Unterm Lyrikmond

Gedichte lesen, schreiben und interpretieren

Neue Trennungsgedichte

Wenn es einen ganz fies erwischt hat und der Trennungsschmerz ziemlich arg ist, mag es vielleicht ganz tröstlich sein, dass es anderen nicht besser erging, und doch: Sie haben es überlebt. Natürlich kann man bei einem Gedicht oft nicht sagen, inwieweit hier Kunst und Biographie vermischt sind. Ich wage jedoch die steile These, dass die besten Gedichte zur Trennung persönliches Erleben involvieren.

 
 

Modernes Trennungsbild

Ganz im 21. Jahrhundert angekommen ist dieses Gedicht über eine Trennung: Nicht mehr die schwarze Nacht, sondern ein schwarzer Bildschirm ist das zentrale Bild des Gedichts.

Georgi Kratochwil · geb. 1979

Schwarzer Bildschirm

Kein Mucks,
der Bildschirm bleibt schwarz.
Da hilft kein Forschen,
da hilft kein Rütteln,
der Bildschirm
bleibt schwarz.

Gestern
war noch alles in Ordnung,
nichts
deutete die Katastrophe an.
Nun
bin ich wie …
ausgestoßen,
abgeschnitten.

Die Tür geht zu,
dein Schlüssel liegt
verlassen auf dem Küchentisch,
ein fremdartiges Wesen
aus einer vergangenen Zeit.
Der Bildschirm

bleibt schwarz.

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Nachtmensch

In diesem Trennungsgedicht wandelt sich einer zum Nachtmensch, der auch zur toten Stunde um drei noch die Trennung verarbeitet.

Georgi Kratochwil · geb. 1979

Morgens um drei

Ich bin wie ein Mensch,
der morgens um drei
zum Fenster hinaussieht.
Und nichts ist zu sehen,
und nichts ist zu hören,
Gedanken umkreisen
vergangenes Glück.

Ich bin wie ein Mensch,
der morgens um drei
zum Fenster hinaussieht
und unwiderstehlich
das Drängen verspürt,
den Kopf durch die Scheibe zu stoßen.
Und du? Fühlst dich gut?

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Feuriges Trennungsgedicht

Keine Frage: In diesem Trennungsgedicht ist Feuer drin, obwohl es eigentlich ums Warten geht, das aber nie langweilig wird, wenn man auf feurigen Kohlen sitzt.

Georgi Kratochwil · geb. 1979

Ich bin der schwarze Teufel mit den Feueraugen ...

Ich bin der schwarze Teufel mit den Feueraugen.
Mein Kopf steht in Flammen.
Lava fließt durch mein Herz.
Mit meiner Felsenhand zertrümmere ich
den Schreibtisch. „Es ist aus“,
schreibst du.
AUS?
Was für ein hässliches Wort.
Welcher Arsch, dem eine Backe fehlt,
hat diese Buchstabenkombination erfunden?
An die Wand mit ihm,
Flammenwerfer frei!
Wer braucht „aus“?
Niemand braucht „aus“.
Die deutsche Sprache käme besser ohne
„aus“ aus.
Selbst Tralien wäre auf einmal ein attraktives Reiseziel
am Arsch der Welt.
Nun gut.
Feuer gelöscht, Lava steht, Asche kalt, schade
um den Schreibtisch.
„Es hat keinen Sinn mehr“, schreibst du noch.
Das bestreite ich.
Wäre ich ein Beamter mit drei Arschbacken,
würde ich sagen: aufs energischste.
Wenn einer wartet,
dass eine kommt,
hat das Sinn,
auch wenn sie nicht kommt,
sondern mit so einem Arschgesicht
mit vier Backen rummacht.
Ich warte.
Du glaubst gar nicht, wie gut ich im Warten bin.
In allen Wartezimmern
bin ich eine Statue der Geduld.
Ich warte, bis du zurückkommst
und dann werde ich dich lieben
auf Jahwe-Art:
Ewiglich wirst du über dem Feuer der Reue geröstet,
denn meine Liebe ist göttlich
und nicht so ein Pfützengericht wie deine.

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Trennungsschmerz in Jahreszeiten

Jahreszeitlich gestimmt ist in diesem Gedicht der Trennungsschmerz, und wie das so ist: Die Jahreszeiten sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Emanuel Mireau · geb. 1974

Tristesse

Im Frühling blüht nichts.
Der Frühling ist kein
Frühling mehr.

