Unterm Lyrikmond

Gedichte lesen, schreiben und interpretieren

Groteske Gedichte 1

Was ist grotesk? Was ist eine Groteske? Ursprünglich stammt der Begriff aus Italien. Dort fand man Ende des 15. Jahrhunderts antike Ornamente in Höhlen, die Menschliches, Tierisches und Pflanzliches kombinierten [vgl. Wolfgang Kayser (1960): Das Groteske in Malerei und Dichtung, Hamburg: Rowohlt, S. 14]. Der Begriff wanderte durch Europa und bekam eine übertragene Bedeutung. Im Französischen des 17. Jahrhunderts bedeutete „grottesque“ etwa lächerlich, extravagant oder bizarr [vgl. Kayser 1960: 19]. Nach Wieland waren Grotesken reine Phantasien, „Hirngeburten“, die „bloß Gelächter, Ekel und Erstaunen“ hervorrufen sollten [zit. n. Kayser 1960: 23]. Die Welt wurde verfremdet, das Lachen darüber war jedoch kein befreiendes, sondern eins der Irritation. Die Groteske belehrte nicht, stiftete keinen Sinn, sie war zugleich die gewohnte Welt und eine fremde [vgl. Kayser 1960: 27f]. Mit der Zeit ging dieser ursprünglichen Bedeutung des Grotesken das Unheimliche verloren. Bei Friedrich Theodor Vischer war grotesk nur noch „das Komische in der Form des Wunderbaren“ [zit. n. Kayser 1960: 81], also phantastisch und komisch oder burlesk. Und bei Thomas Mann kam die Groteske schließlich in der Wirklichkeit an: „Das Groteske ist das Überwahre, das überaus Wirkliche, nicht das Willkürliche, Falsche, Widerwirkliche und Absurde“ [zit. n. Kayser 1960: 115]. Auf dieser Seite möchte ich vor allem Gedichte präsentieren, die sich eher an der ursprünglichen Definition des Grotesken orientieren.

 
 

Katze grotesk

Eine Katze, die Goethe zitiert, ist sicher schon grotesk genug, aber ihre Rachephantasie ist auch nicht ohne.

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

Die Rache der Humpelkatze

Die Humpelkatze kommt
ohne Beute
vom nächtlichen Dienst nach Haus
und Meisen lachen
sie zwitschernd aus.
Ihr dummen Vögel,
denkt grimmig die Katze,
was wisst ihr schon
von der Kunst
der Propellerimplantation!
Wartet nur, balde
nach meiner Operation
werd ich
die Propellerkatze sein
und ihr
vor Angst und Wahnsinn –
schrein!

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Eine groteske Wüste oder eine wüste Groteske

In der Wüste scheint es Wesen zu geben, die mit grotesk noch freundlich umschrieben sind, wenn man ihre Essgewohnheiten betrachtet.

Stephen Crane · 1871-1900

In der Wüste ...

In der Wüste
Sah ich ein Geschöpf, nackt, tierhaft,
Das, auf dem Boden hockend,
Sein Herz in den Händen hielt
Und davon aß.
Ich sagte: „Ist es gut, Freund?“
„Es ist bitter – bitter“, war seine Antwort;
„Doch ich mag es,
Denn es ist bitter,
Und es ist mein Herz.“

Übertragen aus dem Englischen von Hans-Peter Kraus

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Kommentar von Hans-Peter Kraus zur Übertragung:
Das Gedicht schien kein großes Nachdenken beim Übertragen zu fordern, aber am Schluss gab es doch wieder Probleme. Zum Vergleich das Original:


Das kleinere Problem war das Geschlecht des Wesens. Ich konnte nicht wie im Englischen üblich auf das männliche Geschlecht wechseln. Das gleiche Pronomen für das Herz und das Geschöpf schaffte aber Verbindungen, die im Original vermieden sind, deshalb meine Abkehr vom Wortwörtlichen in der viertletzten Zeile. Schwieriger war die Entscheidung bei den letzten beiden. Wörtlich wäre „weil es bitter ist, und weil es mein Herz ist“ herausgekommen. Das ist aber klanglich nicht akzeptabel. Möglich wäre gewesen auf das erste „ist“ zu verzichten, aber dann verschöbe sich das Gewicht des Verses von „mein Herz“ weg zu diesem letzten „ist“. Deshalb das Ausweichen auf „denn“, was eine Satzstruktur wie im Englischen und die Betonung von „mein“ ermöglicht, aber eine Wiederholung kostet (because). Also doch alles wie gehabt, 1:1 ist es nie und irgendwas geht flöten bei einer Übertragung.

