Gedichte über Dichter und Gedichte 1
Ein Dichter im Gedicht ist in etwa so etwas wie ein Regisseur im Film; das kann im eigenen Film oder in einem von einem anderen Regisseur oder in einem über einen Regisseur sein. Und so ist es auch mit Gedichten über Dichter, die entweder über sich selbst schreiben oder über jemanden, der dichtet. Doch wie immer gilt auch hier das ironische Spiel, dass ein „Ich“ im Gedicht nicht notwendigerweise der Dichter selbst sein muss, sondern ein fiktives oder, wie man in der Lyrik sagt, lyrisches Ich sein kann.

Kurze Arbeitsanweisung an die Dichter
Wer es bisher nicht wusste, was von einem Gedicht heutzutage zu erwarten ist, dem wird diese Arbeitsanweisung nützlich sein.
Richard Barth · geb. 1954
literarisches Unternehmen
Wir müssen
die Festungen beschreiben
die Namen nennen
Wir müssen
vom Gesicht des Fremden
vom Land der Träume
erzählen
müssen
unermüdlich unverzagt
Worte über die Mauern
in die Häuser tragen
Stück für Stück
den unberührten Himmel
berührbar schreiben
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Das Fremdheitsgefühl eines Dichters
Gedichte zu schreiben, hat auch etwas damit zu tun, sich eine eigene Welt zu bauen, da die reale nicht immer gastfreundlich oder sogar oft fremd und manchmal gar irreal wirkt.
Michael Maicher · geb. 1954
In der Fremde
Mein Himmel
aus Worten gebaut
der mir Schutz geben möge
vom Feuer der Erde
Meine Buchstaben
zu Zeilen gereiht
die mir erklären sollen
den Sinn im Sinnlosen
Meine Gedanken
verlorene Funken
sie verglühen im All
und hinterlassen mich dunkel
Als sei ich etwas nie Gewesenes
das sich zur Erde verirrte
um in Träumen Gesponnenes
zwischen Bäume zu hängen
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Lesetipp:
Mehr von und über Michael Maicher bietet seine eigene Website, wobei sein kreativer Schwerpunkt mittlerweile auf der Malerei liegt.

Warum Dichter dichten
... und Dichterinnen auch. Das teilt Ihnen das folgende Gedicht alleroffiziellst mit, obwohl es Sie wahrscheinlich nicht interessieren wird, denn ...
Claudia Ratering · geb. 1961
Niemand braucht Gedichte ...
Niemand braucht Gedichte
außer denen,
die sie schreiben.
Uns helfen sie
in wirrer Welt
einen Fokus zu setzen.
So sind wir weniger verloren,
denn wir können etwas
beim Namen nennen.
Auch wenn es jeden Tag
dasselbe ist, und das Wort
immer ein anderes.
Niemand braucht Gedichte,
doch uns
retten sie täglich das Leben.
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Gedicht, das keine Arbeit macht
Das ist ja gerade das Elend mit modernen Gedichten: Sie machen den Lesern viel Arbeit. Da muss ausgepackt, gebohrt und freigelegt werden. Dabei entsteht eine Menge Dreck, den irgendwer wegputzen muss. Von daher ist ein pflegeleichtes Gedicht ein guter Service.
Wilfried Ihrig · geb. 1953
pflegeleichtes gedicht
dieses gedicht
ist pflegeleicht
es muss weder gewaschen
noch gereinigt werden
es verträgt jedes wetter
und jede temperatur
es knittert nicht
und wirft keine falten
es muss nicht gewartet werden
und auch nicht zum tüv
es kommt nie aus der mode
und sieht immer gut aus
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Dichter und Bäume
Das nicht unkomplizierte Verhältnis zwischen Dichtern und Bäumen veranschaulicht dieses Gedicht am Beispiel eines Altenheims. Wenn das in der Zusammenfassung etwas unsinnig klingt, könnte es daran liegen, dass es unsinnig ist.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Nun sterben sie wieder
Nun sterben sie wieder,
die Blätter an den Bäumen
und sterben in Schönheit
in einem Meer von Farben.