Im Sommer grünt nichts.
Der Sommer ist kein
Sommer mehr.

Im Herbst reift nichts.
Der Herbst, er will nur
stürmisch sein.

Der Winter ganz allein
bringt immer noch den Tod.
Der Winter ist ewig,
er kennt meine Not
seit jenem Tag,
als du gegangen bist.

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Zu viel gesagt

Das ist ja oft so, dass man im Liebesüberschwang mehr verspricht, als man am Ende halten kann. Das lyrische Ich in diesem Gedicht reagiert erstaunlich gefasst ob der Trennung. Aber vielleicht ist es gar nicht so erstaunlich, wenn man sich anschaut, wie die Liebesschwüre auf die Verse verteilt wurden.

Georgi Kratochwil · geb. 1979

Was du gesagt hast

Du hast gesagt, für immer
und ewig wollen wir
zusammenbleiben.
Du hast gesagt, vertraue
mir, wie ich dir vertraue.
Du hast gesagt, dass nichts
und niemand uns jemals
wird trennen können.
Das hast du gesagt.
Und dann hast du gesagt:
Ich habe jemanden kennengelernt,
und dass es dir leid tut.
Und ich hab’s geglaubt.

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Trennung und Zeit

Die Zeit heilt alle Wunden, so sagt man. Und so fordert das Ich dieses Trennungsgedichts die Zeit auf, ihren Job zu machen, wenn auch nicht in erwarteter Weise.

Georgi Kratochwil · geb. 1979

Fertig

So viel steht fest:
Ich werde dich
nie wiedersehen.
Du rufst nicht an.
Ich ruf nicht an.
Und du bist zu weit weg.
So viel Zufall gibt’s nicht, dass wir …

Was mach ich jetzt?
Vergessen?
Schwelgen?
Sehnsüchteln?

Ich hatte große Hoffnungen:
Du bist die eine.
Du oder keine.

Du bist es nicht,
so viel steht fest,
und der Rest
kann mich mal.
Ich will keine Vergangenheit mehr
und keine Zukunft.
Die Gegenwart ist alle:
HamWaNichMehr,
KriegnWaAuNichMehrRein.

Ich werde wohl warten müssen,
bis die Zeit,
die alte Pottsau,
ihren Job erledigt
und mich fertig macht.
Schlechte Nachricht, Madame:
Ich bin’s schon.

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Klassisches Trennungsgedicht

Nicht nur in der Form ganz klassisch mit Reimen ausgestattet ist dieses Trennungsgedicht, auch die Rolle Frau als Zurückbleibende, als Wartende ist ziemlich klassisch besetzt.

Hans Retep · geb. 1956

Die Frau am Fenster

Du – bist fortgegangen.
Ich – allein bleib hier.
Du – lässt mich still bangen:
Was wird nun aus mir?

Gab es nichts zu sagen?
War dir alles gleich?
Soll ich dich beklagen
nur an Tränen reich?

Auf ein Wiedersehen
heg ich Hoffnung nicht,
werd am Fenster stehen,
bis das Herz mir bricht.

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Ein Häufchen Asche

Auch als ein Häufchen Elend bekannt. Das bleibt in diesem Trennungsgedicht übrig von dem lyrischen Ich. Es ist nichts mehr, wie es war, und es wird anscheinend auch nichts mehr.

Edna St. Vincent Millay · 1892-1950

Die Asche des Lebens

Die Liebe ging, ließ mich zurück, und die Tage sind alle gleich;
Essen muss ich, und schlafen will ich, – und wünschte die Nacht wär’ da!
Doch ach! – wach zu liegen und folgen den Stunden, die bleich!
Wäre doch wieder Tag! – mit Dämm’rung nah!

Die Liebe ging, ließ mich zurück, und ich weiß nicht, was wohin;
Nach hier, nach dort, oder wo auch immer ist mir egal;
All die Dinge, die ich beginne, beend’ ich, eh ich fertig bin, –
Ihr Nutzen scheint, so weit ich’s seh’, gering und schal.

Die Liebe ging, ließ mich zurück, – und die Nachbarn kommen und borgen,
Und das Leben geht ewig weiter wie das Nagen einer Maus, –
Und morgen und morgen und morgen und morgen
Ist da diese kleine Straße und das kleine Haus.

Übertragen aus dem Englischen von Hans-Peter Kraus

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Tränen nach der Trennung

Allein gelassen können schon mal Tränen fließen, nicht nur der Trennung halber, sondern wie in diesem Gedicht auch für Blumen:

Willem Kloos · 1859-1938

Ich wein um Blumen ...

