Kurze Sommergedichte
Der Sommer steht im Ruf, eh immer zu kurz zu sein. Also macht man aus der Not ein kurzes Gedicht und gönnt ihm nicht mehr als acht Verse oder eine Textlänge, die in etwa acht Zeilen mittlerer Länge entspricht. Solcher Art Kurzgedichte zum Sommer sind auf dieser Seite versammelt.

Kurzes Gedicht über einen Sommermorgen
Dieses Sommergedicht könnte auch eine Fotografie sein. Ich denke, schwarz-weiß, etwas körnig, aus großer Entfernung aufgenommen, würde gut passen.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Still leben
Grauer Sommermorgen.
Vier Menschen
stehen auf der Brücke
an der Bushaltestelle.
Von der Straße abgewandt
betrachten sie
den stillen Fluss.
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Sommerliche Nebenwirkungen
Unkraut jäten und Rasen mähen sind zweifellos die Lieblingsbeschäftigungen von Gartenbesitzern, sonst würden sie es ja nicht so häufig tun, oder? Doch wie alles im Leben hat auch hier das Übermaß Nebenwirkungen.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
An alle Gartenbesitzer
Unkraut jäten und Rasen mähen
verstößt gegen die Berufsehre
von Kaninchen, Schafen und Pferden.
Verpasst Ihnen demnächst
ein Kaninchen schafsäugig einen Pferdekuss,
bitte keine Beschwerden.
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Warten auf den Sommer
Manchmal ziert sich der Sommer in diesen Breiten überhaupt mal loszulegen. Vielleicht hilft dann dieses kurze Gedicht.
Hans Retep · geb. 1956
Oh Sommer, oh Sommer ...
Oh Sommer, oh Sommer
Wo bleibt er? Nun komm er
Wir warten lang schon genug
Bring Sonne, bring Hitze
Bring Wonne, bring Schwitze
Vergehst ja doch wie im Flug
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Kurzes Sommerregengedicht
Ein verregneter Sommer kann ganz schön lang werden, dafür ist dieses Gedicht recht kurz geworden. Bebildert gibt es das Gedicht bei Gruß an dich.
Hans Retep · geb. 1956
Sommerregenlied
Ja bringt der Sommer nur noch Regen?
Ich hätt viel lieber Sonnenschein.
Die Pfützen stehn auf allen Wegen,
ja bringt der Sommer nur noch Regen?
Das Grünzeug hält’s wohl für ’nen Segen,
doch ich, ich möcht am liebsten schrein:
Ja bringt der Sommer nur noch Regen?
Ich hätt viel lieber Sonnenschein!
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Kommentar Hans Retep:
Dichtungsprotokoll:
In einer Liebesgedichtesammlung finde ich ein Gedicht von Friedrich von Hagedorn mit einer seltsamen Versstruktur. Ich weiß, sie hat einen Namen, aber ich komm nicht drauf. Internet angeworfen, und siehe da: Wikipedia nutzt genau jenes Hagedorn-Gedicht als Beispiel für ein Triolett. In diesem Achtzeiler werden die beiden ersten Verse am Schluss wiederholt und der erste Vers taucht als vierter noch mal auf. Dadurch wird der angetäuschte Kreuzreim zu abaaabab verunstaltet. Ein Trioreim schiebt sich durch die Wiederholung des ersten Verses als Nummer vier dazwischen.
Wikipedia glaubt auch zu wissen: Das Triolett „eignet sich besonders für das Tändelnde und Naive.“ Naiv bin ich selber, also: Blick aus dem Fenster und los geht’s. Die ersten beiden Verse stellen sich ein, womit dann nur noch Vers drei, fünf und sechs fehlen. Beim dritten hakt es schon und auch die ersten beiden sind auf den zweiten Blick etwas schlapp. Ich lasse das Gedicht liegen, mache etwas anderes. Eine halbe Stunde später meldet der Kopf an alle angeschlossenen Stationen: Es geht weiter von vorn.
Tatsächlich haben die ersten beiden Verse nun mehr Pep und der Rest kommt nach und nach. Ich überlege, ob ich nicht einige „Ausstanzungen“ vermeiden soll, z.B. im zweiten Vers: Ich hätte lieber Sonnenschein. Doch das ist keine Verbesserung. Korrekt ist in diesem Fall nicht gut genug.
Fehlt noch der Titel. Der fünfte Kandidat geht schließlich durchs Ziel. Bleibt noch die Frage: Wie halte ich es mit den Auslassungszeichen? Auch da möchte ich dem Charakter der Rede Rechnung tragen, indem ich so wenige wie möglich setze. Die starke Orientierung an der Umgangssprache soll gar nicht erst den Verdacht aufkommen lassen, dass hier eine alte Form reaktiviert wurde. Stattdessen soll die Form so wirken, als ob sie sich ganz zwanglos aus dem Inhalt ergeben hätte.
Zum Schluss noch das Wichtigste, etwas, das man nie beim Schreiben von Gedichten fürs Internet vergessen darf: Bevor ich den Text online stelle, schlaf ich eine Nacht drüber.
...
Nacht drüber geschlafen. Mir ist noch eine Variation auf den fünften Vers eingefallen: Das Grünzeug sieht es wohl als Segen. Aber ich meine, zu „Grünzeug“ passt „Slang“ am besten. Also bleibt es dabei; Gedicht kann online gehen.

