Etwas komische Gedichte 1
Auf dieser Seite sollen Welten präsentiert werden, die im Universum ihresgleichen suchen, aber nicht finden. Die Gedichte sind möglicherweise lustig, verdreht sind sie auf jeden Fall, also etwas komisch, was ja gleich zwei Bedeutungen enthält, sowohl komisch als auch komisch nicht-komisch, oder so ähnlich oder gar nicht oder, wer weiß?

Gedicht mit Hamster
Auch wenn es erst nicht den Eindruck macht, dieses Gedicht enthält tatsächlich einen Hamster, und die Reaktion darauf ist keineswegs allergisch.
Antonia Schmidt · geb. 1997
Die Sache mit der Autotür
Als mein Herz in zwei Teile brach,
merkte ich vorerst nicht, was dort geschah.
Es zog ein wenig, das schon.
Mir war auch, als liefe ich etwas linkslastig.
Als mein linker Zeigefinger dann
- durch ein dummes Versehen, wirklich -
zwischen eine Autotür geriet,
habe ich eine Nacht lang durchgeweint.
Jahre später erst sah ich Vergleichbares:
Ein Mädchen, das, summend von
Großmutters Beerdigung heimgekehrt,
den toten Hamster erblickt.
Größeres Geschrei habe ich nie erlebt.
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Kommentar:
Dieses Gedicht war einer der 12 Finalisten aus über 1600 Einsendungen für das Gedicht des Jahres 2018.

Waschen für Fortgeschrittene
Eine sehr nützliche Anleitung für das Waschen im Freien bietet das folgende Gedicht komischerweise.
Alexander Stolzenburg · geb. 1982
Reinigung
Zur reinigung am besten nackt im freien stehen
am besten im wald mit nackten füßen stehen
schwierig möglicherweise: auf dem boden im wald
vielleicht auch jeder allein in einem raum
unbekleidet, barfuß, aber erhöht auf einem podest
ohne bodenkontakt, aus erde oder kies oder holz
nass, damit man die kühle fühle bei offenem fenster
die arme gestreckt in eine richtung, die je nach schwere
des schmutzes gewählt werden müsste
sofern man selbst um schwere der reinigungs
notwendigkeit wisse, sonst müsste doch ein experte noch
bekleidet mit knappem ornat, arme und hände
zur reinigenden position hin biegen,
die insignien der expertie schützen ummantelnd dann
die von töpfen entblößten pflanzen.
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Schlamm und Regen
Schlamm und Regen sind enge Verwandte, manchmal ein Herz und eine Seele, manchmal spinnefeind. Das klingt auf den ersten Blick[?] etwas komisch, ist aber nicht unüblich, wenn man ziemlich enge ist.
Anika Zierlein · geb. 1998
die schuhe sind schlammig ...
die schuhe sind schlammig die strümpfe sind schlammig die hose ist schlammig die jacke ist schlammig der schal ist schlammig der kopf ist matschig es regnet
es regnet der schal ist sauber die jacke ist sauber die hose ist sauber die strümpfe sind sauber die schuhe sind sauber der kopf ist rein es hört auf zu regnen
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Etwas komisches Gedicht aus Frankreich
Eigentlich unglaublich, dass dieses Gedicht aus dem 19. Jahrhundert stammen soll, weshalb es auch auf dieser Seite erscheint, nicht bei den etwas älteren Texten. Um mal einen dicken Gelehrten zu zitieren: Die spinnen, die Franzosen.
Charles Cros · 1842-1888
Der Bückling
Es war eine hohe, weiße Wand – nackt, nackt, nackt,
Gelehnt an die Wand eine Leiter – hoch, hoch, hoch,
Und, am Boden, ein Bückling – dürr, dürr, dürr.
Er kommt, hält in seinen Händen – schmutzig, schmutzig, schmutzig,
Einen schweren Hammer, einen großen Nagel – spitz, spitz, spitz,
Ein Fadenknäuel – dick, dick, dick.
Dann steigt er hinauf die Leiter – hoch, hoch, hoch,
Und schlägt den spitzen Nagel – klopf, klopf, klopf,
Ganz oben in die hohe, weiße Wand – nackt, nackt, nackt.
Er lässt den Hammer los – der fällt, der fällt, der fällt,
Befestigt am Nagel den Faden – lang, lang, lang,
Und, an dessen Ende, den Bückling – dürr, dürr, dürr.
