April-Gedichte
Wenn man sich das Wetter in den letzten Jahren anschaut, dann scheint langsam jeder Monat aprilverdächtig, aber noch hält der April seinen Ruf als die große launische Diva, wie einige der folgenden Gedichte bestätigen. Doch auch die Frühlingsgefühle kommen in den April-Gedichten nicht zu kurz.
Spannendes Gedicht
Ein wahrhaft spannendes Gedicht der verrätselten Art ist das folgende. Ohne Studium kommt man wahrscheinlich nicht auf die Lösung.
Hans Retep · geb. 1956
Wer ist das?
Regen viel zu vill’,
Sonne, wie sie will,
Frühling laut und still,
das ist der April.
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Frohes Aprilgedicht
Die vielleicht beste Art, den April zu nehmen, wird gleich am ersten April demonstriert: Man nehme ihn nicht ernst.
Albert Sergel · 1876-1946
Erster April
Unterm Windstoß rauscht der Regen
schärfer in die grünen Blätter;
auf den aufgeweichten Wegen,
Kragen hoch, ins tollste Wetter
spring ich mit verwegenem Mute.
Und der Segen will nicht enden,
und mit Munde und mit Händen
hasch’ ich nach den Himmelsspenden.
Sorglos pfeif’ ich, frechvermessen,
eine Schelmenweis; indessen
lacht die helle Sonne wieder
warmen Gruß, die Liebe, Gute,
von dem blauen Himmel nieder,
trocknet schnell die nassen Kleider,
Hut und Mantel und so weiter,
lässt an Gras und Blätterspitzen
tausend Diamanten blitzen,
und ich fühle mich so reich:
Bin ich nicht dem König gleich?
Das sind meine Kronjuwelen,
und die kann kein Diebesvolk stehlen.
Alle schenk ich meinem Schatze,
der soll sie am Busenlatze,
soll am Hals, im Haar sie tragen,
wenn ich in den nächsten Tagen
sie als holde Königin
führe durch mein Reich dahin.
Ach! was wird sie lustig lachen,
tausend tolle Sachen machen!
Wird die schönsten Brillanten,
die im Sonnenlichte glühen,
Kronrubine und Demanten,
mit den kecken Fingerspitzen
– dieses Glitzern! dieses Sprühen! –
juchzend in die Lüfte spritzen;
wird an allen Zweigen rütteln,
die Smaragde und Topase
kichernd von den Bäumen schütteln
und ein süßes Mäulchen ziehen,
pitscht ihr einer auf die Nase.
Und an einem abgelegnen
mir und einzig meinem Schätzchen,
meinem wilden Schmeichelkätzchen,
wohlvertrauten stillen Plätzchen
wird es Küsse, Küsse regnen,
und ich halte duldsam still ...
Aus dem Wald wie süße Geigen
wird ein seltsam Flüstern steigen,
und man weiß nicht, was es will ...
Ssst ...! Da plirrt es in den Zweigen,
Regentropfen fallen dichter;
durch des Waldes Dämmerschweigen
plustert elfisches Gelächter,
dass sich alle Büsche neigen,
und es lacht: „Verliebter Dichter!“
Ferner noch: „April! April!“
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Ein Dichter weiß, was er will
Manche Dichter füllen selbst bei einem Aprilgedicht brav die kreuzgereimten Vierzeilerstrophen. Das ist legitim, man kann auch durch den Inhalt den wetterwendischen April zeigen. Albert Sergel macht es bei Erster April genau andersherum: Der Inhalt seines Gedichts ist nett, frühlingshaft, verliebt, die Gestaltung … hui, wer soll da noch durchblicken?
Es fängt ganz harmlos an. Vierhebiger Trochäus, immer unbetonte Endsilben (weibliche Kadenz) und ein Kreuzreim, geht doch. Doch dann die bange Frage: Wann reimt „Mute“? Es reimt erst in der nächsten Strophe: „Gute“. Das nennt man Korn, etwas gewöhnungsbedürftig, doch gewöhnen kann man sich in diesem Gedicht an gar nichts.
