Gedichte aus dem Leben 2
Auf dieser Seite sind Gedichte aus dem Leben gesammelt, die vor 1945 entstanden. Sie sind deshalb keineswegs veraltet. Manches Details mag man als nicht mehr zeitgemäß erkennen, doch im Großen und Ganzen hat sich nicht so viel verändert, wenn ein Dichter aus dem Leben schreibt.

Sensibel leben
Das Gedicht von einem, der auszog, sensibel zu bleiben. Wie man sich denken kann, hat er es nicht leicht und braucht dringend Verbündete, die er am Schluss auch findet. Und wenn sie nicht gestorben sind ...
Georg Stolzenberg · 1857-1941
Nein, ich kann nicht unter ihnen leben ...
Nein, ich kann nicht unter ihnen leben!
Sie reden so laut
und ich möchte träumen.
Mein fröhliches Herz verwunden sie
bis die liebe, schöne Welt
vor meinen feuchten Augen zerrinnt.
Zu euch,
ihr meine liebsten Kameraden:
Blumen, Kinder, Vögel!
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Aus einem früheren Leben
Auch wenn die Lebenszeit des Autors vermuten lässt, dass dieses Gedicht nach dem Ersten Weltkrieg entstanden ist, wurde es doch schon 1898 veröffentlicht. Das ist sowohl thematisch als auch von der Machart sehr erstaunlich.
Georg Stolzenberg · 1857-1941
Am Weg steht der junge Bettler ...
Am Weg steht der junge Bettler.
Die Augen geschlossen,
blind.
In die hingehaltene Soldatenmütze
strömt
Sonnenschein.
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Unter Leuten
Das muss man auch können als Dichter: Inmitten von Menschen sein und seine ganz eigenen Gedanken dazu haben. Mit ein bisschen Weltschmerz gewürzt wird ein Gedicht aus dem Leben daraus.


Aus dem Nachtleben
Das Nachtleben war auch nicht immer, was es mal war, wenn man dem Herrn Ringelnatz glauben darf, der seine Freunde vermisst.


Noch mal Ringelnatz, noch mal Nachtleben
Der zweite Vers sagt alles: Hier passiert allernichtestens, ein Wort, das extra für dieses Gedicht erfunden wurde, um zu verbergen, dass es Bände spricht.


Wenn’s einem dämmert
Ein Report von unterwegs, während es dämmert. Ob nun das lyrische Ich des Gedichts durch die Landschaft oder durchs Leben geht, bleibt eine offene Frage.


Der fremde Blick
Sowohl sehr distanziert mit einem Auge, das nicht von dieser Welt scheint, als auch sehr nahegehend schildert Ludwig Scharf die Menschen in diesem Gedicht.


Die Musik des Lebens
In diesem Gedicht aus dem Leben entdeckt ein Dichter hinter einer tristen kleinstädtischen Fassade Musik.


Umzugsgedicht
Über die Gefühlslage beim Umzug berichtet dieses Gedicht. Da Geister darin vorkommen, kann sie mit mulmig beschrieben werden.


Menschliche Begegnung
Mitleiden, mitfühlen mit einem Verlorenen, das wird demonstriert im folgenden Gedicht, aber der letzte Schritt bleibt – wie auch so oft im richtigen Leben – aus.
Friedrich Kayßler · 1874-1945
Der Mensch
An der Straßenecke seh ich dich stehn
mit glühenden Wangen
unter deinem schweißgetränkten Hut.
Auf deinen Füßen trittst du rastlos hin und her,
dein Auge irrt.
Ich bin an dir vorübergegangen,
ich habe dich niemals früher gesehn,
und doch kenne ich dich so gut.
Auf meinen Füßen trittst du rastlos hin und her,
meine Augen sind es, die in den deinen irren,
meine Angst wartet mit dir an deiner Ecke.
Wartet. Wartet.
Ich möchte schreien vor Weh.
Ich kenne dich nicht. Aber ich möchte zu dir treten
und mit dir beten – Bruder!
Doch Scham fesselt mich, dass du mich nicht kennst.
Uns trennt die kalte Sitte der Erdenleiber.
Und doch kennen wir einander so gut,
durchscheinend im Kerne sichtbar einander –
eine Angst schüttelt und beide,
in einem Seelensturm fahren wir dahin.
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Die Perspektive von unten
Es gibt Menschen, mit denen man nicht gerne in Berührung kommt. Deren Perspektive wird in diesem Gedicht beispielhaft dargestellt.
Albert Sergel · 1876-1946
Laster
Wie ihr nach eurem Kleide greift,
wenn unversehens ihr uns streift,
als hätt’ euch, sonnenlichtverführt,
ein garstiges Insekt berührt.
Ihr habt es leicht, mit Grimm und Grauen
auf unsereins herab zu schauen.
Was kümmert euch, wem ich mich bot!
Ihr saßet warm, ihr hattet Brot,
als ich, fünf Treppen, unterm Dach,
den Hungerlohn zusammenstach.
Und Elternliebe euch umfing,
wenn ich vor Tag zur Arbeit ging,
den Winter durch im dünnen Kleid,
vom Sturm gepeitscht und eingeschneit.
Hungert wie wir und steht allein!
Dann werft auf uns den ersten Stein!
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