Neujahrsgedichte
Neues Spiel, neues Glück? Wer das Schicksal unzähliger guter Vorsätze kennt, weiß auch, dass die Sache mit dem neuen Jahr nicht so einfach ist. Trotzdem hat der eine oder andere Dichter einige Mut machende Überlegungen parat. Ein Teil der Gedichte zu Neujahr ist kurz genug, um sie als Neujahrsgruß versenden zu können.

Neujahrs-Haiku
Der erste Tag des Jahres wird meist nur stotternd hingelegt, wenn man nicht überhaupt liegenbleibt. Selbst in der Tierwelt lässt sich das beobachten.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Neujahrsmorgen ...
Neujahrsmorgen
eine Krähe hum-
pelt über die Straße
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Vorzeichen
Auf der Suche nach guten Vorzeichen zum neuen Jahr geht der Blick zum Himmel. Das Ergebnis ist jedoch zwiespältig: Blöde Krähen.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
blauer Neujahrshimmel ...
blauer Neujahrshimmel
auf dem Kran
krächzen die Krähen
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Zeit für ein neues Jahr
So ein neues Jahr ist nicht wirklich neu, sondern geprägt von Wiederholungen: Jahreszeiten, Monate, Wochentage – alles wiederholt sich. Die Kunst des Lebens ist, das sich Wiederholende mit etwas Neuem zu verbinden, so wie in diesem kurzen Neujahrsgedicht.
Hans Retep · geb. 1956
Zum neuen Jahr
Es wird Zeit, die Stimmung anzuheben.
Es wird Zeit, dass man zusammensteht.
Es wird Zeit, dass die Straßen sich beleben.
Es wird Zeit, dass es wieder vorwärts geht.
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Neujahrsbeschwörung
Ich weiß nicht, ob dieses Neujahrslied singbar ist, aber als Beschwörungsformel taugt der Schluss allemal.
Georgi Kratochwil · geb. 1979
Neujahrslied
Der Regen trommelt
Der Regen trommelt
Der Regen trommelt ans Fenster
Doch ich sitz hier
Doch ich sitz hier
Doch ich sitz hier im Trocknen
Das Jahr, das kann
Das Jahr, das kann
Das Jahr, das kann ruhig kommen
Was es auch bringt
Was es auch bringt
Mich kann nichts mehr schocken
Mich kann nichts mehr schocken
Mich
Kann nichts
Mehr schocken
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Ein neues Jahr entdecken
Dieses Neujahrsgedicht spinnt einen Vergleich mit einer unbekannten Stadt immer weiter aus, bis man nicht mehr weiß, was ist Stadt, was ist Jahr.
Emanuel Mireau · geb. 1974
Das neue Jahr
Das neue Jahr gleicht einer Stadt,
die keiner je gesehen hat.
Und doch hat jede ihre hellen
und ihre dunklen Viertel, Straßen,
an denen neue Häuser wachsen
und Ecken, wo die Mauern bröckeln.
Von außen groß und strahlend schön,
lass langsam uns die Stadt begehn.
Wer langsam geht, sieht mehr von allem:
Verborgne Blüten, manchmal Tiere,
ein Lächeln an der offnen Türe
und andere Menschen, die flanieren.
So bleibt der Eindruck viele Jahre
von einer selbst entdeckten Stadt,
aus der man vieles zu erzählen hat.
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Reim oder nicht Reim – das ist hier die Frage
Wenn an einem Ende eines Verses „Stadt“ steht und am Ende eines anderen Verses „hat“ steht, dann weiß man: Reim. Die Schreibweise ist unerheblich, es kommt auf den Gleichklang der Laute ab dem Vokal an, also kurzes a und ein t. Wenn man an den Versenden Wörter wie „hellen“ und „bröckeln“ und „Straßen“ und „wachsen“ findet, hat das immer noch Klang, aber ist es gereimt?
Nur halb, man sagt auch Assonanz, wenn nur die Vokale gleich sind. Am einfachsten zu sehen ist das bei „Straßen“ und „wachsen“. Die erste Silbe ist betont, enthält den Vokal a, die zweite unbetont, enthält ein e. Die Konsonanten in der Mitte sind jedoch unterschiedlich. Bei „hellen“ und „bröckeln“ ist das ebenso, nur wird wie beim Reim auch ö und e als Gleichklang empfunden.
Die Assonanz als Klangmittel statt eines Endreims wurde schon von den Romantikern genutzt. Die Redeweise eines Gedichts wirkt dadurch natürlicher, der Gleichklang weniger aufdringlich als beim Reim. Das macht sich vor allem dann bemerkbar, wenn eine Assonanz statt des auffälligen Binnenreims verwendet wird, im Gedicht Das neue Jahr in Vers drei (jede – hellen) und Vers fünf (Ecken – bröckeln).
Im zweiten Abschnitt des gleichen Gedichts werden drei Paarreime genutzt. Die dritte Zeile, die auf „allem“ endet, scheint eine Waise zu sein. Doch hat sie einen Assonanzpartner in der drittletzten Zeile: „Jahre“. Die Verwendung von Assonanzen statt Waisen zur Unterbrechung des Reim-Modus führt dazu, dass der Wohlklang erhalten bleibt, ohne dem Text Gewalt antun zu müssen entweder durch erzwungene Reime oder herausstehende Reimlücken.
Zusammengefasst: Man kann auch ohne Reime oder im Wechsel mit Reimen durch Assonanzen Klang in einem Gedicht erzeugen, der wesentlich unauffälliger daherkommt und doch das Ohr zufriedenstellt, weil sich klanglich Harmonie im Text ergibt.