 
 

Groteske Spitzen

Spitzmäulig könnte man dieses spitzige Gedicht spitzfindig nennen, dabei spitzt es sich nur zum Schlafe zu.

Lukas Meisner · geb. 1993

(F)Alltag

1
Degen regnen.
Ich pflege die Säge,
die mir im Bauch steckt.

„Pause!“,
schreit aus der Schlafstatt
meine Erschöpfung.

Ich nicke:
ich hebel
die Säbel
hinauf
und hinab.

(Sie staken
in mir.)

2
Gabeln hissen
aus meinem Kissen.

Krokussen gleich, die aus
dem Bette des Schnees
den Wandrer begrüßen,
den Wandrer durch Weh
wie Heimat begrüßen.

3
Verdrieß ich den Nachtmar?
Ich schließe
löfflige Lider,
stups ihm die gablige Nase,
gebe den Klingen der Zähne
ein Küsschen zur Nacht.

4
Ein winziges Lächeln
muss ich bezwingen.
Dann leg ich mich schlafen
hinein in den Hafen
der Klingen.

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Lesetipp:
Mehr Texte des Dichters: Zungen des Zweifels.

 
 

Meteorologen sind auch nur Tiere

Die Meteorologie ist eine Wissenschaft für sich, leider einer, die oft genug enttäuschende Ergebnisse liefiert. Das liegt möglicherweise an den beteiligten „Personen“ mutmaßt dieses groteske Gedicht.

Anemone von Berg · geb. 1968

Schnee war angesagt

Es regnet ohne Unterbrechung.
Tränen in den Kinderzimmern.
Die Spielwiese bleibt grün
und nass.
Es gibt Beschwerden beim Sender.
Der Wetterfrosch,
ein Papagei,
soll früher mal Skifahrer
gewesen sein.
Untragbar so einer.

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Groteske Wünsche

Gleich 27 sind angekündigt, aber nicht nur Kaninchen lügen, auch Dichterinnen haben da gewisse Talente. Also mache man sich keine allzu großen Hoffnungen (von Erfüllung hat sowieso niemand geredet).

Lillia Stys · geb. 2005

27 Wünsche

Der See ist gefroren,
sagt das Kaninchen,
aber es lügt gern,
und man tanze durch die Luft,
weil es zu warm ist,
um zu singen.
Verirre dich im Wald,
dann findest du den See,
mit der Schaukel
auf dem höchsten Ast
an dem höchsten Baum.
In dem See unterhältst du dich mit den Pflanzen,
denn das ist kein Eis,
es ist Wasser,
bevölkert von Schlamm
und den Münzen,
weil du einen Wunsch frei hast.
Dieses Wasser ist still
und erzählt nicht gerne,
dass der Himmel wolkenlos ist.

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Olympia grotesk

Da die Olympiade 2020 aufgrund der missglückten Marketingkampagne eines mexikanischen Bierherstellers verschoben werden musste, springt dieses groteske Gedicht mit Meldungen über Gold, Silber und Bronze ein.

Dyrk Schreiber · geb. 1954

Muskelspiele

Die Eröffnung
der Weltmuskelspiele
verspätete sich erheblich
Lach- und Schließmuskeln
schon vor Jahren verboten
muckten auf am Promi-Eingang
sind sogar mit
gewalttätigem Gelächter
und anrüchigen Argumenten
auf ebenso vornehme
wie adipöse Herrschaften
losgegangen

Doch übersäuerte nichts
die Oberschenkelmuskeln
überboten sich zweifach
und siegten souverän
ihre Kraft und Formschönheit
waren goldwert gegenüber
den Bizeps und Six-Packs
auf den Rängen zwei und drei

Ohne Chance blieben
Herz- und Halsmuskeln
die einen zu empfindsam
die anderen fast verkümmert
brauchten nur Hohles zu tragen

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Gedicht über grotesk große Schwalben

Die Schwalben kommen in diesem Gedicht ganz harmlos angeflogen, doch dann zeigt sich: Größe ist grotesk relativ.