Er steigt hinab die Leiter – hoch, hoch, hoch,
Nimmt sie und den Hammer – schwer, schwer, schwer,
Und dann geht er woanders hin – weit, weit, weit.
Und, seitdem hängt der Bückling – dürr, dürr, dürr,
Am Ende des Fadens – lang, lang, lang,
Sehr langsam schaukelnd – immer, immer, immer.
Ich habe diese Geschichte geschrieben – simpel, simpel, simpel,
Um in Rage zu bringen die Leute – ernst, ernst, ernst,
Und zu unterhalten die Kinder – klein, klein, klein.
Übersetzt aus dem Französischen von Hans-Peter Kraus
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Kommentar von Hans-Peter Kraus zur Übertragung:
Das französische Original (siehe bonjourpoesie.fr) ist zuerst erschienen 1873 in Le Coffret de santal von Charles Cros und wurde in André Bretons Anthologie de l’humour noir aufgenommen. Es basiert auf einem Prosastück, das der Dichter seinem Sohn, dem er das Gedicht auch gewidmet hat, als Einschlafgeschichte erzählte.

Ein skurriles Gedicht von oben bis unten
Das große Thema Wiedergeburt wird in diesem Gedicht be- oder misshandelt, je nachdem ob man Wurm oder Krähe ist.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Von Krähen und Würmern
Der wiedergeborene John Lennon saß
an der viel befahrenen Kreuzung
auf dem Bankgebäude,
auf dem Flaggenmast
auf dem Bankgebäude
an der viel befahrenen Kreuzung
als Krähe.
Er komponierte
„Watching the wheels go round and round“.
Ich schätze,
er wird bitter enttäuscht sein,
wenn er entdeckt,
dass es den Song bereits gibt.
Aber so ist das mit der Wiedergeburt,
man erinnert sich nicht
an sein voriges Leben.
Ich frage mich,
warum er als Krähe zurückkam.
Wahrscheinlich
hatte Yoko Ono ihre Hände im Spiel.
Sie ist ja immer schuld,
kann man schon in der Bibel nachlesen,
die Geschichte mit dem Apfel.
Leider hatte ich keinen dabei.
Ein Stück Apfel
hätte die Krähe abgelenkt von ihrem Lied
und ihr eine Enttäuschung erspart.
Diese Chance auf eine gute Tat
ist verflogen.
Wenn ich Pech habe,
komme ich nun als Regenwurm wieder,
und das alles
wegen einer blöden Apfelgeschichte.
Ab jetzt
gucke ich nur noch zu Boden,
damit ich nicht versehentlich
auf einen Wurm trete.
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Etwas komischer Sprachmischmasch
Wie viele Sprachen werden in diesem Gedicht verwendet? Schon etwas komisch die Mischung, aber letztlich ist das dem Igel völlig egal.
Malte Yamato Badura · geb. 1982
Das Erwachen des Igels
Elfter März Zweitausendelf in Fukushima.
Tohoku Tohoku Erdbebeben!
Tsunami rollte durch Japan mit BOOM!
Tsunami BOOM! Tsunami BOOM!
Gnadenlos frisst er das Dorf inschallah!
Stäbchen und Tatami, Häuser und Autos,
Schiffe und Menschen, die Tiere und HOPE!
Alles zertrümmert, vernichtet, Reaktor exploded!
Menschen verstarben fast 20 000 ’wallah ...
Schweigevers.
Zwölfter März Zweitausendelf in Fukushima.
Stille, ja totenstill – Still!
Hörte ich doch – Wie nach seinem Schlaf
Herr Igel aus den Trümmern kroch. (^-^)
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Gedicht am Rande
Ganz klar am Rande steht das Ich in diesem Gedicht. Am Rande von was? Gute Frage. Vielleicht weiß das Gedicht die Antwort.
Eva Beylich · geb. 1957
Eispapierberg
Ob Wassertropfen oder Licht,
ich weiß nicht, was mich trifft.
Dazu noch kalt und Unbehagen,
man könnte glatt daran verzagen.
Vor mir: Ein Berg aus Eispapier.
Er türmt sich auf und auf, ich frier.
Ich sollte jetzt den Berg besteigen,
bevor sich meine Stapel neigen.