Nun sterben sie wieder,
die Alten in den Betten
und sterben in Pflege
in kalten, weißen Räumen.
Ach ja.
So sind die Dichter.
Ästhetisch am Teetisch
und jammern und maulen,
doch fragte man einen,
wie wär es zu leben,
am Baume zu hängen
nur einen Sommer lang?
Dann säh’ man sie laufen,
dann säh’ man sie drängen
ins kalte, weiße Zimmer
mit saubrem, warmen Bette
und machten sich’s dort nette
bis dass der Tod sie schnippe
mit seiner rostig Hippe.
Doch noch beim Sterben
würden sie werben
für mehr Farbe
kurz vorm Grabe.
Recht hamse.
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Warum Dichter dichten
So lange geht das schon und geht immer weiter: Dichter dichten. Warum? Es ist der Glaube, der sie am Schreiben hält, behauptet zumindest das folgende Gedicht.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Dichterglaube
Ein Gedicht ist der kürzeste Weg
zur Unsterblichkeit.
Der kleine Haken ist:
Es gibt keine
Unsterblichkeit.
Alles Leben auf diesem Planeten
ist endlich.
Der Planet selbst ist endlich,
das Sonnensystem ist endlich,
das ganze Universum
ist endlich.
Ein Gedicht ist
der kürzeste Weg zur Unsterblichkeit.
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Dichter raus!
Ein Plädoyer für frische Luft und Leben statt im Dichterstübchen dahinzuvegetieren, ist dieses Gedicht. Vermutlich wurde es bei kaltem Regen ohne Regenschirm geschrieben.
Herta Dietrich · geb. 1966
Draußen
Raus aus warmen Schreiberstuben
rein zum Staub der Kohlegruben
auf zum Bau es kann sich lohnen
auf zu den Spitalstationen
auf zu allem Schmerz des Lebens
seiner Härte nie vergebens
ist der Sprung in diesen Schreck
Leben ist auch Pein und Dreck
draußen finden wir die Themen
die ganz schlimmen nicht genehmen
raus zu Armut und Gewalt
Leben ohne Geld und Halt
raus aus unserer zarten Blase
denn sie führt uns an der Nase
draußen nur pulsiert und tobt
was man Leben schimpft und lobt
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Wahrheit und Lüge im Gedicht
Viele glauben vom Gedicht, dass ein Reim stets Wahrheit spricht. Da das folgende Gedicht nicht gereimt ist, muss es wohl gelogen sein und damit wahr, wie der Text behauptet.
Georgi Kratochwil · geb. 1979
Trivial
Jedes Gedicht
ist in Wahrheit Lüge.
Jede Lüge
ist gedichtete Wahrheit.
Jede Wahrheit
ist ein gelogenes Gedicht.
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Gedicht über Dichter und Leser
Um das angespannte Verhältnis zwischen Dichter und Leser geht es in diesem Gedicht – oder auch nicht.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Lieber Leser!
Du
liest meine Gedanken.
Du veränderst sie,
du verfälschst sie,
du verrätst sie,
du verwendest sie
– gegen mich.
Du
bist der Feind.
Jesus soll gelehrt haben:
Liebe deine Feinde.
Doch was wurde aus ihm
und seinen Gedanken?
Lieber Leser,
nun wirst du Verständnis haben,
dass ich hier
keine Gedanken verbreiten kann,
sondern nur
Unsinn.
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Über Lyrikbücher
Lyrikbücher waren bis auf ganz wenige Ausnahmen nie der große Hit, doch mit dem Aufkommen der modernen Lyrik, die traditionell keine Rücksichten auf die Leser nimmt, sind Lyrikbücher ungefähr so beliebt wie Leprakranke auf einem Kreuzfahrtschiff.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
modern
vorbei die zeiten als man
lyrikbücher verbrannte
weil sie gefährlich waren
heutzutage reicht es völlig
sie in den buchläden aus-
zustellen
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Modern oder nicht modern?
