doch:

Dir will ich nur Freude machen,
dich beflügeln wie Musik.
Wenn ich hör dein frohes Lachen,
dann ist das mein schönster Sieg.

Nur mit dir will ich noch leben,
nur mit dir kann ich noch sein.
Was ich hab, das will ich geben,
denn ich bin für immer dein.

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Modern-altmodisches Liebesgedicht

Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll bei diesem Liebesgedicht, was zweifellos ein sehr moderner Zug ist. Und doch: Es geht romantisch zu Herzen – ganz altmodisch.

Edna St. Vincent Millay · 1892-1950

Moderne Erklärung

Ich, die seit ich Kind war, ein paar Dinge geliebt habe, nie schwankte
In diesen Gefühlen; nie aufgrund von Schüchternheit in den Häusern der Reichen oder im Beisein von Geistlichen diese Lieben geleugnet habe;
Nie, wenn von zynischen Chiropraktikern bearbeitet, habe geächzt oder einen Wirbel einschnappen lassen zur Schmach dieser Lieben;
Nie, wenn bestrebt eine Stelle zu ergattern, habe sie herabgewürdigt durch ein hinterhältiges Lächeln; oder wenn benebelt vom Trinken
Sie verspottet durch Kummer oder träge gestreichelt die Finger ihrer wachsamen Feinde;
erkläre:

Dass ich dich immer lieben werde,
Ganz gleich, welche Partei an der Macht ist,
Ganz gleich, welche zeitweilig zweckdienliche Kombination von verbündeten Interessen den Krieg gewinnt;
Dich immer lieben werde.

Übertragen aus dem Englischen von Hans-Peter Kraus

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Ein wildes Liebesgedicht

Etwas verquer ausgedrückt, aber unübersehbar in seinem Verlangen nach der Romantik einer wilden Liebe ist das folgende Gedicht.

Emily Dickinson · 1830-1886

Wilde Nächte ...

Wilde Nächte – Wilde Nächte!
Wäre ich dein
Wilde Nächte sollten
Unser Luxus sein!

Sinnlos – die Winde –
Für ein Herz im Hafen –
Nicht mehr nötig der Kompass –
Nicht mehr nötig die Karten!

Rudern in Eden –
Ah – das Meer!
Könnt ich nur ankern – heut Nacht –
in dir!

(Übertragen aus dem Englischen von Hans-Peter Kraus)

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Ganz oder gar nicht

Eine Alles-oder-Nichts-Romantik spricht aus diesem Gedicht, doch immerhin ist es ein Alles-oder-Nichts-Geben.

Georgi Kratochwil · geb. 1979

Ich will ...

Ich will
die Sonne sein, die dich wärmt,
Mond und Sterne, die dir leuchten,
der Boden, auf dem du stehst,
das Dach, das dich schützt,
der Gedanke, der dich belebt,
das Wort, das dir etwas bedeutet.
All das will ich sein
oder gar nicht.

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Flussromantik

Bei einem Gang am Fluss fliegen einem die Ideen anscheinend nur so zu und wenn man dann noch in Liebe vereint, ist eh kein Halten mehr.

Emanuel Mireau · geb. 1974

Wir gehen den Fluss entlang ...

Wir gehen den Fluss entlang,
reden über dies und das,
über eines reden wir nicht:
Dass wir größer sind als der Himmel,
dass wir durchs Universum leuchten,
dass die Liebe uns blind gemacht,
doch hören wir des Lebens feinste Saiten.
Wir sind die kleinste Einheit dieser Welt,
da ist nichts, das uns kann spalten.
Warum auch reden über das,
was selbstverständlich wie des Todes Walten.

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Sternenliebe

Romantische Liebe, aber so richtig romantische Liebe braucht kein Universum, das ist nur eine Zugabe, nicht weiter wichtig. Das einzige, was erzählt: ein Du.

Georgi Kratochwil · geb. 1979

Nur du bist

Das Universum
hat ewig gebraucht,
um Milliarden Sonnen,
Milliarden Planeten,
Milliarden Monde
zu erschaffen.
Doch dann kamst du,
und es stellte sich heraus,
eine Sonne,
ein Planet,
ein Mond
hätten völlig gereicht.
All die Sterne sind nur ein Glitzern
an deiner Halskette,
das du nicht brauchst,
denn dein Glanz
entfaltet sich voll und ganz,
wenn du
nur du bist.

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Jahreszeitliches Liebesgedicht

Alle Jahreszeiten nutzt dieses Liebesgedicht, um alle romantischen Register zu ziehen.

Emanuel Mireau · geb. 1974

Du bist

Du bist
der warme Sonnenstrahl
an einem kalten Frühlingsmorgen;
der sanfte Abendwind
nach einem langen, heißen Tag;
der Blätter Farbenspiel,
bevor die wilden Winde toben;
das stille Zauberland,
das leis der Schnee geschaffen hat.
Du bist
mein Traum bei Tag und in der Nacht,
und all mein Tun und Handeln
erbebt von deiner Liebe Macht.