Es lockt das Geld, der Bergkristall;
mein Blick schweift ab ins blaue All.
Kaum fang ich an, schon rutsch ich ab,
die Zeit wird leider auch noch knapp.
Da seh' ich Seelenfäden spinnen
und weiß, so kann man nicht beginnen.
Der Berg ist nun ein großes Schiff,
wir segeln weiter um dies' Riff.
Ich sage „wir“, denn nun steht hier
ein Helfer ganz in Weiß vor meiner Tür.
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Schief gelaufen
Irgendwas läuft ja immer schief. In diesem etwas komischen Gedicht gleich die ganze Welt, was physikalische Konsequenzen hat.
Jutta Ochs · geb. 1963
Gerade noch fest gestanden ...
Gerade noch
fest gestanden auf der Ebene
mit den anderen,
da hat sich die Welt
schräg gestellt,
mich hinausgeworfen
aus der Horde,
ins Irgendwo versetzt.
Mit hochrotem Kopf
stemme ich mich
gegen den Winkel.
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Außer Dienst
Ein Mann legt sich selbst Rechenschaft ab über sein Tun und kommt zu einem standesgemäßen Ergebnis.
Matthias Schwincke · geb. 1961
Rechtsausleger A.D.
im beistand
erfüllbarer amtsfederhalter
verfolge ich
strafbar erbrachten
betrug
ich füge
die nichtigkeit
widriger sitte
und regle
den ordnungsgemäßen
vollzug
die wirksame fehlbarkeit
dienstlicher wege
verwalte ich
fahrig
mit lässiger pflicht
ich wahre
gebildete
willensprozesse
und beuge
das rückabgewickelte
recht
mein zweiseitig bindendes
eheversprechen
vollziehe ich
handelnd
in geltender frist
und glaube
bei ernsthaftem
eintritt des todes
ich wurde
zu lebzeiten
niemals
vermisst
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Klebegemälde
Wenn schon kleben, dann richtig. In diesem Gedicht wird feste geklebt und das schöne daran: Alles bleibt an seinem Platz, ein Stillleben eben.
Wilfried Ihrig · geb. 1953
entwurf eines modernen stilllebens
um festgeklebte autos
gruppieren sich
festgeklebte polizisten
festgeklebte passanten
festgeklebte hunde
daneben befinden sich
festgeklebte häuser
mit an den fensterscheiben
festgeklebten insekten
festgeklebte bäume
mit festgeklebten blättern
darüber
festgeklebte wolken
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Ein Gedicht über ein Kinn
So ein Monsterkinn hat gewisse Auswirkungen auf die Sprache und die Art, wie Leute jemanden wahrnehmen. Aber Trost ist komischerweise in Sicht: Auch Sie können eins haben.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Mann mit Kinn
Ich habe ein
Kinn.
Ich habe ein
großes
Kinn.
Da kriegen Sie aber nix von ab.
Und au’ nich’
von meinem Kin’ergeld.
Das hab ich mir redlich
verdient.
Die Leute können ja so
gemein sein.
Letztens sagte einer zu mir,
ich wär ein
Harlekin.
Dem hab ich sofort eine
geschallert.
Ich hab kein Haar am Kinn,
noch nich’ ma’ ’ne Warze.
Oder einer fragte,
ob ich aus
Kina wär.
Dem hab ich sofort eine
geschallert.
Hab ich etwa ’nen Schlitz im Kinn?
Und einer,
Sie glauben es nich’,
der sagte lustig,
ich wär wohl
Kineast.
Dem hab ich sofort eine
geschallert
und wo hingetreten,
wo’s weh tut.
Damit macht man keine Späße.
Die Welt is’ wirklich nich’
sehr kin’erfreundlich.
Aber trotzdem will ich ma’ nich’ so sein.
Ich geb Ihnen einen Tipp:
Pflanzen Sie ’n Stück Kinn ein
und ziehen Sie’s im Kin’ergarten groß.
Dann kriegen Sie auch
Kin’ergeld.
Klasse, nich’?
So, Sie könn’ die Kinnladen wieder hochklappen,
ich mach meine jetz’ auch zu.
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Eine etwas seltsame Ode
Die Lobpreisung der zahnärztlichen Betäubungsspritze wird hier in etwas komische Formulierungen gepackt.
