Unterm Lyrikmond

Gedichte lesen, schreiben und interpretieren

Ältere Trennungsgedichte

Wo die Liebe ist, da ist die Trennung nicht weit, auch wenn man lieber nicht dran denkt. Doch die Dichter der vergangenen Jahrhunderte hatten keine Wahl: Gerade Trennungen sind doch Stoff für besonders gefühlsbetonte Gedichte und Gefühle spielten in der Lyrik der Vergangenheit eine große Rolle.

 
 

Trennungsschmerz bei einer Frau

Zuerst die weibliche Seite des Trennungsschmerzes: Bei Karoline von Günderrode kann man annehmen, dass das wahre Leben den Hintergrund für dieses Gedicht geliefert hat, denn bei ihrem Tod von eigener Hand spielte eine gescheiterte Liebe eine Rolle.

Günderrode: Die eine Klage

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Wortlose Trennung

Ein bisschen feige ist es schon, einfach nicht mehr zu erscheinen. Leichter wird es dem Anderen dadurch nicht, wie das folgende Trennungsgedicht zeigt.

Freda Behm · unbek.

Erwartung

Ich ordne das Gerät am kleinen Teetisch.
Der Flieder in der Schale duftet schwer;
leis mahnend tickt die Uhr, die Zeiger hasten –
            er kommt nicht mehr.

Es singt verträumt der blanke Silberkessel,
das Flämmchen zuckt unruhig hin und her.
Ich schau mit toten Augen in sein Leuchten –
            er kommt nicht mehr.

Und an die Brust press’ ich die Fliederblüten
mit zitternd heißen Händen fest und schwer.
Sie fallen ab, zerdrückt, verwelkt, zertreten –
            er kommt nicht mehr.

 
 

Kurzes Trennungsgedicht

Die männliche Sicht des Trennungsschmerzes beginnt mit noch leichter Kost: kurz und schmerzhaft.

Mörike: Lebe wohl

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Kein Zurück

Unnachgiebig zeigt sich das Ich in diesem Gedicht – getrennt ist getrennt, Silben sollten eben niemals auseinandergehen.

Thassilo von Scheffer · 1873-1951

Zu spät

Und hältst du auch die Hände hin
Mit Bitten überfüllt:
Es ist zu Ende, und mein Sinn
Bleibt stumm und fern verhüllt.

Und wendet nimmermehr zurück
Zu dir den frohen Lauf,
Denn ein zu früh gestorbnes Glück
Weckt keine Reue auf.

Nun treibt der Wind getrennt uns fort;
Und von uns beiden fern
Zerflattert ein zu rasches Wort
Wie ein zerschellter Stern.

 
 

Trennungsgedicht der Romantik

Dieses Gedicht ist einer der romantischen Klassiker zum Thema Trennungsschmerz. Viele Leser werden sich in den Wünschen, nun das ganze Leben umzukrempeln, wiedererkannt haben.

Eichendorff: Das zerbrochene Ringlein

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Noch mal Trennungsschmerz in der Romantik

Gleich ans Grab denkt in diesem Trennungsgedicht aus romantischen Zeiten das lyrische Ich, hat aber mit den „Blümlein“ noch einen Joker in Reserve.

Müller: Trockne Blumen

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Kommentar:
Das Gedicht stammt aus dem Gedichtzyklus Die schöne Müllerin, den Franz Schubert eindrucksvoll vertont hat. Die Interpretation von „Trockne Blumen“ des Tenors Michael Schade lässt sich auf Youtube anhören.

 
 

Noch mehr Trennungsschmerz in der Romantik

Leiden in Schweigen ist der Tenor dieses Gedichtes. Das „Mohrenkind“ scheint mir eine romantische Übertreibung des Themas Dunkelheit zu sein.

Brentano: Wenn die Sonne weggegangen ...

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Ein letzter Wunsch nach der Trennung

Nachdem das Ich sich von allem verabschiedet hat, was die Liebe einst ausmachte, bleibt in diesem Trennungsgedicht noch ein letzter bescheidener Wunsch.

