Wie schreibt man ein Gedicht mit wenig Schatten und viel Licht?
29 - Wo veröffentlichen?
Nirgendwo.
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Was ist deine Motivation fürs Schreiben von Gedichten? Applaus, Jubel, Glamour, großes Geld? Oder kreativ zu sein, weil du Spaß daran hast, und über Dinge zu schreiben, die dich beschäftigen? Ich vermute, eher die zweite bis dritte Variante, denn die erste verbindet wohl niemand mit dem Dasein als Dichterin. Trotzdem erscheint es vielleicht ein bisschen harsch zu sagen: Nirgendwo. Es ist auch nicht auf Dauer gemeint, sondern soll sagen: Habe Geduld mit dir, habe Geduld mit deinen Gedichten.
Stell dir jemanden vor, der seinen ersten Roman schreibt. Das kann dauern: Monate, ein Jahr. Und wenn er dann irgendwann fertig zu sein meint, dann geht die Tour los durch Verlage oder bei Literaturagenten. Das kann dauern: Monate, ein Jahr, und es gibt keine Erfolgsgarantie für eine Veröffentlichung. Wenn es schlecht läuft, muss unser Romanautor irgendwann sein Werk auf eigene Faust veröffentlichen – zwei, drei Jahre nachdem er angefangen hat, daran zu schreiben.
Jetzt kannst du sagen: Was habe ich damit zu tun? Ein Roman ist eine ganz andere Sache als Gedichte. Stimmt. Was ich damit sagen will: Eigentlich ist es völlig normal, dass in der Literatur vom Schreibvorgang bis zur Veröffentlichung viel Zeit vergeht (und dass da erst mal viele Leute drübergucken). Mit dem Internet haben sich natürlich die Spielregeln geändert: Du kannst am gleichen Tag, an dem du dein erstes Gedicht geschrieben hast, den Text online stellen. Ich halte das aber für keine gute Idee.
Im Prinzip nimmst du mit diesem Kurs sowieso schon eine Abkürzung. Das Wissen und die Techniken, die du hier in einigen Wochen oder Monaten erlernst, dafür braucht es in Eigenarbeit Jahre. Also nimm dir ruhig ein bisschen Zeit zu wachsen.
Du bist deine erste und bleibst für immer deine wichtigste Leserin. Dein Kriterium für ein gutes Gedicht sollte sein, ob du selbst damit zufrieden oder sogar glücklich bist. Stehst du noch am Anfang, kann es sein, dass sich Dinge schnell ändern, weil du noch immer relativ viel dazulernst. Wenn du etwas abwartest, bevor du ein Gedicht veröffentlichst, gibt dir das die Chance, ein gutes Gedicht noch im Detail zu verbessern. Und Details sind wichtig bei einem so kurzen Text, wie es ein Gedicht nun mal ist.
Hast du etwas Geduld mit dir und deinen Gedichten, ist dir der Schreibvorgang und dein Urteil über das Endergebnis das Wichtigste, dann macht dich das unabhängig davon, ob viele oder wenige einen Text lesen, ob er verrissen oder gelobt wird. Und hast du das seltene Glück, dass jemand mit ein bisschen Ahnung konstruktive Kritik daran übt, dann kannst du damit souverän umgehen, Kritik akzeptieren oder guten Gewissens verwerfen.
Das ist alles schön und gut, bleibt die Frage: Wo veröffentlichen? Wenn du so weit bist, dass du dir sagst, jetzt möchte ich meine Texte öffentlich präsentieren, dann gibt es zwei Welten, die Überschneidungen haben, aber eigentlich immer noch stark getrennt sind.
Die eine Welt ist die der Verlage, in der zumeist papierbasiert gearbeitet wird. Diese Welt hat einen klitzekleinen Nachteil: Verlage wollen Geld verdienen, doch mit Lyrik im Papierformat funktioniert das nicht oder nicht in dem Maße, dass ein Verlag damit über die Runden kommen kann. Ausnahme: Sogenannte Zuschuss-Verlage, die sich dafür bezahlen lassen, ein Buch in ihr Programm aufzunehmen. Die Größenordnung der Zuzahlung ist meist vierstellig und lässt sich durch Buchverkäufe nicht wieder reinholen. Diese Unternehmen sind im Prinzip Eitelkeitsdienstleister.
Wenn es unbedingt ein gedrucktes Buch sein soll, dann sind Books-on-Demand-Anbieter wesentlich günstiger. Dabei musst du eine druckfertige Vorlage liefern, aber dein Buch hat eine ISBN-Nummer, ist also im Buchhandel bestellbar, und du bekommst in der Regel wesentlich mehr pro Verkauf als ein Verlagsautor üblicherweise erhält. Eventuell ist eine Grundgebühr fällig für das Einpflegen ins System und die ISBN-Nummer, aber das beläuft sich nur auf zweistellige Beträge.
Eine weitere Papierlösung ist der Bereich Literaturzeitschriften oder Anthologien. Hier sind oft Leute am Werk, die froh sind, wenn sie kein Geld verlieren, also eher Amateurbereich. Trotzdem solltest du eine Ausschreibung für eine Zeitschrift oder Anthologie darauf abklopfen, ob es zumindest ein kostenloses Belegexemplar beim Abdruck gibt. Ist das nicht der Fall, dann würde ich eher die Finger davonlassen. Deine Aufgabe ist es nicht, kostenlos Inhalte zu liefern und dann noch finanziell dazu beizutragen, dass Leute sich als Literaturmacher präsentieren können, indem du ihnen ein paar Exemplare abkaufst. Letztlich sind die Auflagen in dem Bereich so gering, dass damit eh kaum Leserinnen zu ernten sind.