Neujahrsgedicht für die Liebste
Ein Gedicht für die traute Zweisamkeit zu Neujahr – blühende Liebschaften statt blühender Landschaften sozusagen.
Hans Retep · geb. 1956
Das alte und das neue Jahr
Das alte Jahr ist abgedüst.
Nun denn: Ein jedes muss mal gehen.
Das neue Jahr, es sei begrüßt;
Solange du an meiner Seite blühst,
kann uns das Glück nicht widerstehen.
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Elterlicher Neujahrswunsch
Wenn die Kinder aus dem Haus sind, dann bleibt Eltern manchmal nur, zum neuen Jahr das Beste zu wünschen, aber was heißt hier nur?
Hans Retep · geb. 1956
Wir haben dich so gerne ...
Wir haben dich so gerne
und wünschen aus der Ferne
viel Glück im neuen Jahr.
Dein Herz, es soll dir singen,
weil Pläne gut gelingen
und Wünsche werden wahr.
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Nichts Neues zu Neujahr
Früher war alles ... früher. Diese Art von Neujahrsblues kommt mit den Jahren unausweichlich.
Georgi Kratochwil · geb. 1979
Neujahrsschmerzen
Alles Gute, alles Gute
Küss die Bäckchen, küss die Schnute,
Mir geh weg mit dem neuen Jahr,
wird nur alles schlimmer als es vorher war:
Die Winter immer grauer,
die Sommer immer mauer,
der Frühling kommt daher wie’n Herbst,
doch der beginnt wahrhaftig erst,
wenn du die Schmerzen deiner Eltern erbst.
Ach geh mir weg mit dem neuen Jahr,
es wird nur schlimmer als es vorher war.
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Neujahrswünsche mit Schuss
Schuss ist noch untertrieben, man würde eher sagen, da hat jemand den Schuss nicht gehört, mit solchen Neujahrswünschen anzukommen.
Hans Retep · geb. 1956
Euch alles Gute zum neuen Jahr ...
Euch alles Gute zum neuen Jahr.
Vergesst, was bös’ und zermürbend war.
Natürlich wird besser das neue Jahr,
sagte der Mann, der hinter dem Berg
den blühenden Atompilz nicht sah.
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Gedicht mit Neujahrstipp
Das neue Jahr ist oft Anlass vorauszudenken, ich sage nur: gute Vorsätze. Dieses Gedicht lehnt richtigerweise alle Gedanken an die Zukunft ab, weil ...
Hans Retep · geb. 1956
Neujahrswink
Wer an die Zukunft denkt,
vernichtet sie,
denn wie man denkt,
so kommt es nie.
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Ein Neujahrsraketenrotkehlchengedicht
Dem kurzen Leben einer Neujahrsrakete, und wie es danach weiterging, widmet sich dieses Neujahrsgedicht.
Dyrk Schreiber · geb. 1954
die rakete
im trudeln kopfüber
dem verschneiten neujahr zu
zeigte die rakete
einige sekunden lang
farbiges spiel und warmes licht
(zu mehr
etwa frieden
ist sie viel zu klein und instabil)
sichtbar am einschlag
zitterte ein holzstab
halb verkohlt zwar doch standhaft
der neuen alten kälte
schon am vormittag
in beklemmender ruhe
schwang sich ein rotkehlchen
von ihm schnurgerade
in eine saubere luft
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Das Alte und das Neue
Trotz aller guten Vorsätze ist der Wechsel vom Alten zum Neuen nicht so einfach wie gedacht. Wer das Reimschema dieses Neujahrsgedichts herausfindet, bekommt einige Extrawünsche im neuen Jahr erfüllt;-)
David Mensch · geb. 1986
Seinswechsel
Was ich lasse:
das Alte sein
im alten Raum
Was ich fasse:
das Neue im neuen
Und
ohne Reuen
so wie ich verblasse
erstrahle ich bunt
im alten Traum
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Ein Neujahrsgedicht von Wilhelm Busch
Einen Rückblick auf das zwielichtige alte Jahr liefert dieses Gedicht von Wilhelm Busch.