Stefan Kappner · geb. 1968
Ode auf die Lokalanästhesie oder Klopstock geht zum Zahnarzt
nicht die lebensrettenden Arzneien und Geräte
will ich loben
die täglich ihren Zweck erfüllen
segensreich und für die Gemeinten jeweils unentbehrlich
die in undenkbar schmerzgeplagten Zeiten
von mehr als drei Weisen der näheren Hoffnung
den eigenen Lebenszeiten abgeknapst
der Menschheit ach was uns besser noch dir
als Geschenk zu Füßen und zu Schenkeln zum Bauch zur Brust zum Kopf
gelegt süßer als Gold Weihrauch Salbe zur rechten Stunde die jederzeit
anbrechen könnte und dir niemals recht ist
bedient von Besserverdienenden vom Dienst
die dir oftmals noch gescholten dienen uns ach der Menschheit
retten sie für längere Zeiten das nackte Leben
ganz konkret womöglich dir
wie mir über Dritte das Leben geschenkt dreier himmlischer Töchter
hier jedoch geht es um die Spritze vorm Bohren
deren Verdienst kaum steigernder Faktoren bedarf
und aufwiegt iPad PC Ottomotor
mit Leichtigkeit gerade weil bescheiden und begrenzt auf ein jeweils bestimmtes Areal
noch Lifts und Hörgeräte trüge ihre Schale
und sicherlich Kaffeebereiter
fraglich höchstens und nur zu messen mit längerer Elle Orgel und Mischpult
mehr als alles Erwähnte lobe ich jedenfalls die Spritze vorm Bohren
die keimfrei mit dreifach geschliffener Kanüle
von viel geübten Händen geführt
beinahe unbemerkt von dem in die konkave Spiegellampe Blinzelnden
ein ungenannt patenter Ingenieur erfand ein Gleitmittel dafür
ins Fleisch rutscht
kaum spürbar selbst die basische Substanz
sie drängt sich zwischen Zellen unterbricht
den Schaltkreis über den sich der im Grundsatz angesagte Schmerz
von der Verletzung fortpflanzte bis zur Qual
jetzt wird die Lippe taub der Zahn kurz wie von Colarot dann tiefer und entspannter
was jetzt als Schall und Vibration und höchstens noch als Zwicken
der ungeschickten Helferin die halbe Stunde füllt
bleibt ebenso erträglich wie ergebnisfroh
Freud Adler Jung kennt jeder die was ungewusst ins Leben dringen will
abendfüllend bühnentauglich trimmten
doch wer kennt Niemann Fournau Einhorn
die einen umgekehrten Weg beschritten das Monster Injektion
für Injektion zurück in seine Höhle jagten
was uns mir dir erlaubt gefasst zu bleiben
Hemden und Blusen glattzustreichen und zurück
auf das Trottoir zu treten und uns vorerst wieder einzureihen
bis wir wills Gott erst spät
nach Zuflucht suchen unter o g größeren Geräten
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Lesetipp:
Stefan Kappner bietet auch einen Biographieservice an.

Verrücktes Gedicht
Welche Überdosis von was der Autor vor dem Schreiben dieses Gedichts zu sich genommen hat, vermag ich nicht zu sagen.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Wo die Krötenkarre ist
Die Krötenkarre im Bombenkrater lag, der
ganz frisch aus dem Ei
geschlüpft war, das
ein Flieger-Pflüger
in unsrer Straße
gelegt hatte.
Was ist das? Was soll das?
Was ist das? Was soll das?
Das ist
die Krötenkarre, die
im Bombenkrater liegt, der
ganz frisch aus dem Ei
geschlüpft ist, das
ein Flieger-Pflüger
in unsrer Straße
gelegt hat.
Es hätt’ sie doch keiner gefunden,
wenn ich sie nicht
in diesem Gedicht
erwähnt hätte.
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Ein Gedicht über die Weisheit der Schnecken
Wie das folgende etwas komische Gedicht zeigt, muss man sich in existenziellen Fragen nur an die Schnecken wenden. Die Antwort kommt zwar etwas später, aber:
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Die Schnecken wissen Bescheid
Verregneter Sommertag.
Endlich klart es auf und ich geh hinaus.
Auf dem Weg am Wald entlang
muss ich aufpassen, wo ich hintrete:
Überall Schnecken.