Sommergedanken – kurz und schafig
So ein Schäfer hat anscheinend viel Zeit, um sich seine Schafe auf der Weide zu begucken, und kommt dabei auf den einen oder aber meistens auf den anderen Gedanken.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Schäfergedankchen
Ich finde,
Schafe,
die auf der Weide stehen,
ihr Gras wiederkäuen und
wiederkäuen,
gucken,
wenn sie einen Menschen sehen,
ein wenig zu
arrogant
aus der Wäsche,
die bald
aus ihrer Wolle
gewebt wird.
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Kurzes Gedicht übers Sommerloch
Auch das viel gescholtene Sommerloch hat ein Gedicht verdient, natürlich nur ein kurzes und es reichte gerade mal für das Zusammenmontieren der wichtigsten Schlagzeilen des Tages.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Sommerloch
Nichts passiert!
Katze schläft auf Straße!
Polizei hitzefrei?
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Draußen und drinnen
Ein Unterschied wie Tag und Nacht, sagt man zuweilen, aber im heißen Sommer drinnen im Dunklen, im Kühlen zu sitzen, das ist wirklich ein Unterschied wie Tag und Nacht.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Draußen grillt die Sommersonne ...
Draußen grillt die Sommersonne.
Hier ist es schummrig,
hier ist es kühl
und still.
Ich betrachte die weiße Wand
und denke dies Gedicht.
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Sommergeister
Wenn man den flotten, alten Mann und die Geister wegließe, hätte man eine typische Sommerstimmung, allerdings auch recht wenig Text. So reicht es immerhin zu einem kurzen Gedicht.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Die Geister
Sommer.
Stiller Samstagnachmittag.
Ein alter Mann
geht schnellen Schritts
vom Friedhof fort.
Über die Friedhofsmauer
schauen ihm die Geister
etwas enttäuscht
nach.
Doch dann
sagt einer was
und sie lächeln wieder.
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Sommer ganz einfach
Während der Sommer in der Stadt eine ziemliche Plage sein kann zwischen Dauerrregengeplatsche und Backofenhitze, ist er in den Bergen eine einfache Angelegenheit, da kann man jeden Bach fragen.
Edith Södergran · 1892-1923
Sommer in den Bergen
Einfach ist der Berge Sommer:
Wiesen blühen,
der alte Hof lächelt,
und des Baches dunkles Murmeln spricht vom gefundenen Glück.
Übertragen aus dem Schwedischen von Hans-Peter Kraus
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Kurzes Sommerhintergrundgedicht
Ein sehr hintergründiges Gedicht ist das folgende, denn egal wie schön das Wetter, egal wie toll der Sommer, irgendwer findet immer eine Birke in der Suppe.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
hinter den grünen Bäumen ...
hinter den grünen Bäumen
im Sonnenschein
ragt
vor grauen Wolken
die kahle Birke
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Kurze Sommerimpression
Auch Rasenmäherroboter haben Rechte, zum Beispiel das Recht in einem Gedicht verewigt zu werden. Dass das Gedicht nur so eine Art Schnappschuss ist, macht nichts. Rasenmäherroboter können ja nicht lesen.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Der Rasenmäherroboter
Der Rasenmäherroboter
zieht weiter seine Bahn,
noch nass
vom sommerlichen Schauer.
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Kurz und kühl
Nicht nur der Mensch hat Probleme mit den Hitzewellen des Sommers, doch auch Tier weiß sich zu helfen, wie folgendes Kurzgedicht zeigt.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Abkühlung
Sommerhitze
irgendwo heftiges Flügelschlagen
eine Amsel
im Bach
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Hausbau und Sommer
In diesem kurzen Gedicht geht es nicht um Schwachstellen beim sparsamen Hausbau, die von der Sommerhitze offenbart werden, sondern um einen Geiz anderer Art.
Hans Retep · geb. 1956
Sommerliche Botschaft
Wer weit entfernt
vom Gehsteig baut sein Haus,
der sendet eine Botschaft aus.
Sie sagt:
Seht, ich bin reich.
Ihr seid mir alle gleich.
Und wenn die Sonne früh am Morgen brennt,
dann schützt euch mit den Händen,
denn mein Haus wird
euch keinen Schatten spenden.
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Sonnenblumen-Gedicht
Dies ist ein Gedicht über ein Verbrechen an einem sonnigen Sommertag mitten unter uns und die Polizei ist natürlich mal wieder nicht da, wenn man sie braucht.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Scheibe
Wintergarten im Hochsommer
die Sonnenblumen drücken
die Köpfe gegen die Scheibe
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Kurz vorm Ende
Das Ende der Sommerhitze wird in diesem Gedicht dank staatlicher Unterstützung zu einem spektakulären Anfang.
Rüdiger Butter · geb. 1963
Spätsommer
Die Morgensonne verwandelt sich
ein letztes Mal
in eine heiße Kochplatte
Das Land und auch viel Haut
hat sie verbrannt
Grünanlagen
wurden Braunanlagen
letzte Küsse im Stadtpark
bevor ein Stadtpolizist
mit einer fallengelassenen
Zigarette alles beendet
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Kurzes Gedicht über Blumenfalter
Wer bei einem Sommergedicht über Blumenfalter Blumen und Falter erwartet, liegt nicht falsch, aber das eigentliche Thema ist damit nicht erfasst:
Dago Berlin · geb. 1946
Blume und Falter
Der Falter in unserem Garten
Ist eine fliegende Blume.
Die Blume in unserem Garten
Ist ein gelandeter Falter.
Der Falter in unserem Garten
Die strahlende Blume küsst.
Ein Garten ohne Blumen
Ist wie ein Haus ohne Kinder.
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Lesetipp:
Das aktuelle Buch von Dago Berlin: Aphorismen: Wahre und absurde Sprüche bei Amazon.