Christen: Nichts mehr

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Ein Trennungsgedicht von Rilke

Die horchende Stille nach einer Trennung versucht Rilke in diesem Gedicht einzufangen.

Rilke: Wie meine Träume nach dir schrein ...

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Der Klang der Trennung

Wie die Liebe klingt, das weiß das Ich in diesem Gedicht. An den Klang der Trennung muss es sich noch gewöhnen.

Kitir: Die Türglocke

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Abschiedsrede

Mit Worten das Unvermeidliche aufschieben, das ist wohl Dichterart. Obwohl dieser hier weiß, das Ganze war eh ein Traum, und er möchte sich nur vorm Aufwachen drücken.

Borchert: Abschied

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Bild von einer Trennung

Bilder nach einer Trennung gehen auch nicht weg, wenn man die Augen schließt. Vielleicht hilft es ja, ein Gedicht darüber zu schreiben.

Joseph Viktor von Scheffel · 1826-1886

Ein Bild

Will das denn gar nicht weichen,
Dass ich dich einst geliebt?
Sonne und Sterne bleichen,
Dein Bild bleibt ungetrübt.

Lang sank das Land in Trauer,
Der Schnee deckt Lust und Qual.
Ein träumender Beschauer
Blick ich ins kahle Tal.

Doch drängt sich immer wieder
Dein liebes Bild davor.
Es dringt in meine Lieder,
Es flüstert mir ins Ohr.

Es will mich schmeichelnd ziehen,
Es schmückt mir jeden Ort,
Es lässt mich nicht entfliehen! –
Du selbst gingst lachend fort. –

 
 

Abschied und Willkommen

Mit sehr ungleichgewichtigen Zeilen versucht hier der Dichter den Trennungsschmerz und die innere Zerrissenheit auch formal deutlich zu machen.

Lenz: Wo bist du itzt, mein unvergesslich Mädchen ...

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Trennung und Nacht

Wenn man nicht loslassen kann, ist es um die Nachtruhe geschehen. Immerhin erkennt das Ich im wachen Zustand, dass ihm durch die Trennung etwas nicht genommen werden kann, man nennt es:

Rudolf Leonhard · 1889-1953

Liebe

Ich bin im Schrecke aufgewacht,
mitten in einer halluzinierten Nacht
und habe jählings an dich gedacht.

Ich weiß nicht, ob du dich in Kissen wühlst;
wie du das heiße Herz dir kühlst,
wo du jetzt bist, und was du fühlst–.

Doch hinter der mächtigen Wand
der Nacht weiß ich, dass Liebe bestand
und unser Leben zusammenband.

Das wird nicht in den Sternen stehn;
aber das ist geschehn,
und kann nicht vergehn.

 
 

Die nicht überwundene Trennung

Reimlos beschreibt Mörike Trennung und die Leidenszeit danach. Der Unterschied zu den anderen Gedichten ist die Frage: Was geschähe, wenn die Geliebte zurückkommt?

Mörike: Ein Irrsal kam in die Mondscheingärten ...

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Schöner leiden

Auch das gibt es: Das Suhlen im eigenen Leid, die Sucht nach Schmerz und Trauer.

Schwab: Nachruf

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Rekapitulation und Kapitulation

Viel hilft es auch nicht, zu wissen, dass man Mist gebaut hat. Aber immerhin: Selbsterkenntnis gilt als erster Schritt zur Besserung.

Prutz: Reue

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Kommentar:
Die Furien und Orest: Erstere sind Rachegöttinnen. Orest, eigentlich Orestes, ist ein Muttermörder in der griechischen Mythologie, der von den Furien gehetzt wird.

 
 

Nachwirkungen einer schmerzlichen Trennung

Das älteste Gedicht über Trennungsschmerz auf dieser Seite bemüht sich, auch über den ungleichgewichtigen Strophenbau und ein ungewöhnliches Reimschema Akzente zu setzen.

Hoffmannswaldau: Wo sind die Stunden ...