Da kommt mir eine Idee. Schnecken
haben viel Zeit zum Nachdenken, so langsam
sind sie unterwegs. Sie müssten es also wissen.
Ich lege mich längelang auf den Weg und warte
eine Stunde,
zwei Stunden,
bis sich ein paar Dutzend Schnecken vor mir
versammelt haben.
Ich frage:
Glaubt ihr,
dass es Lebewesen gibt
100 Mal größer als ein Schneckenhaus,
die sich auf zwei Beinen fortbewegen?
Lange Zeit geschieht nichts.
Dann zuckt bei einer Schnecke ein Fühler vor
und zurück.
Dann bei der nächsten und
das Zucken überträgt sich auf alle, bis sich schließlich
eine Schnecke auf die Seite legt, Vorder- und Hinterteil
zusammenklatscht. Andere machen es ihr nach,
einige klatschen mit dem Hinterteil auf den Weg,
dass der Schleim nur so spritzt und eine
rollt sich gar über ihr Häuschen ab.
Danke, sage ich, stehe auf und gehe mit einem großen Schritt
über die ausgelassene Schneckenbande hinweg.
Dacht ich’s mir doch.
Selbst für Schnecken ist die Vorstellung,
dass ich existiere,
völlig absurd.
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Eine wichtige Forderung
Das folgende Gedicht stellt eine wichtige Forderung auf, denn ganz im Ernst, wo wären wir ohne?
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
S-trudl!
S-trudl!
Die Welt braucht mehr
S-trudl!
Wenn die Bäuche voll
und die Köpfe leer,
fällt der Untergang
überhaupt nicht schwer,
überhaupt nicht schwer,
überhaupt nicht S-trudl!
Die Welt braucht mehr
S-trudl!
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Kopiergedicht
Eine etwas verdrehte Perspektive auf Kinder und Eltern bietet dieses Gedicht, obwohl: Das Körnchen Wahrheit findet selbst ein Huhn.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Elternliebe
Du bist
die Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie,
und man verwechselt dich
recht schnell.
Und doch
bist du
als Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie
schlecht kopiert,
das
macht dich individuell.
Deshalb:
Liebe die Kopiergeräte!
Ihre Fehler
sind deine Chance.
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Irrungen und Wirrungen
In diesem etwas komischen Gedicht hat jemand wirklich Schwierigkeiten „lechts“ und „rinks“ zu unterscheiden. Der Titel ist eine Hommage an ein Ringelnatz-Gedicht.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Das Haus, wo ich zu Gast war
Das Haus, wo ich zu Gast war,
war viel zu groß.
Ich irrte durch die Gänge
auf der Suche nach meinem Zimmer.
Endlich fand ich die richtige Tür,
doch in meinem Bett
lag ein vierbeiniger Glücksteufel,
der stöhnte und mit seiner Körpermitte
ruckelte.
Ich fragte ihn: „Was machst du da?“
Er funkelte mich mit seinen vier Augen an
und zischte:
„Verpiss dich!“
Am anderen Morgen
war er aber wieder froh gelaunt
und sagte, es wäre nicht so gemeint gewesen.
„Wir waren halt überrascht!“
Ich ging auf mein Ersatz-Zimmer,
wo eine gute Fee in der Nacht
mein Köfferchen bereitgestellt hatte,
und zog noch am gleichen Tag in ein Hotel.
Jemand, der von sich im Pluralis Majestatis spricht,
mag ich nicht leiden.
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Quallen sind etwas komische Tiere
Quallen sind vielseitiger zu verwenden, als man auf Anhieb glauben mag. Richtig eingesetzt trifft man das große Glück, wie in diesem Gedicht:
Torsten Hildebrand · geb. 1972
Ostsee
Die Ostsee hat gefallen,
Im Sand da lagen Quallen.
Das freute meine Nerven,
Denn Quallen kann man werfen.
Man wirft sie an die Köpfe.
Die süßen tragen Zöpfe.
Dann geht man hin und spricht:
„Das trägt man heute nicht.“
Das Wesen schaut verdattert,
So hat man es ergattert.
Dann geht es Stück für Stück,
Ins neue Lebensglück.
Linkadresse zu diesem Gedicht: www.lyrikmond.de/gedichte-thema-6-125.php#2628

Gedichtbericht vom Tatort
Ein Gedicht über einen undankbaren Job, aber: Derjenige welcher führt seine Tätigkeit gründlich und ohne zu klagen aus. Könnte sich mancher ein Beispiel dran nehmen.