Dyrk Schreiber · geb. 1954

Schwalbengedicht

Aus einem endlosen
die Welt umarmenden Blau
stürzt ein kleiner schwarzer Punkt
gefolgt von einem weiteren
steil herab
wird erkennbar größer zur Schwalbe
dreht scharf auf Angriff
und schießt mit segelweitem Schnabel
in eine Gruppe Touristen

Groß ist der Fang
den die zweite Schwalbe
zu wiederholen sucht

Doch ungebremst
stürzt sie ab im Touristenloch
das ihre Vorgängerin hinterließ

Tod am Menschenmuseum

Auf seinem Eingangspfosten
gesättigt
sitzt eine Schwalbe und weint

Sie kann das

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Kommentar:
Dieses Gedicht war einer der 12 Finalisten aus über 1600 Einsendungen für das Gedicht des Jahres 2018.

 
 

Flug in den Süden

Weiß ja jeder, dass gewisse Vogelarten in den Süden fliegen, wenn’s kalt wird. So weit, so grotesk. Was nicht allgemein bekannt ist: Auch Elefanten haben gewisse Sehnsüchte.

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

Nachtflug

Für Gänse gilt kein Nachtflugverbot.
Hab ich auch nicht gewusst.
Das Problem war:
Jedes Mal,
wenn ich zu den Papiercontainern gegangen bin,
waren alle voll.
Übervoll.
Wegen der blöden Versandverpackungen.
Also hab ich das Papier
(ich krieg ja noch die Zeitung
als einziger im Haus)
auf dem Balkon gelagert
und einen Elefanten gemietet
zum Draufsetzen,
damit mir der ganze Kram
nicht im Herbststurm davonfliegt.
Dann gucken die Nachbarn böse.
Kann mir eigentlich egal sein,
doch ich versuche,
möglichst nicht aufzufallen.
Und es war auch kein Problem,
wenn die Gänse tagsüber
in ihren V-Formationen gen Süden flogen.
Ich wedelte mit dem Mietvertrag,
und der Elefant ließ die Schultern sacken.
Er wär natürlich gerne,
guckte sehnsüchtig nach oben,
trötete laut, wenn die Gänse vorbeiflogen,
doch Vertrag ist Vertrag.
Nur wie gesagt: Kein Nachtflugverbot für Gänse,
und am nächsten Morgen war er weg.

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Gedicht über es

Es ist wichtig, aber man muss auch gut auf es aufpassen und wenn es sich wohlgefühlt hat und man verabschiedet es, dann bedankt es sich auch. Daran scheint nichts Groteskes zu sein.

Michael Bauer · geb. 1985

Wasser

Ich habe es mitgenommen
in meiner Hand
trug ich es vom Straßenrand
zu mir nach Hause.

Dort unterhielt es sich mit mir
und ermutigte mich,
meinen Alltag zu verändern.
Und ich versorgte es wie ein Haustier.

Ich nahm es mit auf meinen Reisen
durch die Welt. Von einer Stadt
in die nächste.
Von Berg zu Tal.

Eines Tages schrieb ich seiner Besitzerin,
ich möchte es gerne wieder zurückgeben.
Und tat es. Siehe da:
Es wurde zu Wein.

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Eine ganz groteske Familie

Ein groteskes Gedicht über die Vielseitigkeit einer Familie, bei dem besonders die Sitzordnung auf dem Pferd interessant ist;-)

Angelika Pauly · geb. 1950

Mama, Papa, Julian

Mama, Papa, Julian
saßen in der Eisenbahn,
Mama auf der linken Seite,
Papa auf der rechten Seite
und Julian in der Mitte.

Mama, Papa, Julian
kamen dann in Kölle an,
Mama auf der linken Seite,
Papa auf der rechten Seite
und Julian in der Mitte.