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Kommentar Emanuel Mireau:
Gedichte schreiben ist immer wieder anders. Dieses Gedicht ist entstanden aus einem ins Unreine geschriebenen Text, der wesentlich länger war und einige Zeit unbeachtet vor sich hinschlummerte. Gerade Liebesgedichte müssen so wirken, als ob sie aus der Hüfte bzw. aus dem Herzen geschossen worden sind, doch hier glich die Arbeit eher der Bildhauerei, wo aus einem grob behauenen Stein langsam die Formen herausgemeißelt wurden. Das war allerdings nicht so schwierig wie der Schluss, der im Original vollständig anders aussah. Hier bereiteten vor allem die beiden letzten Zeilen Probleme. Ich habe sicher ein Dutzend Versionen geschrieben und verworfen, bevor ich zufrieden war. Obwohl vielleicht ginge auch ... nein, lieber nicht. Einmal muss man Hammer und Meißel beiseite legen.

 
 

Zeit für Romantik

Wer sich frisch verliebt, wird besser nicht nach der Uhrzeit gefragt, weil die einzige Antwort, die man bekäme, wäre: jetzt und für immer – romantisch, aber nicht sehr aufschlussreich.

Emanuel Mireau · geb. 1974

Wir haben alle Uhren angehalten ...

Wir haben alle Uhren angehalten,
ein Augenblick ist unsre Ewigkeit,
Naturgesetze können nicht mehr walten,
ein Blick, ein Blitz – ein Bann hat uns befreit.

Und wird die Zeit auch wieder stetig fließen,
nur noch gemeinsam soll die Welt uns sehn.
Selbst wenn im Weg nur Dornensträucher wuchern,
nichts wird uns hindern, nichts uns widerstehn.

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Ein romantischer Romantiker

Hier kommt dann doch ein Dichter aus der Romantik-Epoche, der gar nicht mehr weiß, wohin mit seinen überschäumenden Gefühlen, also wirklich ein romantischer Romantiker.

Eichendorff: Frühlingsnacht

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In eins

Zwischen träumen und wachen schwankt dieses romantische Gedicht hin und her. Am Ende fließt alles zusammen.

Hebbel: Ich und du

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Ein romantisches Liebesgedicht von Heine

Heinrich Heine hat mal wieder Herzprobleme und romantisiert ein „Ich liebe dich“ über alle Maßen.

Heine: Dass du mich liebst, das wusst ich ...

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Ein romantischer Expressionist

Etwas zurückhaltender und doch sehr romantisch legt Max Herrmann-Neiße Liebesgefühle offen. Das Besondere an diesem Gedicht ist, dass der Dichter zu den Expressionisten zählt, die ja gerne etwas schmutziger dichteten. Aber – wie das Gedicht zeigt – sie konnten auch anders.

Herrmann-Neiße: Dein Haar hat Lieder, die ich liebe

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Romantisches Lied

In diesem Gedicht hört das romantische Herz ein Lied so berauschend, dass es nicht mehr als Stammeln und Sich-Selbst-Vergessen hervorbringt.

Hans Ehrenbaum-Degele · 1889-1915

Du bist mein Lied ...

Du bist mein Lied. Ich wehe
Flüsterwind im Wald.
Wohin ich immer gehe,
Ich fühle deine Nähe
Und bin ein Stammeln, durch die Welt gelallt.

Ich kann es nicht aussagen,
wie du bist.
Mein rosenrotes Zagen
Wird selig hingetragen
Zu einem Meer, in dessen Schoß,
Gebenedeit und grenzenlos,
Mein Leben sich vergisst.

 
 

Nächtliche Romantik

Mit den Haaren der Geliebten beginnt Rilke sein Liebesgedicht und endet bei der Unendlichkeit. Das muss romantisch sei, und wenn es das nicht ist, ist es immer noch Rilke.

Rilke: Die Nacht holt heimlich  ...

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Ein romantisches Frauengedicht

Von einer weitgehend vergessenen Dichterin stammt dieser Liebestraum zwischen Romantik und Vergehen.

Helene Brauer · 1889-1925

Sieh, das erträume ich ...

Sieh, das erträume ich für dich und mich:
Ein Rosenstrauch an grünen Gartensteigen,
Und unter eines Apfelbaumes Zweigen
Ein Dämmern abendkühl und feierlich.

Da werden wir mit stillen Augen sehn,
Wie sich die sonnversengten Rosen heben,
Der Stunde Tau demütig zu erleben,
Und wie die Blätter immer leiser wehn.

Ein letzter Möwenschrei schwirrt her vom Strand,
Dass nur noch tiefer dann das Schweigen werde.
Und deines Lebens lastende Beschwerde
Nehm’ ich dir leise aus der heißen Hand.

 
 

Wenn Liebe blind macht

Ob das so gesund ist, sich in Liebe an einen anderen Menschen bis zur Blindheit zu verlieren, sei dahingestellt, romantisch im Sinne von potenziertem Leben ist es allemal.

Weissmann: Ich sah dich an ...

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Romantische Einladung

Eine romantische Einladung ist dieses Gedicht von Friedrich Rückert, der im Gegenüber die vollkommene Erfüllung sucht.