Ich wein um Blumen, an der Knospe gebrochen,
die vor dem Morgen ihrer Blüte vergehn,
Ich wein um Liebe, die mir ausgestochen
und um mein Herz, dass dies wird nicht verstehn.

Du kamst, ich wusste, du wirst gleich wieder gehn …
Ich hab’s gesehen, doch kein Wort gesprochen:
Ich saß nur reglos, ließ den Wahn geschehn
im ewigen Schatten meiner Sehnsucht verkrochen:

So wie ein Vogel in der stillen Nacht
auf einmal erwacht, weil es am Himmel glüht
und denkt, es ist Tag und hebt den Kopf und singt,

doch ehe seinen Augen ein Blick gelingt,
ist’s wieder dunkel, nur die Traurigkeit zieht
durch eine leise Klage, die kurz entfacht.

Übertragen aus dem Niederländischen von Hans-Peter Kraus

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Trennung und Traum

Das geht schon tief, wenn man nach vielen Jahren immer noch vom Andren träumt, wobei hier offen gelassen ist, ob es eine Trennung oder ein Todesfall war. Offen gelassen ist auch der Schluss, doch wenn es so tief geht, dann ...

Georgi Kratochwil · geb. 1979

Zwei Fluchtwege

Nach so vielen Jahren
träume ich noch immer
von dir
Mit dir konnte ich reden
über alles
über nichts
Jetzt
prallen meine Gedanken
von den Wänden
die sich um mich
zusammenschieben
Immerhin
gibt es zwei Fluchtwege

Träumen
oder

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Asche zu Asche

Eine Trennung in zwei Akten wird in diesem Gedicht präsentiert. Akt eins ist noch ziemlich körperlich, Akt zwei ist Asche.

Martina-Riccarda Niklis · geb. 1966

Ascheregen

Immer wieder noch
Erbreche ich
Meine Liebe zu dir
Würge ich
Alte Versprechungen hervor
Immer neue Schwüre
Spucke ich aus
Schleimige Liebkosungen
Aus alten Zeiten
So viele zärtliche Berührungen
Blättern ab von meiner Haut

Immer wieder noch
Unendliche Berge
Aus Bildern von dir
Brennen auf meinen
Hohen Feuern
Um die ich laufe
Mit rußigem Gesicht
Mit brennenden Augen
Mit schlagendem Herzen
Im Regen der Asche
Bis alles verglüht
Verbrannt
Und fort
Ist

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Lesetipp:
Mehr von und über die Dichterin: www.oswords.de.

 
 

Märchenhafte Trennung

Ein Gedicht über eine märchenhafte Trennung? Wenn man sich im Hans-Christian-Andersen-Universum auskennt, dann geht auch das.

Ildikò Tresnic · geb. 1976

Ein Märchen wurde wahr

Der Spiegel
deines Blickes
ist zerbrochen.

Irgendwann
im Laufe des Lebens.

Ein Splitter
hat auch mich
getroffen,
mitten ins Herz -
und ich bin
mit dir erstarrt.

Seitdem
schlägt Kälte
in meiner Brust
und das Versprechen,
das wir uns einst gaben
- E w i g k e i t -,
will nicht mehr
gelingen.

Könnte ich doch
weinen und so
den Winter um uns
zum Schmelzen bringen.

Ich will nicht länger
deine Schneekönigin sein.

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Wenn’s Nacht wird ...

Nach einer Trennung kann eine Nacht auch tagsüber stattfinden. Wenn’s dann tatsächlich Nacht wird, umso schlimmer:

Ann-Katrin Preis · geb. 1995

In der Nacht

Finsternis
erhebt sich aus
den Tiefen

Eine Seele
wendet sich zum Gehen

Tränen zerbrechen
in tausend Scherben

Stumm
schreit die Vernunft
aus dem Lärm

Schmerz
labt sich
an vernarbten Wunden

Schall und Rauch
verlieren
sich in der
Dämmerung

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Im Regen stehen

Die Verwendung von Regen in einem Trennungsgedicht liegt wegen der Nähe zu Tränen nahe. In diesem Gedicht spielt der Regen jedoch eine wesentlich vielfältigere Rolle als nur die eines Tränenersatzes.

Davina Beck · geb. 1996

Der Regen

Erstarrte Angesichter
im nebelschweren Dunst
längst vergangener Zeiten.
Ich dachte, ich sähe dich nie wieder.

