Unterm Lyrikmond

Gedichte lesen, schreiben und interpretieren

Juli-Gedichte

Selbst wenn der Juni enttäuschend ausgefallen ist, wettermäßig betrachtet, der Juli hat keine Ausreden mehr: Es hat gefälligst Sommer zu sein. Die schönen Seiten des Julis schildern die Dichter natürlich gerne in ihren Gedichten, doch wie immer gilt: Irgendwer sieht das mal wieder ganz anders.

 
 

Ernstes Juligedicht

Wenn die Lage ernst wird im Juli, die Hitze mit der Ausbrennung jeder geistigen und körperlichen Tätigkeit droht, dann muss man als Dichter zurückdrohen:

Georgi Kratochwil · geb. 1979

Die Lage im Juli

Die Sonne brennt die Hirne hohl,         Wenn es nicht
die Eisverkäufer werden reich;           bald Regen gibt,
die Pflanzen fühlen sich nicht wohl,     Gewitter auch
die Welt dreht sich im Modus Schleich.   und Sturm,

Die Welt dreht sich im Modus Schleich,   schreibe ich,
die Pflanzen fühlen sich nicht wohl;     ich schwöre,
die Eisverkäufer werden reich,           ein Gedicht
die Sonne brennt die Hirne hohl.         wie ein Bandwurm.


Die Pflanzen brennt die Hirne hohl,      Wenn es nicht
die Sonne fühlen sich nicht wohl;        bald Regen gibt,
die Dreht wellt sich im Modus Schleich,  Gewitter
die Schleichverkäufer eisen reich.       und auch Sturm,

Die Kaufvereiser werden sich,            schreibe ich,
die Hohlen hirnt die Sonne sich;         ich schwöre,
Ja! Es hat geholfen!

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Wandermonat

Wie es in einem alten Volkslied heißt: Das Wandern ist des Julis Lust. Da sollte man sich auch nicht von kleineren Wetter-Unannehmlichkeiten schrecken lassen.

Dyrk Schreiber · geb. 1954

das bisschen Juli

denn Orkane und Hitzerekorde
Wasser was das Zeug hält
bis in die Küche rein
Erdrutsche bis zum Friedhof
zählen nicht
das haben auch die anderen
was er einzig hat
die meisten längeren
von kürzer werdenden Tagen
das ist nicht viel
reicht aber zum Wandern
ohne Orkane und Hitzerekorde
Wasser und Erdrutsche

wäre zum Wandern
was im Knopfloch noch zeitgemäß
letztes Jahr war es
juliblau eine Kornblume

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Schönwettergedicht

Wer von „schönem“ Wetter nicht genug kriegen kann, ist bei diesem Juli-Gedicht richtig, man muss nur rechtzeitig aufhören zu lesen.

Georgi Kratochwil · geb. 1979

Juli

der Himmel blau die Sonne scheint
der Himmel blau die Sonne scheint
der Himmel blau die Sonne scheint
der Himmel blau die Sonne scheint
der Himmel blau die Sonne scheint
der Himmel blau die Sonne scheint
der Himmel blau die Sonne scheint ein weißes Wölkchen
och

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Juli für alle

Der Großsommermonat Juli bietet für jeden etwas, nur eine große Gruppe kümmert das nicht.

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

Juli

Kinder hoffen auf die Ferien,
Eltern auf den Urlaub
und die Großeltern auf Regen
für den Garten.
Tiere und Pflanzen hoffen nicht,
sie leben
den Juli.

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Urlaubsmonat Juli

Urlaubsstimmung verbreitet Wilhelm Müller in seinem Juli-Gedicht, das als Sonett daherkommt.

Müller: Juli

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Ein friedliches Juli-Gedicht

Im „Keine Experimente“-Modus vierzeiliger Kreuzreime landet der Leser sanft in einem Juli voll Friede und Harmonie.

Morgenstern: Friede

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Ein himmelblaues Juli-Gedicht

Friede, Freude, Eierkuchen herrscht in diesem Gedicht zum Juli. Der Tag ist so schön, dass da einer in den Himmel fahren will.

Hans Böhm · 1876-1946

Juli

Mit weißen Wolken Sommertag
Wie himmlisch du mich überblühst!
Es neckt der Wind mit lauem Schlag
Die Sonne wandelt hoch und grüßt.

Im Lindenbaume fällt und steigt
Der Biene dunkler Glockenton.
Geziefer webend mich umgeigt
So hör ich’s tausend Jahre schon.

Und wie die Wärme jubelnd schwillt
Und flimmert über Feld und Au
Da fahr ich mit der Erde mild
Und golden in das Himmelsblau.

 
 

Romantisches Juli-Gedicht

Einen Romantiker-Anstrich hat dieses Juli-Gedicht von Theodor Storm, das den Bogen vom Wiegenlied über die schwellenden Natur zu einer Frau schlägt.

Storm: Juli

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Juli auf dem Land

Selbst die eine ungereimte Zeile in jeder Strophe kann man wirklich nicht als Kritik am Juli ansehen. In diesem Juligedicht hat der Juli alle Anforderungen zur vollsten Zufriedenheit erfüllt.

Wilhelm Weigand · 1862-1949

Im Dorfe

Wie mir dieser Juliwochen
einsam schöne Zeit verrann!
Schauend in den Schattenkühlen
durft’ ich meine Seele fühlen,
die des Glücks Gesichte sann.

Golden sah ich rings sich bräunen
weich im Wind das Ährenfeld.
Blutrot glomm an allen Wegen
wilder Mohn im Windesregen,
lerchenselig ward die Welt.

Lerchenselig meine Seele,
die auf Gottes Wegen ging
und im Dufte jeder Blüte –
eine Fülle, eine Güte! –
stillsten Gruß der Welt empfing. –

 
 

Juli-Nachtgedicht

Ein bisschen müde von der Hitze des Tages oder des Lebens ganz allgemein kommt dieses Juli-Gedicht durch die Nacht.

Dörmann: Julinacht

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Hitziges Juli-Gedicht

Hier steigert sich die Müdigkeit in Verdruss. Wahrscheinlich tät ein kräftiges Gewitter Not. Doch das wäre wieder ein ganz anderes Gedicht.

Löns: Juli

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Das Letzte im Juli

Das Schlimmste zum Schluss: Seit 2019 ist am 31.07. die Abgabe der Einkommensteuererklärung fällig. Wer kommt auf so eine Idee, den Bürger mitten im Hochsommer über finanzbürokratische Spitzfindigkeiten schwitzen zu lassen? Das scheint derselbe Typus von Bürokrat zu sein, der den Text vom Steuerbogenformular geschrieben hat:

Ringelnatz: Wie mag er aussehn?

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Link: Juni- und Juli-Gedichte beim Poetischen Stacheltier