Bernd Maile · geb. 1966
Der Tatortreiniger
Im Spülkasten lauernd
in der Toilette
egal ob bei Tag
oder bei Nacht
Wartet geduldig
in aller Ruhe
kennt keine Zeit und
kennt keinen Raum
Wartet darauf
einfach loszulassen
lawinengleich
nach unten rasend
und alles umfassend
was es ergreift
Mit sich reißend
und mit sich ziehend
verschwindet es dann
im dunklen Schlund
Gurgelnd und blubbernd
verlässt es das Licht
verwischt die Spuren
mit Duft und Blau
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Lesetipp:
Mehr über den Autor auf seiner Website.

Eine oder zwei oder drei etwas komische Geschichten
Man kann dem Gedicht vorwerfen, was man will, aber eins nicht: Dass hier nicht alle Masken fallen.
Georgi Kratochwil · geb. 1979
Das war ein schwarzer Tag
Das war ein schwarzer Tag,
als Handy-Mandy ihr Handy
von der Aussichtsplattform des Eiffelturms fallen ließ.
Kurz entschlossen sprang
sie hinterher, fing es im Flug und
kletterte an den Streben des Turms
wieder hinauf.
Doch als sie ihre Freundin
Cigarette-Babette anrufen wollte,
um ihr zu erzählen, dass ihr Handy
vom Eiffelturm gefallen sei
und sie es Gott sei Dank
noch fangen konnte,
war der Akku leer.
Wutentbrannt
warf Handy-Mandy das Handy
in die Tiefe
und tötete damit einen Flic.
Das war natürlich ein Unglück:
Einkaufen in Paris
konnte sie erstmal vergessen.
Sie sagen, die Geschichte stimmt nicht? Wie wahr. Die Aussichtsplattformen am Eiffelturm sind natürlich mit Schutzgittern gesichert. Die furchtbare Wahrheit ist: Handy-Mandy konvertierte zum Islam, weil sie Kopftücher praktisch findet. Eine Zigarette in der einen, einen Coffee-to-go in der andern Hand kann man immer noch telefonieren, wenn man das Handy zwischen Ohr und Kopftuch klemmt. Die Idee mit der Reise nach Paris, um sich mit einem Smartphone-Gürtel ins Paradies zu sprengen, hat ihr jedoch von Anfang an nicht gefallen. Sie hat die Handys lieber in der Rue Barbette verkauft und sich von dem Geld ein bisschen was gegönnt. Leider kam es bei der Benutzung der Smartphones zu „Zwischenfällen“. Nur deshalb verzichtet sie lieber aufs Einkaufen in Paris.
Diese Geschichte
glauben Sie mir auch nicht, nicht wahr?
Sie haben ja so recht.
In Wahrheit ist Mandy Nelly
und telefoniert jeden Morgen,
wenn ich mit der Straßenbahn zur Arbeit fahre,
mit:
ihrer Freundin Babette.
Die ganze Strecke!
Um halb sieben!
Und die Frau hat Stimme.
Jetzt reimt sich Nelly nicht auf Handy,
deshalb heißt Nelly
in meiner kleinen Geschichte Mandy.
Der Haken ist:
Ich kann gar nicht Straßenbahn fahren,
ich bekäme nicht mal eine Monatskarte,
denn ich existiere nicht in dieser Welt,
ich existiere
nur hier.
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Etwas komisches Gefühl
Auch der erfahrenste Seemann bekommt beim Anblick von Seerosen ein komisches Gefühl, nicht wegen Ästhetik, wegen alter Geschichten.
Gyda Bek · geb. 1952
Bootsfahrt
Gib Acht auf die Seerosen
sie locken
mit ihren lieblichen Blüten
und verstecken
lange Arme unter Wasser
sie werden
unser Boot umschlingen
sie werden
uns auf den Grund ziehen
glaube mir
ich habe es im Märchen gelesen
Linkadresse zu diesem Gedicht: www.lyrikmond.de/gedichte-thema-6-125.php#2839

Medizinisches Gedicht
Mag etwas komisch erscheinen, ein medizinisches Gedicht hier anzubieten, aber etwas komisch ist ja genau richtig und mit Wasseradern ist wirklich nicht zu spaßen.