Das ist überhaupt keine Frage. Dieses Gedicht ist genau das, was es behauptet zu sein, auch wenn es versucht, durch sein Aussehen zu täuschen. Doch worum geht’s? Gute Frage.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
kein modernes gedicht
lauwarmes wabern im
ungefähren thematisch
unbestimmt aber viel
deutig und damit jeder
bescheid weiß alles klein
geschrieben ohne punkt
und komma in block
satzartigen versen mit
brutalen enjambements
ohne sinn und verstand
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Kein Reim parat?
Mit dem Reimen ist das so eine Sache, es kann sich beflügelnd oder hemmend auswirken. In diesem Gedicht jedoch werden Hemmungen zu Flügeln.
Anna Magdalena Opitz · geb. 1993
Parat
Parat, parat, parat,
genau das, was ich mag,
Nur leider reimt „parat“ sich schlecht
auf „mag“. Nur wenn ihr’s schlecht aussprecht,
ist es am Ende doch ein Reim ...
Doch leider darf das hier nicht sein!
Was mach ich da?
Ich weiß es nicht ...
Kein Wort ist da,
keins sich verpflicht’
mir beizustehn in diesem Kampf ...
Da wird das Reimen gleich zum Krampf!
Parat, parat, parat:
Jetzt hab ich den Salat!
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Das Gedicht im Wandel der Zeiten
Das folgende Gedicht nimmt einen Anlauf von der gebundenen, barocken Rede aus und landet im wirren 21. Jahrhundert, wo alles erlaubt ist.
Sascha Lubke-Tjurn · geb. 1998
Versuch eines Zeitraffers
O HErr, du heligs licht / das jhm / dem dichter / scheinet:
Du wirckst / daß ieglich wortt er fromm vnd frey kan finden.
Vnd wer versuchte ie / blos vers an vers zu binden /
Hatt / die jhm blieben noch / die jahre hingeweinet.
Verfehlt! erwachend gleichsam bescheidet sich
Der freye Geist mit einem beseelten Ruf:
Erato, Hohe! laß des Wortes
Innerstes, Innigstes mich erfassen!
Allein die Muse genüget kaum
Dem späteren Poeten:
Der nämlich lehnt an einem Baum
Und singt von träumenden Flöten.
Die aber werden fahl. Und übertönt
von Stahl und Eisen, das auf Eisen fällt,
während ein Tross von heulenden Wagen dröhnt
und ein erstickter Schrei durchs Graue gellt.
wie geht es weiter?
fragt man sich
man darf ja nicht sagen
wie nicht
irgendwas konkretes vielleicht
mit smartphones und internet natürlich
wir sind schließlich in der postpostpostmoderne
politik ist auch immer gut
weil die so aktuell ist
und wenn einem am ende nichts mehr einfällt
kann man immer noch wörter erfinden
deren bedeutung man nur selbst kennt
als kind des einundzwanzigsten jahrhunderts
präsentiere ich also mein gedicht:
„Divi–Divisor–dend“
freund–smartphone–schaft
gesell–internet–schaft
mensch–politik–heit
schubusch–geschlelscheg–schulusch.
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Expressionistisches Dichterbild
Eine hohe Meinung vom Dichter vertritt die expressionistische Generation und dachte dabei sicher auch an sich selbst, denn die Lyrik war das beste Spielfeld für expressionistische Ideen.
Kurd Adler · 1892-1916
Die Dichter
Sie werden stets allein und einsam sein,
und wie ein Teppich werden Leid und Lust
vor ihnen liegen. Nichts wird klein,
nichts neu in ihnen sein. Denn ganz bewusst
war in dem Blute lange schon der Klang,
der dies gekündet. So sind sie das Licht,
das in den Straßen wacht nach Sonnenuntergang,
und sind der Schrei des Lebens, das zerbricht.
Sie sind die Fingerspitzen der geweihten Hand
des Hirten, der die große Herde segnet,
und sind die Sehnsucht, die ein Knabe fand,
schreiend im dunklen Zimmer. Wenn es regnet,
sind sie das Klagen im befleckten Glas.
Sie schauen Liebende, die sich zerreißen,
und trinken ungestillt die Nöte und den Hass
und das Geschrei der Frauen, welche kreißen.