Sommerstimmung
In diesem kurzen Gedicht entsteht eine Stimmung, die die Seele schweben lässt.


Ein kurzes Fontane-Sommergedicht
Theodor Fontane fängt in seinem Kurzgedicht eine typische Hochsommerstimmung ein, wenn sich wirklich nichts mehr rührt und es selbst zu heiß zum Denken ist.


Gedicht. Sommer. Mittag.
Wenn Leerzeilen Pausen im Gedicht bedeuten, dann gibt es hier mehr Pausen als Gedicht, was wiederum zur sommerlichen Mittagsträgheit passt.
Rolf Wolfgang Martens · 1868-1928
Mittagsstille ...
Mittagsstille.
Grell prallt die Sonne auf den Wasserspiegel.
Unterm Erlengebüsch sitz ich und angle.
Durchs Schilf
jagen sich im Zickzack
zwei blaue Seejungfern.
Ich starre auf meinen Schwimmer.
Die Augen fallen mir zu.
Hinter mir,
in den Tannen
pfeift ein Regenvogel.
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Gedicht über einen Teich
Solange das Wasser nicht von oben kommt, ist es durchaus im Sommer willkommen, zum Beispiel als Teich, an dem man sich erfrischt austoben kann:
Franz Evers · 1871-1947
Ein heller Teich mit dem Himmel drin ...
Ein heller Teich mit dem Himmel drin;
rings ziehn sich sonnige Büsche hin.
Und Knaben plätschern im Wasser und schrein;
ihre Leiber schimmern im Sonnenschein.
Von schlagendem Herzen und schäumendem Blut
erzählt ihr lachender Übermut.
Goldtropfen spritzen von Hand zu Hand ...
ein Jubel sprüht über das ganze Land.
Und die Wolken des Himmels stehen still,
weil keine sein Spiegelbild stören will.
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Erntegedicht
An die Ernte denkt das lyrische Ich beim Sommer und hat dabei einen ganz speziellen Wunsch an die oberste Geschäftsleitung
Ernst Lissauer · 1882-1927
Bitte um Frucht
Nicht für mich, dass Trauben hangen,
Nicht für mich, dass Korn ersteht,
Ich pflanze nicht, um zu empfangen.
Ich trage in mir als Gebet
Das Wort des Roggens und der Rebe,
Das wie ein Düften aufwärts weht:
Gib mir, dass ich gebe!
Linkadresse zu diesem Gedicht: www.lyrikmond.de/gedichte-thema-10-134.php#1571
Kommentar:
Die Bauweise dieses Sommergedichts ist sehr interessant: Die ersten beiden und der letzte Vers sind trochäisch, also erst Hebung, dann Senkung, die mittleren sind jambisch, also erst Senkung, dann Hebung. Noch interessanter ist, dass die ersten drei Verse jeweils eine Zäsur in der Mitte haben, wahrend der vierte mittels Zeilensprung (Enjambement) sozusagen über sich hinauswächst, was sehr schön zum Thema des Wachsens und Gedeihens im Sommer passt.

Kurzes Gedicht zum Sommerende
Das Ende des Sommers wird mit diesem bekannten Gedicht von Friedrich Hebbel gewürdigt.

