Gedichte Vater und Sohn 1
Vater und Sohn ist eine nicht ungefährliche Beziehung, wie schon Ödipus’ Vater erfahren musste. In den Gedichten auf dieser Seite überwiegen jedoch die schönen Seiten dieser Beziehung, wenn der Vater z.B. dem Sohn Ratschläge fürs Leben gibt. Was der Sohn daraus macht, ist wieder ein anderes Kapitel.

Das Ende einer Vater-Sohn-Beziehung
Auch nach dem Ende herrscht hier zwischen Vater und Sohn kein eitel Sonnenschein. Der Qualm ist im Weg.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Mein Vater
Mein Vater hinterließ wie üblich eine Qualmwolke,
als er im Krematorium geäschert wurde.
Er hatte sich nicht sonderlich geändert,
nur kam der Qualm hier durch den Schornstein
und nicht aus Mund und Nase
wie früher,
als er mit seiner Pfeife
die Luft verpestete,
mein Vater.
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An einen Rabenvater
Zur Feier des Tages wird insgeheim abgerechnet, und es stellt sich heraus, dass Vater einiges an Minus angehäuft hat.
Volker Teodorczyk · geb. 1953
Hymne auf Vater
Lobeshymnen laut und schallend
Ovationen, Huldigungen
Die wir auf die Knie fallend
Dir gewidmet, dir gesungen
Das war all die Jahre Pflicht
Heute machen wir das nicht
Deine Liebe, deine Gnaden
Sparsam gingst du um mit ihnen
Unter deinen Maskeraden
Spürten wir dich hämisch grienen
Doch uns fehlte Kraft und Mut
Heute spüren wir nur Wut
Rigoros im Herrschaftsstile
Führtest du mit harter Strenge
Ohne Sinn und ohne Ziele
Eingehüllt in dunkle Enge
Dieses ist Vergangenheit
Heute ist für Fragen Zeit
Doch es ist genug gerichtet
Und die Feier soll beginnen
Torten werden aufgeschichtet
Enkel singen wie von Sinnen
In der Mitte von den Seinen
Sieht man Vater leise weinen
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Willkommensgedicht eines Vaters
In diesem Gedicht spricht ein stolzer Vater, der jedoch rechtzeitig die Kurve bekommt, bevor er seinen Sohn mit Erwartungen überfrachtet.
Jakob Loewenberg · 1856-1929
Ein Junge
Sonne, komm rasch an mein Fenster gesprungen,
Lache mit mir, – ich hab einen Jungen!
Siehst du, wie groß seine Augen, wie hell?
Ist’s nicht ein prächtiger, strammer Gesell?
Regt er das Händchen schon, nach dir zu langen?
Küss ihn nur, küss ihn auf Stirn und Wangen,
Weih ihn zum Leben mit heiliger Glut,
Gib ihm den leuchtenden, fröhlichen Mut,
Dass er im dunkelsten Erdenweh
Gläubig hinauf zum Lichte noch späh.
Was ich im Dämmer kaum wagte zu träumen,
Lass in des Tages Flut ihn umschäumen.
Wo mir das Schwert aus der Hand geglitten,
Nehm er es auf und weitergestritten!
Wo ich am Wege müde blieb stehn,
Soll bis zum Ziele siegkräftig er gehn.
Soll – nichts soll er, sich selbst nur bewähren
Und um den Vater den Teufel sich scheren!
Sonne, komm rasch an mein Fenster gesprungen,
Lache mit mir, ich hab einen Jungen!
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Ein Kind an die Hand nehmen
In diesem Gedicht gehen Vater und Sohn Hand in Hand. Das kleine Problem dabei wird erst am Schluss offenbar und es besteht nicht im Größenunterschied.
Hans-Peter Kraus · geb. 1965
Mein kleiner Sohn
Wir gehen Seite an Seite.
Er hat sich damit abgefunden,
dass wir den Spielplatz verlassen
und nach Hause mussten.
Aber brummelig ist er doch.
Da kommt uns ein alter Mann
mit wirrem Haar entgegen,
der Unverständliches in seinen
zauseligen Vollbart murmelt.
Eine kleine Hand greift
nach meiner Hand,
ich halte sie fest,
wir schauen uns an
und lächeln.
Der alte Mann kommt näher,
wir weichen aus,
er beachtet uns nicht.
Dann ist er vorbei.
Die kleine Hand löst sich
nicht aus meiner Hand,
und so gehen wir weiter.
Es tut gut, mein Sohn,
deine kleine Hand zu spüren,
es ist nur schade,
dass du nie geboren wirst.
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Der Schatten des Vaters
Hier mal ein Vater-Sohn-Gedicht ohne Vater, der trotzdem immer da ist als Rabenvater.
Herta Dietrich · geb. 1966
Rabenschatten
Es war einmal ein kleiner Knabe
der wuchs ganz ohne Vater auf
an seiner Schulter saß ein Rabe
die Jahre nahmen schweren Lauf
Der Knabe wuchs heran zum Manne
der Rabe wuchs genauso mit
und hielt in seinem dunklen Banne
den Mann der zu viel trank und litt
Der Rabe weitet seine Schwingen
in ihrem Schatten lebt der Mann
verzweifelt muss er mit ihm ringen
damit er mit ihm leben kann
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Sohn wird eins
Eine kurze Ansprache von Vater zu Sohn zum ersten Geburtstag, nicht ohne Kritik – so sind halt Väter –, aber doch mit den besten Wünschen für die Zukunft. Die Antwort des Sohnes hat der Dichter leider nicht übermittelt.