In der Papierwelt sieht es also eher mau aus, obwohl sie eigentlich einen besseren Ruf hat als die Welt des Internets, weil in ersterer mehr gesiebt wird. Im Netz kann jeder und jede veröffentlichen. Dafür winken dort wesentlich größere Leserzahlen, wenn man die Sache richtig anpackt.
Die einfachste Möglichkeit, im Netz etwas zu veröffentlichen, sind Social Media-Seiten oder Literatur-Foren, wo dann auch die Chance besteht, direkte Rückmeldungen zu erhalten. Allerdings musst du dir darüber klar sein, dass auf vielen solchen Seiten eine Kultur des Lobens und Gegenlobens besteht. Das ist zwar ganz nett, aber nicht wirklich hilfreich, wenn selbst Gedichte mit Rechtschreibfehlern eifrig gelobt werden.
Eine Sache solltest du immer beachten, wenn du Texte veröffentlichst auf Seiten, die andere betreiben. Es muss möglich sein, Texte problemlos wieder zu entfernen. Dafür gibt es zwei Gründe: Oft genug wird bei Ausschreibungen die Bedingung gestellt, dass ein Text unveröffentlicht ist. Hast du nun ein Gedicht, das zur Ausschreibung passt, irgendwo bereits platziert, könntest du den Text löschen. Du müsstest allerdings warten, bis er auch in Suchmaschinen nicht mehr auftaucht, was manchmal eine Geduldsprobe sein kann. Dann ist das Gedicht wieder unveröffentlicht und somit für die Ausschreibung einreichbar.
Der zweite Grund ist: Wenn du eine eigene Website online stellen willst, dann wäre es schlecht für die Seite, falls dort viele Texte auftauchen, die es bereits im Internet gibt, selbst wenn es deine eigenen sind. Suchmaschinen mögen keine Kopien, sondern neue Inhalte, wobei neu auch heißt: nicht mehr im Netz. Also sollte es möglich sein, Texte zu löschen, bevor du deine eigenen Seiten publizierst.
Wenn du einen gewissen Grundstock an Gedichten hast, solltest du sowieso eine eigene Website einrichten. Das kostet ein paar Euro im Monat, doch der große Vorteil ist, dass du schalten und walten kannst, wie du möchtest. Bei vielen Providern gehört Wordpress oder ein anderer Webbaukasten mit zum Paket. Du musst also nicht lernen, wie man eine Website baut, sondern nur den Umgang mit dem Redaktionssystem.
Zwei Tipps, um deine Seite erfolgreich zu machen: Biete deine Gedichte nach Themen an, also z.B. Frühlingsgedichte, Liebesgedichte, lustige oder traurige Gedichte, denn gesucht wird meist thematisch, und Suchmaschinen sind nun mal Hauptlieferanten für Besucher. Eine weitere Möglichkeit ist, zusätzlich Themen anzubieten, die eher informativ sind. Das kann etwas sein über deinen Lieblingsdichter oder deine Lieblingsdichterin, das kann ein ganz anderes Literaturthema sein, aber auch etwas, das dich besonders interessiert, jedoch nichts mit Literatur zu tun hat. So lockst du Besucher an, die dann vielleicht ein bisschen stöbern auf deiner Website und dadurch auf deine Gedichte stoßen.
Die wirklich großen Besucherzahlen (mehr als 1000 pro Tag) schaffen nur Lyrikwebseiten, die Gedichte von vielen Dichterinnen und Dichtern thematisch sortiert anbieten. Da müsstest du einfach mal selbst suchen nach Stichworten im Zusammenhang mit Gedichten, zu denen du etwas anzubieten hast. Bei den Seiten, die vorneweg in den Suchergebnissen auftauchen, kannst du dann schauen, ob es möglich ist, Gedichte zur Veröffentlichung einzureichen. Gelingt es dir, ein Gedicht zu platzieren, dann ist vielleicht auch ein Hinweis auf deine Website drin.
Zum Schluss: Wettbewerbe. Gibt es sowohl für gedruckte Ware als auch online oder als Lese-Veranstaltung und sind zumindest eine kreative Herausforderung, wenn ein Thema gestellt wird, das du noch nicht behandelt hast. Bei ernstzunehmenden Wettbewerben musst du allerdings damit rechnen, dass hunderte von Gedichten eingeschickt werden. Um überhaupt eine winzige Chance zu haben, solltest du die Ausschreibung ziemlich genau lesen. Am besten schreibst du dir die wichtigsten Punkte auf. Bei so viel Konkurrenz ist es nämlich völlig aussichtslos, ein Gedicht einzuschicken, das nicht genau den Wettbewerbsbedingungen entspricht, das nicht genau ein vorgegebenes Thema behandelt. Ich spreche aus Erfahrung, denn ich habe schon einige Wettbewerbe veranstaltet und die Quote derjenigen, die eine Ausschreibung nur überfliegen, ist erschreckend hoch.
Einen Überblick zu laufenden Wettbewerben gibt es in der Autorenwelt, wo diese unter dem Stichwort Förderungen gesammelt sind.
So weit meine Vorschläge zum Veröffentlichen von Gedichten. Trotz „Nirgendwo“ gibt es einige Möglichkeiten, deine Sachen unters Volk zu bringen, doch letztlich sollte das Wichtigste bleiben, dass du Spaß am Schreiben hast und glücklich damit bist, wenn dir ein „rundes“ Gedicht gelingt.