Der Regen bringt uns zusammen.

Warum zieht mich nur
alles zu dir zurück,
wenn ich dich sowieso
nicht haben kann?

Der Regen spült uns auseinander.

Du wirst nie erfahren,
was ich denke,
ich werde nie erfahren,
was du fühlst.

Der Regen verwischt uns.

Augen voll Wehmut im
trüben Glanz einer Pfütze.
Regentropfen wie Tränen
auf meinem Gesicht.

Der Regen verwischt.

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Lesetipp:
Mehr von Davina Beck gibt es auf www.lyrisches-wir.de.

 
 

Nächtliches Trennungs-Exemplar

In diesem Gedicht gibt es ein nächtliches Trennungs-Exemplar zu studieren. Die Auswirkungen der Trennung zeigen, dass eine solche nicht zur Nachahmung empfohlen werden kann, obwohl natürlich auch eine Nicht-Trennung durchaus mit rabiate Nebenwirkungen verbunden sein könnte.

Lilli Haller · 1874-1935

Vorbei

Mein leises Weinen trägt die Nacht davon.
Es dringt bis an dein hellerleuchtet Fenster.
Du hebst den Kopf, du horchst, du spähst hinaus,
Dein bunter Sinn wähnt Spuk, Gespenster.
Doch mich, mich wähnst du nicht,
Wie ich vor Kälte blass
Im kargen Obdach eines Strauches stehe
Und — jeden Hochmuts bar,
Nur wirren Jammers voll
In Lieb und Leid um dich vergehe.
Nun ist es aus, das kurze Lied,
Das Lied von mir und dir.
Die Lichter löschen rings im Saal,
Der Nachtwind schließt die Tür.
Er hat gelauscht im Erlengrund
Im nächtlichen Revier.
Er weiß, dass einsam es verklang
Das Lied von mir und dir.

 
 

Die Zeit danach

Die Bestandteile eines Trennungsgedichts wie Erinnerung an und die Trauer um die verlorene Liebe sind auch hier vorhanden. Doch am Schluss entdeckt das lyrische Ich etwas Neues.

Alexander Werner · geb. 1988

Einmal Zurück

Es war einmal die große Liebe;
Sie schien so grell und farbenfroh.
Ein jeder Tag war so erfrischend
Und jede Nacht entbrannte lichterloh.

Nur schade, dass sie nicht verweilte;
Ein kleines bisschen länger hielt ich sie.
Nun mir die Tage wieder dämmern,
So melancholisch wie noch nie.

In meinem Herzen nur noch Sehnsucht,
In meinem Kopf Vergangenheit.
So ein Gefühl, das hatt’ ich niemals.
Ich sehe auf den Lauf der Zeit.

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Lesetipp:
Mehr Gedichte von Alexander Werner finden Sie bei www.wortkunst-werner.de.

 
 

Und noch ein Trennungsgedicht

Dieses Trennungsgedicht geht sehr reduziert mit dem Wortmaterial um. Es gibt eben nicht mehr viel zu sagen, wenn es passiert ist.

Ellen Westphal · geb. 1968

Sandträume

Oft schon saß ich hier
an diesem Strand
auf diesem Stein
wir waren glücklich, ganz allein

Oft schon saß ich mit dir
an diesem Strand
auf diesem Stein
wir träumten vom Zusammensein

Oft schon saß ich hier
an diesem Strand
auf diesem Stein
du gingest fort, ich blieb allein

Oft noch sitz' ich hier
an diesem Strand
auf diesem Stein
und träume, du würdest bei mir sein.

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Von der Trennung gezeichnet

Da gab es mal diesen Barocker, der seiner Liebsten ein Herz aus Diamant bescheinigte. In diesem Trennungsgedicht ist das Herz nur aus Kristall, aber schneiden tut’s trotzdem.

Samira Schogofa · geb. 1958

Das gezeichnete Ich

Die Wunden sind noch immer frisch,
als deine Schritte sacht verhallen.
Die Kratzer drüben auf dem Tisch,
sie tuscheln und verraten allen,
dass dein Kristallherz zornig schneidet
und sich dann an den Wunden weidet.
Ich flechte Sterne mir ins Haar,
schau' in den Spiegel zögerlich.
Ich schau mich an, seh' mich ganz nah:
Gezeichnet ist das wahre Ich.

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Kommentar:
Das Gedicht mit dem Diamantherz: Vergänglichkeit der Schönheit von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau.