Gedicht über väterliche Ratschläge
Erich Mühsam hat einige väterliche Ratschläge an den Sohn in ein Gedicht gepackt, so von Erfolgsmensch zu Erfolgsmensch.


Aufforderung zum Ungehorsam
Auch das gibt es: Die Natur als väterliches Beispiel, um dem Sohne Ungehorsam beizubringen. Auf eine solch verrückte Idee kann nur ein Dichter kommen.


Sohn hilft Vater
Ohne es zu wissen, hilft in diesem Gedicht der Sohn dem Vater, der sich an einen Ratschlag aus einem Lied hielt, das erst viele Jahre später in Frankreich entstehen sollte: Prendre un enfant par la main.
Richard von Schaukal · 1874-1942
Waldgang
Mir war die Brust mit dumpfem Groll beladen,
ein schwarzer Unmut übermannte mich,
fast kam der schöne Tag mir schon zu Schaden,
als ich um Hilfe in den Wald entwich.
Ich führte meinen Knaben an der Hand,
er hatte sie mir sanft wie sonst gegeben:
noch war sie mir nur ein gewohntes Band,
doch einte sich mir leis ihr liebes Leben,
und während wir im Schweigen langsam stiegen
und über mir der Himmel sich verlor,
hob aus der Finger süß vertrautem Schmiegen
die Seele sich geläutert mir empor.
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Papa erzählt
Die gute, alte Tradition des Geschichtenerzählens führt in diesem Vater-Sohn-Gedicht zu einem Moment der besonderen Verbundenheit.
Jakob Loewenberg · 1856-1929
Schneewittchen
„Erzähle, Vater, ach erzähle,
Ein Märchen nur; ich hör schon zu.“
Nun gut, sonst lässt die kleine Seele
Mich heute doch nicht mehr in Ruh.
Und ich erzähle von Schneewittchen,
Dem wunderschönen Königskind,
Dem in in der treuen Zwerge Hüttchen
Das böse Weib Verderben sinnt.
Und als es ihr beinah gelungen,
Schneewittchen schon wie tot erscheint,
Da fühl ich plötzlich mich umschlungen,
Da schluchzt der kleine Kerl und weint.
Kaum dass die Tränen ich verwinde!
So hat mich lange nicht gerührt,
Wie da zuerst bei meinem Kinde
Den Hauch der Menschheit ich gespürt.
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Gedicht zum Vater-Sohn-Glück
Dieses Gedicht stellt klar, dass zum wahren Vater-Sohn-Glück nicht zwei gehören, sondern drei:
Theodor Herold · 1871-1934
Wir drei
Auf meiner Stirne steht der Schweiß,
Ich schüttle den Staub von den Sohlen:
Der Julitag war schwer und heiß,
Nur ruhen und Atem holen.
Und langsam steig ich die Treppen empor,
Wohl an die vierzig Stufen,
Da tönt ein Stimmchen an mein Ohr
Wie silbernes Glockenrufen.
Und versunken war alle Sorge und Last,
Leicht bin ich emporgesprungen.
Und hielt mit beiden Armen umfasst
Mein Weib und meinen Jungen.
Er zog mir vom Kopf den grauen Hut,
Er zerrte mich in die Stube,
Und dann balgten wir uns vor Übermut:
Ich und mein blonder Bube.
