Gedichte übers Sterben 2
Wenn es ums Sterben ging, saß man im 19. Jahrhundert noch in der ersten Reihe. Man starb nicht im Krankenhaus, sondern zu Hause im Kreise der Familie. Die Dichter jener Zeit waren also nicht auf ihre Phantasie angewiesen, sondern konnten aus dem Miterleben dichten, wenn sie ein erhellendes Gedicht übers Sterben schreiben wollten.
Gedicht aus der Romantik
Brentano war ein Romantiker. Wenn man nichts über die Epoche der Romantik weiß, dieses Gedicht übers Sterben lehrt eine Menge darüber.

Gedicht über ein sanftes Sterben
Herwegh war kein Romantiker, obwohl er scheinbar nahtlos das Brentano-Gedicht fortsetzt. Den Unterschied in seinem Sterbegedicht merkt man am Schluss.

Fragen zum Sterben
Allerlei Fragen hat Friedrich Hebbel zum Übergang vom Leben in den Tod. Oder in ein anderes Leben?

Ziel unbekannt
Das Leben als Wanderung zu einem unbekannten Ziel wird in diesem Gedicht thematisiert. Sterben ist dann leicht, weil endlich angekommen.
Thassilo von Scheffer · 1873-1951
Das unbekannte Land
Ich gehe hin, ein Wandrer still,
Der leicht den Weg vergisst
Und in ein Land gelangen will,
Das nicht zu finden ist.
Wenn keiner auch die Straße weiß
Und man kein Ende schaut:
Es gibt ein inneres Geheiß,
Dem man sich ganz vertraut.
So tastet man durch Tag und Nacht
Den unbewussten Lauf.
Doch einmal, eh ich es gedacht,
Springt eine Pforte auf.
Ich glaube, ich werde trunken sein,
Wie man am Glück zerbricht,
Und dann ganz stumm versunken sein
In jenes Landes Licht.
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Ein Gedicht übers Leben und Sterben
Das Leben als Wanderschaft, das Sterben als Zurückbleiben. Auf diese einfache Formel bringt Wilhelm Jensens Gedicht Leben und Tod.

Gedicht über einen letzten Wunsch
Allein mit und in der Natur möchte das Ich in diesem Gedicht sterben. Und das mit aller Konsequenz: Nichts soll an den Toten erinnern.

Nachfrist
Gedicht von einem, der sterben sollte, aber nicht starb, doch die Nachfrist erscheint ihm auch überflüssig.

Ein Gedicht übers Sterben von Theodor Storm
Die beiden folgenden Gedichte über das Sterben von Theodor Storm und Fontane lesen sich fast wie eine Fortsetzungsgeschichte.

Ein Gedicht übers Sterben von Theodor Fontane
Im Prinzip ist dieses Gedicht eine Variation auf die letzte Strophe des vorigen. Man könnte anhand der beiden Texte über den Unterschied zwischen Jambus (regelmäßiger Wechsel von unbetonten und betonten Silben) und Trochäus (regelmäßiger Wechsel von betonten und unbetonten Silben) diskutieren.

Sanftes Sterben
Warum macht sich so ein junger Mensch Gedanken übers Sterben? Ist der sanfte, schmerzlose Übergang vielleicht eher ein Wunsch? Der Dichter starb nicht an der Front, wie die Jahreszahl vermuten ließe, sondern an Tuberkulose.
Karl Brand · 1895-1917
Sterben
Wir sterben, wie ein Licht wird abgedreht
In nächtlicher Sterneinsamkeit;
Wir enden, wie ein lauer Wind verweht
In herbstlich spät vergilbter Müdigkeit.
Noch einmal fliegt der Blick im Wändekreis
Und erlischt im leeren Mauerweiß.
Händen fallen gebetlos vom Bettrand ab,
Der letzte Atemzug stirbt in der Lunge Grab.
Dann Trauergang, Pompe funèbre, Glockenklang,
Vier Menschen stehen um das schwarze Grab –
Murmelnd versickert des Priesters Psalmgesang,
Und graue Erde deckt dies müde Leben. –
Wir sterben, wie man ein Licht dreht ab,
Nächtlich, unbeweint und ohne Schmerzdurchbeben.
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Gedicht über die letzten Stunden
Das Sterben des Anderen wird in diesem Gedicht eindringlich beschrieben.

