Unterm Lyrikmond

Gedichte lesen, schreiben und interpretieren

Kurze lustige Gedichte

Zum Lustigsein braucht es nicht vieler Worte, manchmal nur eine Torte ins Gesicht oder ein kurzes Gedicht. Tatsächlich sind es nicht die Geringsten der Dichter, die auf dieser Seite ihren Beitrag leisten. Kurz mal lustig braucht nicht nur Humor, sondern auch Können.

 
 

Lange Strecke, kurzes Gedicht, aber lustig

Herbstlich angehaucht ist dieses lustige Kurzgedicht über die Eigenarten der Gänse.

Hans Retep · geb. 1956

Dumme Gänse

Jetzt weiß auch ich, warum die Gänse dumm genannt,
sie haben sich in eine fixe Idee verrannt.
In jedem Herbst, da fliegen sie in den tiefen Süden
und müssen doch die ganze Strecke zurück nach hüben.
Doch wenn ich vertraulich sie rufe: Ihr Gänse! Kehrt um!
Dann hören sie nicht auf mich, sie sind dafür zu dumm.

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Lesetipp:
Mehr über das Thema Dummheit bietet ausgerechnet die Seite Lustige Gedichte zum Nachdenken.

 
 

Lustiges Gedicht über das Universum

Über das Universum nachzudenken, ist normalerweise keine lustige Sache, besser ist es, man sucht das Gespräch:

Stephen Crane · 1871-1900

Ein Mann sagte zum Universum ...

Ein Mann sagte zum Universum:
„Mein Herr, ich existiere!“
„Gleichwohl“, erwiderte das Universum,
„Erzeugt die Tatsache in mir nicht
Ein Gefühl der Verpflichtung.“

Übertragen aus dem Englischen von Hans-Peter Kraus

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Lustiges Gedicht über internationale Beziehungen

Oder um es genauer sagen: ein lustiges Gedicht über transatlantische Beziehungen. Was kann daran lustig sein und warum ist das Gedicht so kurz? Man muss Dinge nur durch die Blume sagen, dann geht das:

Emily Dickinson · 1830-1886

Zwischen meinem Land ...

Zwischen meinem Land – und den anderen –
Da ist ein Meer –
Aber Blumen – verhandeln für uns –
Als Staatssekretär.

Übertragen aus dem Englischen von Hans-Peter Kraus

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Frosch-Humor

Frösche sind sich nicht zu schade, für eine gute Pointe einzuspringen. Wobei der eigentliche Witz darin besteht, dass dieses Gedicht ein altes japanisches Haiku von Basho parodiert.

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

der hohe Bordstein ...

der hohe Bordstein
ein Frosch springt
vom Reifen ein Geräusch

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Kommentar:
Mehr zum Thema Haiku und das Basho-Original: Zeigen und schweigen.

 
 

Ein Gedicht übers Lernen

Aus Fehlern zu lernen, das ist ein beliebter und wohlgemeinter Ratschlag. Dabei muss nicht jeder Fehler ein Fehler sein, wie das folgende Kurzgedicht zeigt:

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

Wieder was gelernt!

Wieder was gelernt!
Eine Gemüsereibe ist wie ein Schachprogramm:
Jeder Fehler
wird sofort bestraft.
Aber:
Kartoffelpuffer
schmecken auch blutig.

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Die Lyrik und ihre lustigen Freunde

Unter bestimmten Voraussetzungen hat die Lyrik viele Freunde, die Freundschaft ist so dicke, dass die Freunde sie am liebsten in den Himmel befördern würden.

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

Freund der Lyrik

Am Tag als im Internet
die Lyrik starb,
brandete bei der VG Wort
Applaus auf.
Einer der Vorständler sagte gar,
er sei ein Freund der Lyrik.
Ja, wenn sie nichts kostet,
hat die Lyrik viele Freunde,
doch wer solche Freunde hat,
braucht keine Totengräber,
die Asche
verweht im Wind.

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Kurzes Dialoggedicht

Die alte Tradition der Dialoggedichte nimmt dieser Text auf, was insofern passend ist, als auch ein uraltes Vorurteil aufgegriffen wird.

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

Dumpf und Spitzig klagen an

D.: Die Ausländer, die Ausländer,
S.: Die nehmen uns die Frauen weg.
D.: Was machen wir bloß, was machen wir bloß,
S.: Damit sie sie auch behalten?

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Zerlegt

Wenn man Wörter mit wissenschaftlicher Akribie in ihre Bestandteile zerlegt, ergeben sich interessante Erkenntnisse, die uns bisher verschwiegen wurden.