Die zweite Strophe hat elf Zeilen, statt acht wie die erste, Paarreime, unterbrochen vom Korn, und der Reim „Kleider“ – „weiter“ ist nur eine Assonanz, weil t und d ungleiche Laute sind. Und am Schluss: Plötzlich, ganz plötzlich eine betonte Endsilbe (männliche Kadenz).
Die dritte Strophe mit der Erwähnung vom „Schatze“ bietet etwas Erholung, nur Paarreime, am Ende wieder eine männliche Kadenz. Aha, ein Muster. Denkste. Strophe vier ist der reinste Buchstabenreimsalat: aabcbdcdefebf. Wer hier ein Muster erkennt, darf es behalten.
In der fünften Strophe wieder etwas Neues: Umarmende Reime! Und damit man auf gar keinen Fall irgendeine Erwartung aufbaut, ist beim ersten umarmende Reim ein Dreireim dazwischen gepackt. Auch die männliche Kadenz am Schluss ist wieder da, aber nur als Vorbereitung für ein Korn der letzten Strophe. Nachdem der Dichter einen Kreuzreim sechszeilig durchlaufen lässt, wobei der eine Reim nur die Wiederaufnahme eines Reims der Vorstrophe ist, endet das Gedicht körnig mit: „April! April!“ So gehört sich das, wenn man Inhalt und krause Form in Einklang bringen will: Alles nur Phantasie, alles nur Scherz, erster April eben.
April-Vorurteile
Der April hat mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Wie gut, dass es noch aufrechte Verteidiger dieses Monats gibt, wenn auch nur im Gedicht.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Ins Grüne
Er sei launisch, sagen sie
Er mache, was er wolle, sagen sie.
Ich sage:
Ihr Sofaheldenpuper!
Ihr Nasenspitzenrichter!
Ihr Grünflächen-hinter-den-Ohren-Verwalter!
Der April dient der Natur wie kein anderer.
Pflanzen brauchen Sonne?
Er bringt Sonne.
Pflanzen brauchen Regen?
Er bringt Regen.
Pflanzen brauchen Winde?
Er bringt Winde.
Pflanzen brauchen Stille?
Er bringt …
Na gut, manchmal übertreibt er,
greift ins Hagel- und Schneefach statt
ordentlichen Regen zu nehmen,
wechselt zu schnell, weil
er es jeder Pflanze recht machen will.
Doch wer viel macht,
macht auch viele Fehler.
Das könntet ihr euch mal ganz gepflegt
ins Grüne hinter den Ohren ritzen.
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April-Doppel
Gleich doppelt-gemoppelt kommt der April in diesem Gedicht daher. Was jedoch nichts an seiner berühmten Launenhaftigkeit ändert.
Hans Retep · geb. 1956
Der April-April
Wenn ganz stille Schnee auf Blüten rieselt,
wenn es aus wolkenlosem Himmel nieselt,
wenn die Natur herumtollt wie ein Kind,
dann ist wieder mal bewiesen:
Der April-April, der spinnt.
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Gesteigertes Aprilgedicht
„Apriliger“ ist nicht nur die Steigerung von April, sondern auch höchst gefährlich, vor allem wenn man ein Problem mit Schrauben hat.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Die Apriliger
Apriliger lauern überall:
im Gras, in Sträuchern, auf den Bäumen.
Plötzlich schüttet es aus den Ästen,
der Pfad wird Schlamm,
Schlamm wird Morast,
Morast wird Sumpf
und kein Entkommen.
Wieder hat ein Apriliger
einen Menschen erlegt.
Apriliger sind tückisch,
die Schwachen ihre liebsten Opfer.
Kleine Kinder und alte Leute
sollten deshalb im April nur in Begleitung
durch Felder und Wälder gehen.
Selbst die Straßen der Großstadt
bieten keinen Schutz.
Apriliger lassen scharfe Winde wehen,
die Schrauben und Dachpfannen lockern.
Besonders Schrauben,
hat jemand einen Schraubenzieher für mich?