Kommentar:
Interessant bei der Bauweise ist, dass Heym in diesem Gedicht übers Sterben ab der dritten Strophe das Metrum komplett wechselt. Er begann mit einem Jambus (xX), der aber auch schon etwas unregelmäßig gebaut war, ab „Morgen ...“ nutzt er einen Trochäus (Xx). Für eine Analyse des Gedichtes wäre dieser Wendepunkt von der Gegenwart zur Zukunft also genau herauszuarbeiten.
Gedicht über die letzten Stunden
Gestorben wird auch, wenn rings das Leben aufblüht. Daran erinnert dieses Gedicht übers Sterben. Das in Vers zwei genannte „Pfühl“ ist eine alte Bezeichnung für Kissen.

Gedicht über einen letzten Wunsch
Das mythologische Bild von der Überfahrt vom Leben zum Tod bestimmt dieses Gedicht übers Sterben.

Lampe löschen
Sich leise verdrücken und die Lampe löschen lassen, das ist die Wunschvorstellung in diesem Gedicht übers Sterben.

Eine Lektion übers Sterben
Eine Lektion für ein Kind ist dieses Gedicht übers Sterben. Heute wohl nicht mehr ganz zeitgemäß mangels der Verbreitung von feuergenährten Herden, aber insgesamt entfaltet das Gedicht eine angemessene Stimmung.

Noch eine Lektion übers Sterben
Vielleicht noch besser für Kinder geeignet ist Gottfried Kellers Gedicht über das Sterben einer Mücke.

Zu jung sterben
Noch gar nicht zu wissen, was sterben eigentlich bedeutet, ist das ein Segen? Vielleicht, aber nicht für die anderen.

Der letzte Moment
In Erinnerung an frühzeitig im Ersten Weltkrieg getötete Dichter, die in der expressionistischen Zeitschrift Die Aktion Gedichte veröffentlicht hatten (auch ein Franzose ist dabei!), beschreibt Ludwig Bäumer den letzten Moment des Lebens auf beeindruckende Weise.
Ludwig Bäumer · 1888-1928
Den Gefallenen der Aktion
(Hans Leybold, Charles Péguy, Ernst Stadler)
Hinter euch brach es entzwei ...
Und plötzlich fühltet ihr euch unter dem großen Schatten
Und wusstet, dass die Dinge euch verlassen hatten
Und nicht ihr sie − und ihr stauntet in das Vorbei.
Dann habt ihr gelernt, was Alleinsein ist.
Wie habt ihr euch gebäumt!
Und in euren Hirnen hat es geträumt:
Bleichblanke Bilder und viel Sehnsucht um Frist.
Oh! Und der Gedanke an Verlust! Entsetzendstes Entsetzen!
Wie er euch hochriss aus euren braunen Wunden.
Ihr habt geschrien und eure Arme aus den Gelenken gewunden,
Sie der Flucht aus euch hinterherzuhetzen.
Wie es euch lästert, das Vollbringen −
Ihr seid unter einen fremden Himmel geritten −
O dunkles Schon!
O Tod auf deinem pfeifenden Schlitten,
Lass ihrer Leiber Landschaft frühlingen.
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Vertanes Leben
Auf dem Totenbett zu merken, vom Leben getäuscht worden zu sein, erscheint ein bisschen spät und nun zu schwören, dass alles besser würde, ist ein durchsichtiges Manöver. Versuchen kann man es natürlich trotzdem:
Robert Greene · 1560-1592
Totenbettklage
Betrüg’rin Welt! Du zogst mich Stück um Stück
Dir lockend nach – dann höhnte mich dein Zorn;
Hältst hämisch mich noch jetzt mit welkem Glück
Am Leben fest, der jeden Freund verlorn –
Wie wohl sind jene dran, die nie geborn
Dein falsches Licht nicht sehn, das manchem schien,
Bis er erkannt, dass er zu Nichts gediehn.
O wär ein Jahr, nur eins, mir zugelegt,
Und wär mein Geist mir wieder heimgebracht:
Wohl wüsst ich Rat, wie man dies Leben hegt,
Und Fehl und Sünden wären gutgemacht. –
So sterb ich nun, von jedermann veracht’ –
Unwiederbringlich muss die Zeit entfliehn:
Mein Leben – ist – vertan – zu Nichts gediehn.
Übertragen aus dem Englischen von Ferdinand Freiligraths
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