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

Frage

Zwei Drittel einer Bleibe
besteht aus Blei.
Der Anteil von Eis in Eisen
beträgt 60 %,
der von Met in Metall 50 %.
Warum wurde uns dies
bisher verschwiegen?

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Komisch macht munter

Etwas komisch ist das folgende Gedicht schon, aber gleichzeitig ein guter Rat, um nach schlechter Stimmung wieder munter zu werden.

Hans Retep · geb. 1956

Saugst du an des Trübsinns Zitze ...

Saugst du an des Trübsinns Zitze
Steck den Kopf in die Sofaritze
Dann ist das Leben einfach spitze
Iss dazu noch 'ne Banane
Das wird dann des Häubchens Sahne

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Geschäft ist Geschäft

Würde man gar nicht vermuten, dass auch Geschäfte ihre lustigen Seiten haben, doch dieses Gedicht demonstriert dieses Faktum eindrücklich, oder besser gesagt ausdrücklich:

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

Geschäftliche Beratung

Er hatte sich den Arsch aufgerissen,
um das Geschäft zum Abschluss zu bringen,
und nun
sah er seine Felle davonschwimmen.
Was war zu tun?
Erstens:
Hintern professionell vernähen lassen.
Zweitens:
Tiere künftig nur noch gehäutet essen.

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Möglicherweise menschliche Interaktion

Dieses Gedicht ist kurz und für Freunde des schlagkräftigen Humors vielleicht sogar lustig, in jedem Fall zeigt es eine typisch menschliche Interaktion oder auch nicht.

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

Für & Wider

Diese frohe Fratze
speit mir süßen Saft
mitten ins Gesicht.
Ich hau ihr auf die Glatze
mit aller Kraft.
Sie quiekt empört, sie war es nicht.

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Kurz und schmerzhaft

Das Gesicht zu verlieren, ist eine schmerzhafte Angelegenheit. Es wörtlich zu nehmen, zeigt, dass Frauen wieder mal von der Natur benachteiligt wurden.

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

Die Ungleichheit der Geschlechter

Wenn ein Mann
sein Gesicht verliert,
hat das durchaus seinen Vorteil:
Er muss sich nicht mehr rasieren.
Verliert eine Frau ihr Gesicht,
hilft nur noch ein tieferer Ausschnitt.

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Biblischer Witz

Gibt es biblischen Witz? Obwohl das alte Testament meist doch ziemlich blutrünstig erscheint, muss man vielleicht nur den richtigen Ausschnitt finden, um Humor zu entdecken, wie in diesem Gedicht.

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

Ein Ausschnitt aus der Schöpfungsgeschichte

Er warf ein Auge in ihren Ausschnitt,
... und siehe, es war sehr gut. (Gen 1,31)
Doch wie sollte Er
das Auge dort wieder herausbekommen,
ohne unhöflich zu wirken?

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Lustiges Gedicht über einen kurzen Prozess

An diesem Gedicht kann man sehen, dass die Gleichberechtigung Fortschritte macht: Es gibt nicht nur Prinzipienreiter, sondern jetzt auch Prinzipienreiterinnen, die ihre innere Sauhündin überwinden, zu ihren Prinzipien stehen und kurzen Prozess machen.

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

Die Prinzipienreiterin

Mach mich an,
bat die Kerze.
Du sollst nicht
um Liebe betteln,
sprach ihre Besitzerin
und schnitt ihr den Docht ab.

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Lustiger Alter

Mit dem Alter entwickelt manch einer eine spezielle Art des Humors. Dieser hier ist etwas schwarz gefärbt, aber durchaus sonnig.

Hans Retep · geb. 1956

Altersmüdigkeit

In meinem Sarg ein Licht?
Das fürcht’ ich nicht.
Schaltet es ruhig ein.
Ich schlafe auch
bei Sonnenschein.

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Zum Krümeln

Eine kurze Aufklärung über die krümelige Art von Krümelkeksen, die zum Krümeln einladen. Ob das lustig ist?

Hans-Peter Kraus · geb. 1965

Kurze Aufklärung

Wo es Krümelkekse gibt,
gibt es auch Kekskrümel,
und nun sage keiner,
er sei nicht gewarnt worden
vor diesen Bettgeschichten.

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Altes aus der Tierwelt

Da es gerade nichts Neues aus der Tierwelt gibt, muss eben die alte, sich immer wiederholende Geschichte von der Motte und der Lampe für Humor sorgen.