Rückert: Kehr’ ein bei mir!

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Ein romantisches Liebesgedicht von Rilke

Wie macht er das bloß? Wie macht Rilke das bloß, dass seine Gedichte so eigenartig klingen? Egal, wir sind nicht in der Deutschstunde, sondern in romantischen Gefilden.

Rilke: Das war der Tag ...

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Überirdische Liebe

Geradezu mystisch ist das Liebeserlebnis in diesem romantischen Gedicht. Das Leben wird, einer Forderung von Novalis folgend, potenziert.

Hans Bethge · 1876-1946

Seligkeit

Waren’s die Rosen?   War’s
Der blaue Tag?   Dein schimmernd Gewand?

Gelöst vom Erdrund, trieben wir wie Vögel
Durch Blumenduft und Juni, nah dem Mond
Und nah den Träumen, welche Gott umfluten.
Von deinen weißen Schultern troff die Wonne
Des Daseins, ganz verwirrend, und wie Wein
Atmeten wir den Glanz der Himmelsfrühe,
Und goldner Taumel wehte durch uns hin.

Wie ferne war das Wandern und die Schwere,
Und deine Augen funkelten, ich wusste
Nicht, waren’s Sterne, waren es Gedanken
Der äthersüßen Ewigkeit, und meine
Wie Blumen überglänzten Hände mischten
Liebkosend sich in dein gelöstes Haar,
Das meergrasfalbe, und es war ein Tönen
Der Himmelsharfe um uns, in uns, über
Dem fernen Schluchzen der versunknen Erde, –
Und holder Aufgang tiefster Seligkeiten
Durchrann die Haut und die verzückte Seele,
Und alle Tore, alle, standen strahlend
Geöffnet unsrer blütenheitern Lust ...

Waren’s die Rosen?   War’s
Der blaue Tag?   Dein schimmernd Gewand?

 
 

Romantischer Abend

Eine romantisch-besinnlich Stimmung erzeugt dieses Gedicht. Von der inhaltlichen Struktur her hat es eine gewisse Nähe zum Abendlied.

Karl Röttger · 1877-1942

Atme auf. ...

Atme auf. Wir wollen leise gehn,
Durch die Stille dieses Abends gehn,
Durch das Licht.
Was am bunten Tage dich verwirrt
Von der Fülle aller Welt,
Ist geordnet, hingestellt,
Wenn am Abend deine Seele einfach wird.

Ist nicht alles sonderbar und klar?
Ist nicht alles märchenhaft und wahr?
Sieh, du staunst.
Da stehn Dinge traumumhüllt im Licht.
Das ist alles und mehr weiß ich nicht.

Mehr zu wissen ist ja auch nicht not. –
Diese Nacht durch bis zum Morgenrot
Deckt der Schlaf und Traum uns beide zu,
Löst sich aller Welt Sein auf in unsre Ruh.

 
 

Liebe auf Entfernung

Nur zart-romantisch angedeutet wird hier die Liebe auf Entfernung. Was jedoch als physikalische Entfernung beginnt, löst sich im Laufe des Gedicht in psychischen Grenzüberwindungen auf.

Börries Freiherr von Münchhausen · 1874-1945

Zwischen dir und mir ...

Zwischen dir und mir,
Blaue Seen und grüne Lande,
Zarte, niegesehne Bande
Zwischen dir und mir.
Länder, die wir nicht mehr kennen,
Grenzen, die auf ewig trennen,
Zwischen dir und mir,
Spuren, wie von tausend Füßen,
Wie von Tränen und von Grüßen
Spuren zwischen dir und mir.

 
 

Zeitlose Romantik im Gedicht

Max Dauthendey demonstriert die Romantik einer Liebe durch Zeitlosigkeit, was ja sowohl als auch stimmt: Das Thema ist zeitlos, und mitten drin ist man die Zeit los.

Dauthendey: Die Uhr zeigt heute keine Zeit

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Unwetter-Romantik

Was ein wahrer Romantiker ist, den kann ein Unwetter nicht erschüttern, denn am Ziel erwartet ihn das Licht.

Mateo Maria Boiardo · 1434-1494

Wie fährt das Ungewitter mir entgegen ...

Wie fährt das Ungewitter mir entgegen,
Wie stürmt es grimmig an von allen Seiten!
Nur langsam kann ich meines Weges schreiten,
Vom Hagelsturm bedrängt, von Schnee und Regen.

Doch all der Aufruhr kann mich wenig rühren,
Und wenig kümmert mich des Wetters Plage;
Die Flamme, die ich tief im Herzen trage,
Lässt mich die äußre Kälte nicht verspüren.

Mich leitet Liebe durch des Sturmes Wüten,
Getreu bedacht, dass sie in Nacht und Eise
Auf rechtem Pfade meine Schritte lenke.

Da ist mir ein Gewühl von weißen Blüten
Der dichte Schnee, weil ich der Sonne denke,
Die mir wird leuchten nach vollbrachter Reise.

Übertragen aus dem Italienischen von Arthur Altschul

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