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Geständnis eines Dichters
Wurde auch Zeit, dass mal einer ein Geständnis ablegt und sagt, dass er schlicht nichts anderes drauf hat, als Gedichte zu schreiben.
Jakob Haringer · 1898-1948
Portrait
Ich kann ja nichts als meine armen Verse schreiben,
Ich habe kein Geschick zu Dramen und Roman,
Das Leben hat ja Platz auch in acht Zeilen –
Und Bände da zu schmieren dünkt mich Wahn.
Was soll man Leiden da in Akte pressen,
Das kleine Glück wird schöner wohl als kleines Lied –
Und da wir sowieso ja alles stets vergessen,
Alles, was gestern noch gejauchzt und heut verblüht,
So will ich nichts als so ein kleiner Niemand bleiben,
Und nimmer freut sich meine Seele kindergut und groß,
Ich kann ja nichts als meine armen Verse schreiben,
Sie wollen, dass ich ewig fremd und mutterlos.
Es weiß ja keiner, wie dies Bluten schmerzte,
Und es ist gut, dass keiner mich erkannt,
In tiefer Nacht brenn ich mein Herz als Kerze,
Wohl, weil ich keinen Stern auf Erden fand.
So will ich gern ein kleiner Niemand bleiben,
Vielleicht kenn ich ich das Leben trotzdem mehr als ihr!
Ich kann ja nichts als meine armen Verse schreiben –
Dies große Herz ja, auf ein kleines Blatt Papier!
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Der Dichter als Schöpfer
Der Dichter bzw. der Künstler allgemein als Gott seiner eigenen von ihm geschaffenen Welt, das ist das Thema des folgenden Gedichts.
Ernst Lissauer · 1882-1927
Lied des Künstlers
Noch immer ist Schöpfungstag.
Werdende Luft kreist warm.
Gottheit mit meinem Arm
Holt aus in bildendem Schlag.
Die begonnene Welt harrt still,
Winde des Anfangs wehn.
Ich habe gesprochen: ich will,
Und so soll es geschehn.
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Der traurige Dichter
Das grundsätzliche Probleme eines schreibenden Dichters: Er kann das Geschriebene nicht mit den Augen eines Lesers betrachten. Es fehlt der Überraschungseffekt. Da nutzt es auch nichts, ein abgebrochenes Sonett zu schreiben, der Dichter weiß ja, dass es abgebrochen wurde.


Schmerz und Liebe eines Dichters
In diesem Gedicht stecken die beiden Seiten drin, die einen Dichter – vornehm ausgedrückt – klassischerweise ausmachen, weniger vornehm könnte man von Klischees sprechen: Der einsame Dichter, der sich seine Seele aus dem Leib dichtet und der romantisch Liebende, der in der Liebe vergehen will.
Victor Hadwiger · 1878-1911
An stillen Nachmittagen
An stillen Nachmittagen sang ich’s in die blauen Lichter,
Wenn meine Mutter murrte, weil ich müßig war,
Ich sang es in den Hohn der Bösewichter
Und blieb ein Dichter und ein Narr.
Es gingen viele stille Nachmittage
An meinem großen Schmerz vorbei,
Da wurde es zu einer frommen Frage,
Ein braver Spruch und bald ein stolzer Schrei.
Ich lernte es von einem Spielmann rasch und froh,
Wie man es singt und nimmermehr vergisst,
Von einem Spielmann, der in einem alten Volkslied wo
An einem Frühlingstraum gestorben ist.
Du lege deinen Kopf in meine Hände,
Es dämmert die Dezembernacht,
Und sing es in der Dunkelheit zu Ende,
Was ich im Lichte mir erdacht.
Ich will mit dir in deine Länder fahren
Und deine leisen Engel sehn;
Dir meine Seele offenbaren,
In deiner Seele untergehn.
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Der Dichter als Seher
Das folgende Gedicht ist eine Art Werbesendung fürs Dichten. Wer dichtet, hat den Durchblick, könnte man die Werbebotschaft zusammenfassen.