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Es war einmal

Fast märchenhaft kreisen in diesem Gedicht die Gedanken um eine vergangene Liebe. Am Schluss gibt es trotz allem ordentliche Paarreime.

Hopfen: Zuweilen dünkt es mich ...

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Gedicht fürs Herz

Sich mit den Tatsachen abfinden, ist nicht einfach für ein Herz, das gerade noch im siebten Himmel schwebte, doch einen Preis für den besten Tröster gewinnt Morgenstern in diesem Gedicht auch nicht gerade.

Morgenstern: Was rufst du ...

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Gedanken nach der Trennung

In diesem Trennungsgedicht wird vorgeführt, wie man am Spieß über kleiner Flamme röstet, wenn man denkt, was man glaubt, was ein Anderer denkt.

Storm: Weiße Rosen

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Die Einsamkeit danach

Im seltenen Elf-Zeilen-Strophenformat beginnt dieses Gedicht über die Einsamkeit und Entfremdung vom Leben nach einer Trennung. Da ist der Gedanke an den Tod nicht fern und dabei zerfällt dann auch der imposante Elfzeiler.

Raimund: Ob man anders mich als einsam sieht

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Wiederholungstäter

Eine Trennung, die ist schmerzlich, doch anscheinend gibt es auch welche, wie in diesem Gedicht, die diesem Schmerz nicht abgeneigt sind.

Alfred Scholtz · n. bek. um 1900

Noch einmal

Von Liebe hast du mir gelogen,
Um meinen Frieden mich gebracht,
Um all mein Hoffen mich betrogen,
Hinausgestoßen in die Nacht. –

Zum Winter machtest du mein Leben,
Voll Schmerz und Qualen ohne Zahl! –
Und alles will ich dir vergeben:
O komm, betrüg’ mich noch einmal.

 
 

Unzertrennlich getrennt

Auch das gibt’s und gab es schon immer: Sich trennen, ohne sich trennen zu können, aber wieder zusammenzukommen, ist auch nicht möglich.

Alfred Scholtz · n. bek. um 1900

Verloren

Sie trennten sich ohne Abschiedskuss
Und liebten sich doch so innig,
Er winkte trotzigen Scheidegruß –
Sie wandte sich eigensinnig.

Nun ist sein Haus verödet, leer ...
Es fehlt ihr sonniges Lachen;
Er wandelt ruhelos umher –
Denkt ihrer in Träumen und Wachen.

Oft zuckt sein Herz in jähem Schreck,
Wenn’s klopft an seiner Türe:
Der Bäckerjunge bringt’s Gebäck,
Der Händler Stiefelschmiere.

Und draußen oft: Sie ist’s! Ihr Gang!
Ihr sylphenhaftes Wiegen! –
Sich irrend, ist er straßenlang
Oft andern nachgestiegen.

Und was nun war’s, das sie getrennt? –
Sie können’s nicht ergründen.
Er krankt dahin ... Sie seufzt und flennt ...
Und doch kein Wiederfinden.

Kommentar:
„Ihr sylphenhaftes Wiegen!“: Das aus der Mode gekommene sylphenhaft könnte man mit anmutig, mädchenhaft übersetzen.

 
 

Jahre später

Die Zeit heilt doch nicht alle Wunden, eine Trennung kann noch Jahre später Wunden wieder aufreißen, wenn man ins falsche Buch guckt.

Alfred Krüger · 1887-1953

Nach Jahren

In einem längst vergessenen Buche fand
Ich eine Inschrift von geliebter Hand,
Worte, die einst wie goldne Fackeln brannten,
Doch nun die bittren Pfeile nach mir sandten.

Und von Jahrzehnten lösten sich die Siegel,
Mein innres Bild trat wie aus einem Spiegel:
Verlorner Glaube, Hass und Zweifelsucht,
Zerrissenheit, Verrat und letzte Flucht –

Ich konnte dieser Prüfung nicht entgehn
Und zwang mich selbst, bis auf den Grund zu sehn,
Erkannte schaudernd, was sich nicht erfüllt,
Und fror und fühlte grausam mich enthüllt.

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