Unterm Lyrikmond

Gedichte lesen, schreiben und interpretieren

Gedichte zum 40. Geburtstag

40 zu werden sollte eigentlich kein harter Schlag mehr sein und gelassen ertragen werden. Das Schlimmste, die Jugend, in der man ziemlich dumm war, ist vorbei. Mann oder Frau steht mitten im Leben. Dass die Mitte im Leben oben ist und es nur noch nach unten kann, muss man nicht gleich zum Geburtstag servieren, oder vielleicht doch? -)

 
 

Ein Ringelnatzgedicht zum 40. Geburtstag

Ringelnatz bekanntestes Geburtstagsgedicht ist auf die 40 gemünzt, aber eine 30 oder 50 könnte es genauso gut vertragen.

Ringelnatz: Geburtstagsgruß

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Ein besinnliches Gedicht zum 40. Geburtstag

Rückerts Gedicht zum 40. gehört der nachdenklicheren Sorte an. Ans Ende erinnert zu werden, ist nicht jedermanns Geschmack. Dieses Gedicht sollte daher mit Bedacht ausgewählt werden.

Rückert: Mit vierzig Jahren

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Gedicht übers reife Alter

Mit vierzig Jahren sollte eine gewisse Reife erreicht sein, sonst wird es schwer mit dem Alter. Und worin zeigt sich Reife? Im Schweigenkönnen.

Ernst Lissauer · 1882-1927

Mit vierzig Jahren

Die Jugend lärmt, –
Doch wenn des Lebens immer tiefere Fülle
Uns seliger beglückt, uns dunkler härmt, –
Die Jugend lärmt; der Mann ist stille.

 
 

Selbstgemacht

Wenn keiner mehr ordentlich was schreibt zum Geburtstag, dann muss wohl im reifen Alter (40!) selbst ran und ein frohes Gedicht verfassen. Gesagt, getan:

Daniel Claus Schäfer · geb. 1985

Bergab, mit Aussicht

Oje. Wieder so ein Tag.
Du wachst auf –
irgendwas knackt.
Du hoffst: das Bett.
Es war dein Becken.

Endlich in der statistischen
Lebensmitte angekommen!

Im Spiegel:
eine Mischung aus totem Waschbär
und Steuerbescheid.
Richtig schön war mal.

Erste Glückwünsche per WhatsApp.
Drei Luftballons, eine Torte, ein Lachsmiley.
Keiner schreibt mehr richtig was.
Nur noch Daumen hoch
und „Feier schön!“.

Ja klar. Ich feier noch schön.
Später.
Wenn die Gäste weg sind
und das Hirn zur Glotze ausläuft.

Die Familie steht plötzlich da
mit einem Kuchen,
der aussieht, als hätte jemand
ihn aus Resten zusammengekratzt.
„Na, wie fühlt man sich im neuen Lebensjahr?“
Wie ein geplatztes Hodenimplantat,
danke der Nachfrage.

Du lächelst.
Du kaust.
Der Guss schmeckt nach Aspirin.
Die Kerzen brennen
wie bei einer Mahnwache.

Geschenke:
Eine Teemischung namens „Klarer Geist“.
Räucherstäbchen.
Eine CD –
eine CD?
Das ist wie ein Brief aus der Gruft.

Smalltalk:
Die Tante erzählt von ihrer Hüfte,
der Cousin vom Tiny House,
CO₂-Bilanz jetzt ganz vorbildlich.

Und du?
Du sitzt da
mit Sekt im Glas
und Selbstverachtung im Hals.
Willst schreien.
Willst tanzen.
Willst alle rauswerfen
und nackt durch die Torte rutschen.

Aber du bleibst ruhig.
Du isst.
Du trinkst.
Du sagst Danke.
Denn das ist das Spiel.
Und du freust dich bereits
aufs nächste Jahr.

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