Gedicht über das junge Jahr
Das junge Jahr beim Wort genommen hat Richard von Schaukal und betrachtet seine ersten kindlichen Gehversuche.
Richard von Schaukal · 1874-1942
Das neue Jahr
Ein Kinderlied
Das alte Jahr hat über Nacht
in aller Stille sich fortgemacht.
Das neue ist noch ein kleines Kind:
es weiß noch gar nicht, wer wir sind.
Und ist doch unser Herr von heut,
hat Macht über soviel tausend Leut’.
So wollen wir denn, ohne umzuschaun,
ihm all unsre Sachen anvertraun.
Es stammt aus einem großen Haus:
es kennt sich ganz gewiss bald aus.
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Ein kreisendes Neujahrsgedicht
Das folgende Gedicht kreist über dem Neujahrsthema, schaut sich die Bäume und die Zeit an, um dann doch am Schluss ganz woanders zu landen.
Richard von Schaukal · 1874-1942
Neues Jahr
Wieder ein Ring am Baum,
der seine Wurzeln in Traum
taucht und Tiefe der Nacht.
Wieder ein Zeichen der Zeit,
die durch die Ewigkeit
tastende Menschen erdacht.
Wieder um Weh und Wahn
kreisend gemessene Bahn,
bis wir am Ziel erwacht.
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Noch ein Neujahrsgedicht von Wilhelm Busch
Dieser Busch ist aus einem netten Strauch gepellt: Ein Neujahrsgedicht, das sich gut als Gruß eignet.


Ein Fontane-Gedicht zu Neujahr
Zwischen Hoffen und Bangen schwebt Fontanes Neujahrsgedicht. Es ist in erster Linie für ältere Semester gedacht, die auch ab und an mal ihr Leben zu Ende denken.


Neujahrsbaum
Karl Henckel preist zum neuen Jahr den Baum als Vorbild. Etwas extravagant ist der Übergang von der ersten zur zweiten Strophe. Der Übergang ist nahtlos, wie ja eigentlich auch der Übergang vom alten zum neuen Jahr nahtlos ist, wenn man nicht mit Böllern und Raketen dazwischenfunken würde.


Neujahrswünsche
Die Probleme eines Neujahrswunsches schildert Ringelnatz in diesem Gedicht auf ergreifende Art und Weise.


Blick zurück nach vorn
Ein Blick zurück, ein Blick nach vorn und einen Wunsch an den Himmel, dass er den rechten Weg weist, sind die Ingredienzen dieses Neujahrsgedichtes.


Mut fürs neue Jahr
Das ist in etwa der Vater aller guten Vorsätze: Ein Mutmacher für frisches Glück im neuen Jahr.


Ein Goethe-Gedicht zu Neujahr
Es steht nirgendwo Neujahr drauf, es steht nirgendwo Neujahr drin, aber dieses Gedicht trifft beim Thema „Gute Vorsätze“ direkt ins Schwarze.