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Kein Gedicht über den launischen April
Nein, dies ist kein Gedicht über den launischen April. Alles läuft wie erwartet, nur eine Kleinigkeit wurde vergessen.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Wie kann man nur!
Als ich losging, schien plötzlich die Sonne.
Nun, es war April, ich war vorbereitet
und setzte die Sonnenbrille auf.
Dann verschwand die Sonne, es begann zu regnen.
Nun, es war April, ich war vorbereitet
und spannte den Regenschirm auf.
Dann verschwand der Regen und –
ich schaute zum Himmel hinauf,
zum Boden hinunter,
zum Himmel hinauf,
zum Boden hinunter …
Wie kann man nur
im April die Skier vergessen!
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Der April im Wandel der Zeiten
Alle reden vom Klimawandel, da wollen die Monate nicht nachstehen und haben ihren eigenen Wandel organisiert.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Kalenderwandel
Japril,
Feprl,
Mäpril,
April,
Mapril,
Jupril 1,
Jupril 2,
Aupril,
Sepril,
Okpril,
Nopril,
Depril
streiten,
wer der Apriligste ist.
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Gedicht über den Hin-und-her-April
Auch Detlev von Liliencron besingt den launischen April im Gedicht, findet aber ein versöhnliches Ende.

Ein Plädoyer für den Sechszeiler
Das tägliche Brot für reimende Dichterinnen und Dichter sind vierzeilige Strophen. Die gehen schnell von der Hand als Paar- oder Kreuzreim und wer ehrgeizig ist, probiert es mit dem umarmenden Reim. Aber das war es auch schon an Variationen, wenn man nicht extravagante Reimschemata mit einer Waise verwendet. Der Sechszeiler kann darüber nur lachen. Er hat so viel mehr an Kombinationsmöglichkeiten bei den Reimen zu bieten, dass man sich fragt, warum er nicht häufiger genutzt wird. Sind Dichterinnen und Dichter zu bequem oder nur Gewohnheitstäter?
Detlev von Liliencron greift in seinem April-Gedicht zum häufigstem Reimschema bei Sechszeilern: dem Schweifreim. Die beiden Paarreime haben jeweils einen Schweif, der einen Reim von Zeile drei zu sechs ergibt. Das erinnert ein bisschen an den Kreuzreim, nur jeweils um eine Zeile verlängert, bedarf aber noch besserer Planung, damit die Reimstruktur erfüllt wird. Tatsächlich ist eins der bekanntesten deutschsprachigen Gedichte in Schweifreimstrophen verfasst: Das Abendlied von Matthias Claudius.
Andere Varianten: Theodor Storm verwendet in seinem Gedicht Abseits einen Kreuzreim und einen Paarreim, Reimschema: ababcc. Das hat Ähnlichkeit mit einem italienischen Strophenimport namens Stanze: acht Zeilen, Reimschema abababcc. Man kann es sich allerdings auch wesentlich einfacher machen, indem man nur Kreuzreime oder sogar heterogene Kreuzreime nutzt, wie noch mal Theodor Storm in einem August-Gedicht demonstriert. Etwas extravaganter, aber auch wesentlich anspruchsvoller ist das Reimschema abccba, wie in Christian Morgensterns Aus stillen Fenstern.
Der Möglichkeiten beim Sechszeiler sind viele, und ihre Zahl explodiert, wenn man eine einzige Zeile reimlos hält. Aber woran man immer denken sollte: Die Form muss zum Inhalt passen und nicht nur „irgendwie“ aufgefüllt werden.
Apriländerung
Heutzutage gibt sich ja jeder Monat aprilig, die Wetterextreme nehmen unbestreitbar zu. Doch ausgerechnet der April will in diesem Gedicht kein April mehr sein. Dieser komische April weiß wirklich nicht, was er will.
Jana E. Hentzschel · geb. 1973
Der April,
bekannt nur als der Wechselhafte,
der’s keine zwei, drei Tage schaffte,
ein schönes Wetter anzubieten,
war ausgesprochen unzufrieden.