Mama, Papa, Julian
kauften dort ’ne Halve Hahn.
Mama aß die linke Seite,
Papa verputzt’ die rechte Seite
und Julian die Mitte.

Mama, Papa, Julian
schafften sich ein Reitpferd an,
Mama kauft’ die linke Seite,
Papa kauft’ die rechte Seite
und Julian die Mitte.

Mama, Papa, Julian
ritten auf dem Pferdchen dann,
Mama auf der linken Seite,
Papa auf der rechten Seite
und Julian in der Mitte.

Mama, Papa, Julian
warf das böse Gäulchen ab.
Mama fiel auf die linke Seite,
Papa auf die rechte Seite
und Julian auf die Mitte.

Mama, Papa, Julian
marschierten gemeinsam zu Fuß fortan.
Mama ging auf der linken Seite,
Papa auf der rechten Seite
und Julian?
      Na wo wohl …
            ganz klar:
                  In der Mitte!

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Lesetipp:
Mehr von und über Angelika Pauly hat ihre Website www.angelika-pauly.de.

 
 

Im Reich des Grotesken

Seltsame Wesen leben im grotesken Reich, aber die Polizei hat wie immer alles im Griff und rechtzeitig Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet.

Helmut Blepp · geb. 1959

Kleines Reich

Dort wo die Abwässer des Kraftwerks
den Fluss erwärmen gründelt ein riesiger Wels
er hat sechs verschiedenfarbige Augen
und einen fluoreszierenden Wandelpenis
mit seinem Maul groß wie ein Scheunentor
zieht er Fischer aus ihren Booten
holt sich hechelnde Schäferhunde vom Uferrand
und schluckt vorwitzige Schwäne ungerupft
die Anlegestelle der Fähre wurde stillschweigend verlegt
die Wasserpolizei fährt Umwege

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Groteske Parodie

An das bekannte Gedicht Dunkel war’s, der Mond schien helle knüpft der folgende Text in grotesker Manier an, indem er die Wiederauferstehung des quicklebendigen Oxymorons feiert.

Kim Förder · geb. 1963

Frohlockender Suizid im vergangenen Jetzt

Helle war’s, die Sonn’ schien dunkel,
blitzend blau der grüne Grund,
als in gräulich, stumpf’ Gefunkel,
er im roten Rasen stund ...

Bei ihm lag ’ne winz’ge Riesin
aufrecht, von grazilem Wuchs,
und zudem ’ne welsche Friesin,
und ein gritzegrüner Fuchs.

Alle lachten sie zusammen,
einzeln und vor Trauer schwer,
bei den eisig kalten Flammen,
dort am tiefen, seichten Meer.

Auch zwei Fische hüpften fröhlich,
schmerzgebeutelt und erstarrt,
und ihr Haar durchnässt und ölig,
hat vor Schmiere laut geknarrt.

Eine blühend junge Maid,
ganz verbraucht durch langes Leben,
ruhte freudig voller Leid,
tanzend unter trock’nem Regen.

So verging ganz rasch die Zeit,
und die Stunden war’n wie Jahre,
enge Pfade gähnten breit
und verschlangen Tupperware,

die ganz biegsam dann zersplittert,
bis nur ganze Krüge bleiben.
Alle harren süß verbittert,
um sich munter zu entleiben ...

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Ein sehr forderndes Gedicht

Dass man lechts und rinks verwechseln kann, ist altbekannt, doch nach Lektüre dieses grotesken Gedichts dürfte auch die richtige Zuordnung von uben und onten schwierig werden.

Karl-Heinz Heydecke · geb. 1957

Ich ford're

Ich ford’re durchgesess’ne Nudeln
Und angeschoss’nes Glanzpapier!
Von allen aufgelass’nen Rudeln
Zumindest ein verblieb’nes Tier!

Und eisgekühlte Honorare!
Vergorenes Verkehrssystem!
Auf das die eingesperrte Ware
sich endlich auf den Tisch bequem’!

Die Rede führ’ ich: Ohne Klemmen,
und ohne buttrig’ Granulat
tut’s Salzgebirge schmählich hemmen
den Lauf hinauf zum Gaukelpfad!

Wer wird dann noch die Hüften wienern
und lässig sondern Gang vom Tanz?
Wer beugt die Kurve um zu dienern
bis in die letzte Öl-Instanz?

