Unterm Lyrikmond

Gedichte lesen, schreiben und interpretieren

Klassische Wintergedichte

Früher mag alles besser gewesen sein, aber die Winter waren mit Sicherheit wesentlich härter, weil: Zentralheizung? Pustekuchen. Trotzdem konnten auch die Dichter des 19. und früherer Jahrhunderte dem Winter in ihren Gedichten positive Seiten abgewinnen, wie diese kleine Sammlung klassischer Wintergedichte zeigt.

 
 

Ein Bild von einem Gedicht

Ein wunderschönes Gemälde malt Friedrich Hebbel in seinem klassischen Wintergedicht.

Hebbel: Winterlandschaft

Dieses Gedicht im Textformat

 
 

Winterstimmung

Eine Runde Trübsalblasen spendiert dieses Wintergedicht. Und um das Maß voll zu machen, enthalten fast alle Strophen Waisen.

Heym: Auf einmal aber kommt ein großes Sterben ...

Dieses Gedicht im Textformat

 
 

Das Geheimnis des Winters

Dichter Weber hält den Boden ans Ohr und hört in diesem Wintergedicht das Korn wachsen.

Weber: In der Winternacht

Dieses Gedicht im Textformat

 
 

Ein Wintergedicht von Gottfried Keller

Ist es eine Sage, ein Gleichnis oder nur eine Geschicht’? In jedem Fall ist es ein bilderstarkes Wintergedicht:

Keller: Winternacht

Dieses Gedicht im TextformatZur Interpretation des Gedichts Winternacht

 
 

Draußen in der Winternacht

In diesem Gedicht schwankt die Sichtweise zwischen dem Kampf mit der Natur im Winter und dem Ruhebedürfnis ob des ewigen menschlichen Ringens.

Lenau: Winternacht

Dieses Gedicht im TextformatZur Interpretation des Gedichts Winternacht

 
 

Gedicht übers Wandern im Winter

Hoher Schnee, ganz allein im Wald, Stille, da führt der Wanderweg eventuell weiter als gedacht.

Gertrud Pfander · 1874-1898

Winterwanderung

Nun will ich gehn, nun will ich wandern
Hin durch den tiefen, weichen Schnee,
Dass mich von all den vielen andern
Nicht einer mehr, nicht einer seh.
Der Nebel wogt auf weißer Breite,
Als kam das Ende hier der Welt,
Mein Grauen nur gibt mir Geleite,
Stets unzertrennlich, treugesellt.

... Kein Laut ... Kein Hauch ... die Tannen stehen
Ganz regungslos in schwarz und weiß,
Nur einen Raben seh ich drehen
Sich ohne Flügelschlag im Kreis.
Die Flocke nur will leise girren
Aufseufzend unter meinem Schritt ...
... Ich möchte ewig, ewig irren,
Ich – und mein Graun – sonst keiner mit.

Der Schnee reicht mir bis an die Kniee,
Und dennoch fühl ich keine Not,
Als ob mich selbst das Grauen fliehe,
Das sonst beständig mich bedroht ...
Mir wird so still, wird so gelassen,
Halb schlafbesiegt, halb tränensatt ...
... Sieh! ... durch des Waldes kristallne Gassen
Rückt glashell eine selige Stadt ...
... Nun will ich gehn ... nun will ich wandern
... Kein Laut ... Kein Hauch ...
... Ganz regungslos ...

 
 

Ein Wintergedicht von Matthias Claudius

Seinen ganz eigenen Kommentar zum Winter liefert Matthias Claudius mit diesem Gedicht. Der Winter mag ein ganzer Kerl sein, aber unsereiner ist nicht unbedingt dafür gemacht.

Claudius: Ein Lied hinterm Ofen zu singen

Dieses Gedicht im Textformat

 
 

Pro Winter

Dieses Winterlobgedicht ist umso erstaunlicher, wenn man sich noch mal vor Augen führt, wie viel härter Anfang des 18. Jahrhunderts die Menschen vom Winter getroffen wurden als heutzutage mit Strom, Heizung und Warmwasser im Haus.

Günther: Lob des Winters

Dieses Gedicht im Textformat

 
 

Winter und Frühling

In diesem Wintergedicht mischt der Dichter das Thema des schlummernden Frühlings im Winter mit der Erwartung eines ganz anderen Frühlings.

Grün: Im Winter

Dieses Gedicht im Textformat

 
 

Psychologischer Winter

Nicht nur meteorologisch ist es in diesem Gedicht Winterzeit, doch wie gut, wenn man rechtzeitig ein Königreich für ein Ross getauscht hat.

Eichendorff: Winter

Dieses Gedicht im Textformat

 
 

Das Ende des Winters

Eine Ahnung von Frühling verbreitet dieses Wintergedicht. Der Dichter erschnuppert etwas, das neuen Lebensmut nach einem harten Winter bringt.

Stephan Milow · 1836-1912

Dämmergrau die weite Runde ...

Dämmergrau die weite Runde,
Stille rings, kein Leben wach,
Nur im öden Waldesgrunde
Rieselt halb erstarrt ein Bach.

Zuckend liegt danieder alles,
Blattlos zittern Baum und Strauch,
Doch inmitten des Zerfalls
Welch ein wundersamer Hauch!

War es nicht dasselbe Schauern,
Als der Herbst umflort das Land?
War es nicht dasselbe Trauern,
Als ich damals brütend stand?

Was nur webt da, nicht zu sagen,
Über all dem Todesgraun,
Dass mein Herz aus seinen Klagen
Plötzlich aufpocht voll Vertrauen?

Ja, das ist in all dem Beben
Schon die Ahnung, die da spricht:
Diesen Schauern folgt das Leben,
Dieser Dämmerung das Licht.

Kommentar:
In der vorletzten Strophe schreibt Stephan Milow „was nur webt da“. Das Verb „weben“ hatte früher auch die Bedeutung wehen, wimmeln oder bewegen. Es gab die stehende Wendung „lebt und webt“, die dem heutigen „kreucht und fleucht“ entspricht. Im Gedicht dürfte am ehesten wehen oder ein unbestimmtes sich rühren gemeint sein.

 
 

Geduld im Winter

Die Stimme dieses Gedichts erkennt beim leisesten Wintersonnenschein ein Mucken im Kirschbaum. Dieses Wintergedicht reiht sich daher in die große Familie der sich selbst erfüllenden Prophezeiungen ein.

Avenarius: Vom Kirschbaum

Dieses Gedicht im Textformat

 
 

Kurzes Wintergedicht

Wäre der Winter mal so kurz wie dieses Gedicht, er ließe sich aushalten, aber als Kulturbanause nimmt er natürlich keine Rücksicht auf Gedichtkürze.

Alfred Krüger · 1887-1953

Winter

Ohne Gnade stehn die Dinge
In dem fahlen Morgenlicht,
Wie mit messerscharfer Klinge
Fährt der Wind in dein Gesicht.

Eisig ist die Luft und trocken,
Irgendwo ein Vogel schreit,
Und die spürst die ersten Flocken,
Die der blinde Himmel speit.

Zu HaikuHaiku: Kurze Wintergedichte aller Art