Er wollte überall auf Erden
ein wundervoller Monat werden
und füllte aus zig Formulare,
dass er die Sonne mal bewahre.
Das Gremium für Wetterplanung
hat wenig Herz und keine Ahnung,
es wollte davon nicht viel wissen;
der Wunsch, er wurde schnell zerrissen.
Der vierte Monat schwer in Trauer,
andauernd gab es Regenschauer.
Ein Anruf brachte dann die Wende,
das Klima war am andren Ende:
„Ich kann dich wirklich gut verstehen
und werde gleich das Wetter drehen.“
So mancher ist nun von der Rolle,
nur der April freut sich wie Bolle.
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Lesetipp:
Mehr Gedichte von Jana Hentzschel finden Sie auf www.janahentzschel.de.
Morgenstimmung im April
Selbstverständlich wechselhaft präsentiert sich im folgenden Gedicht der April am Morgen, und dennoch: Der Frühling gewinnt.
Josef Leitgeb · 1897-1952
Aprilmorgen
Der Mond erlischt, der Wind regt sich nicht wieder.
O Erde, öffne dich mit Wald und Tal!
Der Himmel rauscht mit vollen Güssen nieder,
und, selig Schluchzende, mit einem Mal
strömt über dich ein Meer von weißem Flieder
und junge Drosseln schlagen ohne Zahl.
Unendlich öffnet sich der Himmelsbogen,
aus brauner Krume schwillt das feuchte Grün,
durchs offene Fenster kommt sein Duft gezogen
aus Wiesen, die in Freudentränen glühn
und die, von Vogelliedern überflogen,
in meine ausgespannten Arme blühn.
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Ein launischer Herr
Hier ein Gedicht über die April-Launen. Das Gedicht selbst ist auch etwas launisch geschrieben, wenn man sich das Reimschema und die unterschiedlich langen Zeilen anschaut.

Ein vorletztes launisches April-Gedicht
Und noch mal die beiden Pole des April zu Gedicht gebracht, aber am Schluss mit einem Schuss Zuneigung zum schönen, stürmischen April.

Ein letztes Gedicht zum launischen April
In diesem Gedicht wird noch mal die ganze Wetterpalette des Aprils aufgeboten, doch ist die Lektüre nicht vergeblich, denn am Schluss gibt es als Zugabe ein Stückchen Lebensphilosophie.
Olivér Meiser · geb. 1970
Aprilwetter
In unheilschwangrer Schwärze Wolken schwimmen
im blankgeputzten Himmel, gläsern-blauen,
zitronengelbe Schlüsselblumen glimmen,
und Schatten wandern, seltsam anzuschauen.
Da, plötzlich, staubt wie Schleier fein ein Regen
in warmen, leuchtend, schillernd-bunten Schauern:
wie frisch nun spiegelt es auf allen Wegen,
wie froh nun glänzet es auf allen Mauern!
Und wieder streicheln süße Sonnenstrahlen
wie sanfte Hände Wiesen, Felder, Raine,
und in der Gärten Grün sich freundlich malen
die Tulpen mit Narzissen im Vereine.
Doch schon erneut verfinstert sich’s von hinten
und Schnee fällt dicht und ungeheuer still,
bedeckt die Veilchen und die Hyazinthen,
als wär’s Dezember noch und nicht April.
So wie die zarten Blumen, die da sprießen,
stehn wir im wilden Wetter dieses Lebens,
und alle Sonnenstrahlen zu genießen
sei Ziel dies unsres menschlichen Bestrebens!
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Ein Rilke-Gedicht über den April
Rilke schreibt etwas differenzierter über den April, doch der Frühling im Gedicht überwiegt.

Ein April-Gedicht zum Frühling
Theodor Storm ignoriert in seinem April-Gedicht die Launenhaftigkeit des Monats und konzentriert sich ganz auf schöne Frühlingsgefühle.

Die Schönheit des Aprils
Emanuel Geibel streckt gar die Feder ob der Schönheiten eines feuchten Frühlingsabends im April.