Otto zur Linde · 1873-1938
Nach Mitternacht
Des Dichters einsame Lampe glüht
Noch spät nach Mitternacht –
Die Welt liegt längst in Kissen müd,
Wenn er am Schreibtisch wacht.
Der Tag schloss seine Tore zu,
Die Nacht ist aufgetan.
Nun alles Laute sank zur Ruh,
Hebt Leises lieblich an.
Verborgnes Spinnrad summt und singt –
Des Dichters Seele lauscht,
Was aus dem Innen zu ihm dringt,
Was aus dem Unten rauscht.
Und seines Zimmers Wände rolln
Weit auseinander; fern
Ist nah nun; aus dem Wundervolln
Ergießt sich Strom und Stern.
Des Dichters Welt ist voll umstellt
Von Bildern wahr und groß.
Geheimstes ist nun ganz erhellt
Und jede Hülle bloß.
Was ihn aus Augen angeschaut
Am Tag so rätselblind,
Das ist ihm offen anvertraut
Und schuldlos wie ein Kind.
Die überirdsche Blume blüht,
Die Herzen trunken macht.
Des Dichters einsame Lampe glüht
Noch spät mach Mitternacht.
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Zukunftspläne eines Dichters
Hier spekuliert der Dichter über das Gelesenwerden nach dem Tode. Im eigenen Fall war der Dichter etwas zu optimistisch, viele seiner Gedichte sind bisher nicht im Internet, wie auch dieses eine Erstveröffentlichung im Web ist.
Ernst Lissauer · 1882-1927
Vermächtnis
Es werden Menschen sitzen und lesen,
Von meiner Seele beschienen,
Was ich gesonnen, was ich gewesen, –
Da ich dies schreibe, bin ich bei ihnen.
Sie werden essen von meinem Leide,
Mit meinem Glücke werd’ ich sie tränken.
Ich bin gesäet, Gottes Getreide,
Und noch im Grabe will ich mich schenken.
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Gedicht über ungeschriebene Gedichte
Man möchte so viel schreiben und sagen, aber irgendwie kommt’s nicht so raus, wie es soll. Das ist im normalen Leben nicht anders als bei Dichtern.
Guido Zernatto · 1903-1943
Das, was ich schreiben möchte
Das, was ich schreiben möchte,
Liegt wie ein Stein in mir.
Ich kann es nicht erheben,
Was in mir ist, nicht geben,
Liegt zentnerschwer in mir.
Das, was ich sagen möchte,
Hängt mir ins Herz hinein,
Blaufeuchte Trauben, schwere,
Gesegnet jede Beere,
Voll traumbeladnem Wein.
Und was ich schreib und sage,
Ist trocken wie Papier.
Ich kann es nicht erheben,
Was in mir ist, nicht geben,
Liegt wie ein Stein in mir.
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Lustig ist das Dichterleben
Den ganzen Spaß eines Dichterlebens zeigt Hans Bethge in diesem Gedicht, „erbärmliche Spitäler“ inklusive.
Hans Bethge · 1876-1946
Die lyrischen Dichter
Ach, wir taumeln durch die Zeiten,
Ganz verschwärmt vor Seligkeiten,
Keiner glaubt an unsre Not.
Unter Rosenbüschen liegen,
Sich in Frauenarmen schmiegen,
Das ist unsrer Kunst Gebot.
Und wir spielen unsre Leier,
Heute dumpfer, morgen freier,
Und wir hungern auch einmal.
Unser Leben ist ein Schwanken
Zwischen Glut und Nachtgedanken,
Höchste Lust und tiefste Qual.
Aber sind wir alt, so schleichen
Wir als halbvergessne Leichen
Durch erbärmliche Spitäler.
Unterdessen blüht der Flieder,
Zärtlich ziehen unsre Lieder
Abends durch die Wiesentäler.
Linkadresse zu diesem Gedicht: www.lyrikmond.de/gedichte-thema-4-30.php#1797

Warnung vor dem Dichten
Über die Folgen übermäßigen Dichtens kann sich der Dichternachwuchs hier informieren: Ein Gedicht über einen Dichter, der nicht mehr ganz dicht ist.