Anemone von Berg · geb. 1968
Beim Wasserarzt
Wir müssen Ihnen leider Wasser entnehmen,
schau ‘n, ob Sie noch ganz sauber sind.
Ein Mensch kann innerlich verschlammen -
mit Schmutzerkrankungen spaßt man nicht!
Keine Sorge, Sie kriegen Ihr Wasser zurück,
sollte es rein und unbedenklich sein. Falls nicht,
dann können Sie‘s spenden, der Welt fehlt‘s
so sehr an Wasser zurzeit! Dafür gibt‘s dann zwei
Stempel ins Bonusheft. Oder Sie wählen den
Gutschein aus, für eine Wasserbehandlung mit
eigenem Wasser in unserem Wassererkranktenhaus.
Ihren Wasseradern täte dies sicher sehr gut.
Wir freuen uns auf Sie.
Sauberes Wasser für sauberes Blut!
Die Rezeption vergibt noch Termine.
Ihr Kopf und ein Eimer werden gebraucht.
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Komischer Klempner
Ein Exemplar der Klempnerzunft, das seinen Beruf noch ernst nimmt und sogar seine Berufung darin findet, wird in diesem Gedicht gezeigt. Zur Nachahmung empfohlen!
Birte Eser · geb. 2000
Klempner aus Leidenschaft
Plip,
horchende Ohren,
Plop,
folgen dem Tropfen,
Plip,
das Werkzeug auf Anschlag,
Plop,
das Ziel fest im Sinn:
Plip Plop.
Er tritt hinaus,
Plitsch Platsch,
und wird prompt nass,
die Wolken sind undicht,
es gibt mehrere Lecks:
Plipplopplipplop.
Triefende Blüten
auf gefluteter Erde
bekunden stets ihr Leid.
Plipplopplipplop
drängt es an sein Ohr.
Emsig steigt er auf die Leiter,
schließt Leck für Leck
und immer weiter.
Plipplopplip,
unermüdlich,
flink dazu,
Plipplop,
jedes Loch und
jeder Riss wird geflickt, gestopft
und repariert,
bis nichts mehr tropft,
Plip,
bis nichts mehr klopft.
Keiner bleibt im Regen stehen!
Vom ganzen Ort wird er verehrt,
selbst die Blumen verneigen sich
mit jedem Tag mehr…
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Ein Gedicht über ...
... möglicherweise, wenn auch nicht mit Bestimmtheit zu sagen, aber was muss, das muss, und warum auch nicht? Ist zweifellos besser so: trocken Brot und Stroh, bitte keinen Beifall spenden.
Anemone von Berg · geb. 1968
Satt!
Sehr befreit und ohne
Not
wünsche ich mir trocken
Brot.
Trocken Brot, trocken Brot,
trocken Brot macht Wangen
rot.
Satt und ohne
Risiko
wünsch‘ ich statt 'ner Decke
Stroh.
Trocken Stroh, trocken Stroh,
trocken Stroh macht Esel froh.
Bei Durst würd‘ ich mich
laben
an einem Wassergraben.
Wassergraben,
Wassergraben,
Grabenwasser muss man
haben.
Und hab‘ ich ein
Wehwehchen,
dann trinke ich ein Teechen.
Ein Teechen bei Wehwehchen.
Ein Tee aus Überseechen.
Und wenn das Jahr zu Ende geht,
dann schau‘ ich, wie mein Konto
steht,
dann schau‘ ich, wie mein Konto
steht
und ob, wenn überhaupt, was
geht.
Was? Spenden, ich soll spenden?
Womit, mit vollen Händen?
Doch nicht mit vollen Händen!
Mein Stroh muss ich mir wenden.
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Ein haariges Gedicht
Haare sind nicht mehr in und außen sind sie schon gar nicht. Das war mal anders, und wenn Gleichgesinnte sich treffen, kann es funken, wie das folgende etwas komische Gedicht zeigt.
Hans G. Gohlisch · geb. 1949
Haargenau
Ein feines Haar
wuchs vor ’nem Jahr
aus meiner Nase.
In dieser Phase
traf ich Frau Mohr.
Aus ihrem Ohr
ragte ein Härchen. –
Seit jener Zeit
sind wir ein Pärchen.
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