 
 

Das Leben nach der Trennung

Was ist das für ein Leben nach der Trennung? Der Lebensfluss fließt weiter, aber ...

Walter Calé · 1881-1904

Verzagend hast du mir die Hand geführt

Verzagend hast du mir die Hand geführt
und spürtest schauernd meines Fingers Kühle
und bogst dich schauernd meinen Lippen fort
und schienest dir so leid- und schmerzensreich
und gingest tränenvoll an mir vorbei.

Ich aber habe keine Tränen mehr,
ich höre deine Seele weiter strömen
gleich einem Bach im Dunkel hinter uns,
– lang bin ich ihm begegnet, lang vorbei –
er seufzt den Traum von gestern immer noch.

Doch unten gehn wie Boote meine Tage,
darinnen stumm das kühle Leben sitzt,
ich spähe nur und winke nur und rufe,
mein Leben achtet meiner Rufe nicht.
Mein eigen Leben gleitet stumm vorbei.

Kommentar:
Hat jemand die Reime vermisst? Ich meine, dieses Gedicht zeigt, dass es auch ohne geht, ohne dass dabei viel an Klang verloren geht. Der Dichter hat sich hier der Blankverse bedient. Das sind Verse, die immer fünf Hebungen haben und ein regelmäßiges Unten-oben bei der Betonung, also ein Jambus.

 
 

Schmerzhafte Erinnerungen

In Erinnerungen schwelgen ist sicher manchmal ganz schön, im Trennungsfall jedoch mit Schmerz verbunden. Also was macht man? Zurück zu den Büchern.

Jakob Haringer · 1898-1948

Sehnsucht

Ich muss halt doch bei meinen Büchern bleiben,
Bei einem Lied, das ich mir traurig pfeif,
Auf all mein Lieben – ach, und alle Freuden
Fiel doch des Unglücks harter Frühlingsreif.
Zwar werd ich immer an dein Lächeln denken,
Wie lieb du warst, wie gut, wie schön und süß. –
Warst wie der Mai im Blühen und Verschenken.
Warst mein Gebet und liebes Paradies!
Und lieb dich immer noch, ich dummer Junge!
Und weiß: Der Himmel schenkt mir keinen Stern.
So leb ich bang in den Erinnerungen –
Und weiß, du bist wie jener Stern mir fern.
So muss ich halt bei meinen Büchern leben.
Und einsam pfeif ich mir ein süßes Lied –
Und weiß, du warst mein Himmel und mein Segen –
Und warst mein schönstes Buch, mein liebstes Lied!

 
 

Abgestorben

Im folgenden Trennungsgedicht versucht es das lyrische Ich mit der „Du bist für mich gestorben“-Strategie. Ob’s hilft?

Leo Sternberg · 1876-1937

Ich trage meinen Schmerz ...

Ich trage meinen Schmerz,
wie ich meine Liebe trug.
Du hast ihn mir gegeben
– er bleibt der Gral meiner Brust!

Ich will mir sagen, dass du gestorben bist
und mir dein bestes Teil als Erbe ließest.
Wenn ich dir begegne, wird meine Hand nach dem Herzen fassen:
Wie sieht dieses schöne Mädchen
meiner toten Liebe gleich!

 
 

Rache

Auch Rache ist ein Gefühl, das einer Trennung folgen kann. Die Ausführung in diesem Gedicht zeigt das Kindliche dieses Gefühls.

Georg Stolzenberg · 1857-1941

Der Nelkentopf

Der Nelkentopf,
noch aus deiner Zeit,
treibt wieder Blüten.

Deine Lieblingsblumen!

Ich reiße sie aus.

Zerpflücke sie!

Und freue mich, wie ich dein fernes Herz verwunde.

 
 

Das Grauen nach der Trennung

Die graue, trostlose Stimmung nach einer Trennung schildert Arno Holz hier in freien Versen.

Arno Holz · 1863-1929

Draußen ... die Düne ...

Draußen ... die Düne.

Einsam das Haus,
eintönig,
ans Fenster ... der Regen.

Hinter mir,
tiktak,
eine Uhr,
meine Stirn
gegen die Scheibe!

Nichts.

Alles vorbei!

Grau der Himmel,
grau die See
und grau ... das Herz.