Du lachtest dazu, und die Sonne fiel
Hellflutend durchs offene Fenster.
So bannten wir drei in goldenem Spiel
Die grauen Alltagsgespenster.
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Vater- und-Sohn-Legende
Ganz so dolle ist das Vater-Sohn-Verhältnis in diesem Gedicht eigentlich nicht, aber immerhin ehrlich. Erst die Erinnerung an die Legende von Christoph rückt die Sache für den Vater ins rechte Licht. Christoph war ein Riese, der Menschen über den Fluss trug und eines Tages auch ein Kind, das sich als ungewöhnlich schwer entpuppte, weil es der Herr persönlich war. Bei dieser Gelegenheit wurde Christoph getauft und gilt seitdem als der Schutzheilige für Pilger.
Guido Zernatto · 1903-1943
Erinnerung an St. Christophorus
Eigentlich ist mir das Kind im Weg,
Weil es abends schreit, wenn ich schon schlafe,
Und mich aufweckt. Es ist eine Strafe,
Die ich summ- und singend in die Wiege leg.
Es hat Willen, doch noch nicht Verstand,
Auch den Atem kann’s nicht regulieren,
Es läuft blau an. Ach, ich trag’s spazieren
Und hab etwas Kleines, Fremdes in der Hand.
In der Hand, die es voll Liebe hält
Und die nach dem Schlag des Herzens tastet.
Dieses Kind der großen Liebe lastet,
Wenn’s auch leicht ist, auf mir wie die ganze Welt.
Und wie einst auf Christoph auch ein Knab’
Leicht und schwer war, fühl ich, dass der Kleine
Für mich viel ist, weil ich mich durch seine
Lebenskraft vom ewigen Tod erlöset hab.
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Papa singt ein Wiegenlied
Das ist mal ein feiner Zug, wenn der Papa den Sohnemann zu Bett bringt und ihm ein Schlaflied singt – in der Theorie. In der Praxis gibt es gewisse Schwierigkeiten, die rein praktischer Natur sind.


Abschied eines Vaters
Um dieses Gedicht würdigen zu können, muss man wissen, dass Adam Kuckhoff es zwei Tage vor seiner Hinrichtung geschrieben hat.
Adam Kuckhoff · 1887-1943
Für Ule
Mein lieber Sohn, du großes, spätes Glück –
so lasse ich dich vaterlos zurück?
Ein ganzes Volk, nein, das ist viel zu klein:
das Menschenvolk wird dir dein Vater sein.
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Väterliches Erbe
Früher war eben nicht alles besser. Man hat es nur vergessen oder nicht darüber gesprochen. Doch in diesem Gedicht spricht der Sohn über das Schicksal seines Vaters, das nun auch ihm droht.


Sohn an Vater
„Die Liebe war nicht geringe“, wie es mal ein anderer Dichter formulierte, nur mit dem Formulieren klappt es hier nicht so gut. Aber was sind schon Worte unter Männern?


Vater an Sohn
Einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft wagt dieser Vater für seinen Sohn, der noch am Anfang des ganzen Tohuwabohus steht, das man Leben nennt.