Ich sage frei: Kein holder Büffel
Entkeimt dann mehr dem falben Grat.
Und gäb’s nen honigsauren Rüffel –
Es wär’ für jeden Tritt zu spat.

Drum auf, ihr wack’ren Seismographen!
Macht der Gemarkung den Garaus,
entriegelt, tummelt euch, ihr Braven –
und schwärmt aus!

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Die Monster kommen!

Dieses groteske Gedicht beantwortet die Frage, woher eigentlich die kleinen Monster kommen. Die Geschichte mit den Bienchen und den Blümchen hilft da nicht weiter.

Samson Cvetkovic · geb. 1985

Monstershow

Sie rücken mir auf die Pelle!
Ich weiß es!

Kleine,
haarige Monster
mit Zähnen wie Reißklingen
und Nägeln wie Speerspitzen.
Groteske Masken
aus einer anderen Dimension,
die dir ins Gesicht lachen
und dir das Blut in den Adern
gefrieren lassen.

Blutrünstige Rieseninsekten
mit sechs,
acht
oder mehr Beinen
und abscheulichen Flügeln aus ekligem Glibber
auf ihrem Rücken.

Schmierige,
kleine Wurmfortsätze,
die sich unter deine Haut bohren
wie Geschwüre
und dir das Fleisch
bei lebendigem Leibe von den Knochen reißen.

Hinterhältige,
bunte Feen
mit Engelsgesichtern
und Sirenenstimmen,
die dich um den Verstand bringen
und dich anschließend
mit Drogen und Alkohol vollpumpen
um seltsame Sachen mit dir anzustellen.

Sie sind alle hier.

Ich weiß es!

Und sie warten nur darauf,
dass ich einen Fehler mache.
Dass ich aus meinem Versteck hervortrete,
damit sie mir allesamt um den Hals fallen
und mich fertigmachen können.

Aber ich werd´s ihnen nicht leichtmachen.
Ich denk nicht dran
aus meinem Versteck rauszukommen.
Oder sie aus ihrem zu lassen.

Denn solang sie da oben
in meinem Schädel bleiben,
können sie mir nicht gefährlich werden.

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Groteskes Grünzeug

Wenn selbst Obst und Gemüse nicht mehr auf Sitte und Anstand halten, wer dann? Diese Frage wird im folgenden Gedicht nicht beantwortet, deshalb habe ich sie hier gestellt.

Annemarie Bergmeister · geb. 1953

Aus der Kurstadt-Chronik

Es lief da eine Melone,
es sprang da eine Zitrone,
es rollte eine Bohne
hinab die Fußgängerzone;
das Trio grölte Folklore.

Ein Bürger rief die Polizei,
sie kam mit Blaulicht schnell herbei,
verhaftete alle drei:
Sie waren unbekleidet,
das wurde angekreidet.

Die Haft der Damen war minimal,
sie wurden exterritorial;
es half die Freundschaft kolossal:
Sie kannten gut die Tomaten
des hohen Diplomaten

aus Benzopol in Dhaaal.

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Zungenfertiges Gedicht

Ein Gedicht, das man sich als Liebhaber des Grotesken genüsslich auf der Zunge zergehen lassen kann (falls vorhanden) und ich spreche in diesem Fall nicht mit gespaltener Zunge.

Josephine Kullat · geb. 1995

Betreten auf eigene Gefahr

Am Anfang hielt ich sie im Zaum.
Gut umstellt von weißen Wächtern.
Doch schon zog man mir die Weisheitszähn,
Da wars geschehn um die Kontrolle.

Sie wurde scharf.
Schnitt den Liebsten glatt heraus.
Entsetzt biss ich darauf.

Da wurde sie spitz und stach.
Öffnete mir den Mund.
Bitterworte erstickten mich fast.
Drum biss ich sie ab.

Von jenem Tag an ging es besser.
Jeden Tag geputzt der Mund.
Bin beliebt bei allen Leut.

Nur der Postbote, der hasst mich.
Halte ich doch eine bissige Zunge im Garten.

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Link: Groteske Gedichte beim Poetischen Stacheltier