 
 

Ungesagt, ungeschrieben

Es gibt viele Gründe, warum man manches nicht sagt, nicht schreibt, nach einer Trennung. Doch gerade ein Dichter sollte doch den Mumm aufbringen, zumindest etwas zu schreiben. Da muss schon eine gute Ausrede kommen, damit das nicht passiert:

Jakob Haringer · 1898-1948

Des Sommers erstes, welkes Blatt

Ich wollte dir noch einmal, einmal sagen,
Du warst mein schönster Mai, mein liebstes Glück!
Und immer noch in diesen bittern Tagen
Denk ich der lieben Märchenzeit zurück.
Was soll das Glück auch lang schon bei uns bleiben ...
Den Namen schrieb ich, der Ins Herz gebrannt!
Ich wollt dir einmal noch viel Liebes schreiben –
Da fiel ein welkes Blatt mir auf die Hand ...

 
 

Trost ohne Trost

Das ist ein ganz fescher Knabe: Findet gleich Trost bei einer anderen. Der Haken ist: Es funktioniert nicht, der Trost ist ohne Trost.

Jakob Haringer · 1898-1948

Sehnsucht

Du sagtest, du wolltest kommen,
Gekommen bist du nicht.
Was hast du mein Herz dann genommen,
Wenn du’s so scherzend zerbrichst?
Da hab ich ein andre gefunden
Und ging mit ihr ins Café.
Dann wandelten wir durch den Stadtpark,
Ihr Kleid war so sommerschön.
Wir lauschten den Vögeln. Und drüben
Spielten sie träumend ein Lied,
Ich hab es leis mitgepfiffen,
Und die Rosen haben geblüht.
Mit der andern bin ich gegangen,
Und an dich nur hab ich gedacht,
Dann ging ich allein nach Hause
Und weinte die ganze Nacht.

 
 

Gedicht vom Weben und Entweben

All die schönen Bilder, die man sich vom Anderen macht, müssen nach einer Trennung wieder zum Verschwinden gebracht werden. Das tut weh.

Hans Böhm · 1876-1946

Auf jedem Bild

Tag für Tag aus Kraft und Sehnsucht
Wob ich goldene Gewebe
Und du warst auf jedem Bild.
In den Augen strahlte Liebe
Gläubiger Mut auf Mund und Stirne
Und du warst auf jedem Bild.

Nacht für Nacht in milder Härte
Fäden zieh ich aus und Fasern
Und zerstöre Bild um Bild.
Schmerzen wild und unerträglich;
Ist’s mein Herz das ich zerreiße?
Ach du bist auf jedem Bild.

 
 

Ein schmerzliches, altes Lied

Gefunden, verloren und aus und vorbei, das ist die Zusammenfassung dieses kleinen Lieds.

Jakob Haringer · 1898-1948

Volkslied

Auf dem Rummelplatz, da hab ich sie gefunden,
Unterm Lindenbaum und süßer Nachtmusik,
Und ich spürte nimmer meine tausend Wunden,
Und wir waren beide sehr beglückt.
O wie könnte alles gut und schön sein,
Lieber Himmel! mach’s noch einmal recht,
Und ein Stern fiel und wir wünschten beide,
Dass er bald uns eine Heimat brächt.

Eines Tages hab ich sie dann verloren,
Und ich finde sie wohl nimmermehr.
Ach, ich hab das schöne Lied vergessen,
Wieder ist mein Herz so winterschwer.
Werd ich dich noch einmal wiederfinden,
Kleiner Stern auf meinem Rummelplatz?
Und die letzten Blätter fallen von den Linden,
Und mein Leben ist vorbei, verpatzt ...

 
 

Rückblick nach der Trennung

Ein Rückblick als Sonett verkleidet auf das Gute und den harten Schluss. Danach wird’s dunkel.

Emil Alphons Rheinhardt · 1889-1945

Vor dem Ende

Ich spürt’ es kommen schon in all den Tagen,
Mit Dingen hingelebt, die ich vergaß,
Spürt’ ich es kommen. Meiner Stimme Überschlagen
Fiel ins Gespräch wie ein zersprungenes Glas.

Aufstieg ein plötzlich lähmendes Verzagen.
Da nahm ich, was ich noch von ihr besaß,
Das ganze Weh, das ich mit ihr getragen,
Ängstlich an mich, liebkoste das und das;

Schaute die Bücher an, die sie gegeben.
Aus jeder Zeile stieg, was unser hieß.
Ich mocht’ den Blick nicht von den Briefen heben,

Auch vor dem letzten nicht, der alles dies
Aufhob – und Junges, das noch trunken leben
Und jung sein wollte, in das Dunkel stieß.

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