Gaby Melk · geb. 1957

Die Motte

Die Straßenlampe leuchtete. Das war ihr Job.
Die Motte flog dagegen. Ziemlich grob
fiel sie nach unten.
Da hab ich sie gefunden.
Zusammengekehrt.
Ihr erklärt
Wie dumm das war.
Ihr, die längst ein Engel war.

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Ein lustiges Gedicht von Theodor Storm

Die Bürokratie war anscheinend auch im 19. Jahrhundert schon ein Hindernis für ein zufriedenes Leben.

Storm: Der Beamte

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Kriechend lustig

Schnecken gibt’s auch heute noch en masse, mit Adlern sieht es da schon schlechter aus. Höhenflüge sind eben nicht jedermanns Sache, geschleimt wird jedoch immer.

Langbein: Der Adler und die Schnecke

Dieses Gedicht im Textformat

 
 

Ultrakurzballade

Eine kondensierte Ballade könnte man dieses lustige Kurzgedicht nennen. Den Text weiter auszuspinnen bleibt der Phantasie des Lesers überlassen.

Ebner-Eschenbach: Im Kreise

Dieses Gedicht im Textformat

 
 

Wiederholung macht lustig

Die ewige Sentimentalität des Sonnenuntergangs nimmt Heine in diesem Kurzgedicht auf die Schippe.

Heine: Das Fräulein stand am Meere ...

Dieses Gedicht im Textformat

 
 

Goethe, kurz, lustig

Auch Goethe konnte lustig sein, nur war ihm nicht nach Sonnenschein.

Goethe: Alles in der Welt ...

Dieses Gedicht im Textformat

 
 

Ein lustiger Berliner

Der Dialekt unverkennbar, die schnoddrige Haltung ebenso, nur da draußen gibt’s eine Überraschung.

Bourgois: Icke

Dieses Gedicht im Textformat

Kommentar:
Jean de Bourgois ist ein ironisches Pseudonym, das anscheinend nur für dieses Gedicht verwendet wurde. Als Autor wird Carl Einstein (1885-1940) oder jemand aus seinem Dunstkreis vermutet, denn in seinem Europa-Almanach erschien das Gedicht 1925 zum ersten Mal. Der Schluss ist etwas doppeldeutig. Entweder ist es die platte Feststellung, dass nur Icke draußen steht „un sons keener“ oder aber Icke sieht sich selbst, was in der Literatur als Begegnung mit dem Tod gilt.

 
 

Kurz und schmerzhaft

In diesem kurzen Gedicht wird mal wieder die Rede von der Alternativlosigkeit widerlegt: Es gibt immer eine Alternative.

Seidel: Die schlimme Sorte

Dieses Gedicht im Textformat

 
 

Ein empfindlich kurzes Gedicht

Wenn sich Hirn auf Stirn in einem Zweizeiler reimt, mag das Gedicht zwar kurz, aber kaum lustig sein, oder?

Arno Holz · 1863-1929

Einem Kritiker

Das größte Maul und das kleinste Hirn
Wohnen meist unter derselben Stirn.

 
 

Ein Gedicht übers Klugwerden

Selbsterkenntnis ist der schnellste Weg zum lustigen Gedicht, scheint Friedrich Rückert gedacht zu haben, als er diesen Vierzeiler aufs Papier warf.

Friedrich Rückert · 1788-1866

Durch Schaden wird man klug ...

Durch Schaden wird man klug,
Sagen die klugen Leute.
Schaden litt ich genug,
Doch bin ich ein Tor noch heute.

Kommentar:
Das Gedicht klingt harmlos, ist aber sehr sorgfältig gebaut. Der erste Vers hat drei Hebungen mit dem Schema Senkung-Hebung im Wechsel (Jambus). Beim zweiten Vers ist es bei den ersten beiden Silben genau umgekehrt, erst die Hebung, dann die Senkung. Das nennt sich Akzentverschiebung. Derart vorbereitet wird klar, dass der dritte Vers ebenso gelesen werden muss, also SCHA-den litt ICH geNUG und nicht wie man normalerweise lesen würde SCHA-den LITT ich geNUG. Das Ich wird also besonders betont, der Schaden noch dramatischer. Doch im vierten Vers kehrt Rückert (fast) zum Schema des ersten Verses zurück. Das „bin“ wird betont, nicht das Ich. Dieses muss sich sogar mit dem nächsten Wort zusammen in die Senkung begeben. Es wird also richtig untergebuttert, was genau zur Textaussage passt. Da kann man mal sehen, dass selbst bei harmlos-lustige Verschen der alten Meister mehr dahinterstecken kann, als man auf Anhieb vermuten würde.

Link: Gedichte zum Lachen beim Poetischen Stacheltier